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Kein Geld und keine Aufträge

Die Krise in Zypern bekommen nicht nur russische Großanleger, sondern auch griechische Geschäftsleute zu spüren. Vor allem der Mittelstand hat durch die Bankenabwicklung einen Großteil seines Geldes verloren.

Von Gunnar Köhne, Nikosia | 27.03.2013
    Andreas Tsouloftas steht vor seinem Fuhrpark aus Müllwagen, als wolle er Abschied nehmen. Stumm schaut er auf die bunte Werbung, die an den Fahrzeugen prangt. "Recycling ist einfach" steht in der Sprechblase eines fröhlichen Männleins, das mit Papier und Dosen winkt. Doch hier in der Hafenstadt Limassol werden wohl vorerst keine Altstoffe mehr eingesammelt werden. Die Firma des 57-Jährigen ist am Ende und das Geschäftskonto mit einer Million Euro gepfändet. Es lag bei der Laiki, der zweitgrößten Bank des Landes, die nun abgewickelt wird. Tsouloftas ist fassungslos:

    "Ich habe seit drei Tagen nicht geschlafen. Die Früchte von 35 Jahren harter Arbeit sind in einer Nacht zerstört worden. Ich bin riesig enttäuscht. Ich hatte gehofft, dass es in der europäischen Familie mehr Verständnis für uns Zyprer gibt."

    Das ist kein Einzelfall. Gerade der zyprische Mittelstand, der für einen wirtschaftlichen Neuanfang gebraucht wird, hat durch die Bankenabwicklung einen Großteil seines Geldes verloren. In den nächsten Wochen können darum weder Zulieferer noch Angestellte bezahlt werden. Nach den Banken, so die große Sorge, werden unzählige Firmen abgewickelt werden müssen. Wie geht es weiter, fragen auch die Familien, die an der sonnigen Strandpromenade von Limassol ein wenig Ablenkung vom Stress suchen. Die ersten Eiswaffeln sind zu sehen, kleine Mädchen probieren ihre Rollschuhe aus. Bei aller Empörung über die Enteignung von Kontoinhabern gibt es auch selbstkritische Stimmen.

    "Wir alle in Zypern wollten immer das schnelle Geld. An dieser Situation sind nicht nur ein paar Leute schuld. Wir alle sind mitverantwortlich."

    "Die Einigung war doch unsere einzige Chance. Und vielleicht die beste. Aber nun wollen wir, dass die Verantwortlichen für diese Situation zur Verantwortung gezogen werden."

    Im schicken Tennisklub von Nikosia, eine Hinterlassenschaft der englischen Kolonialherren, gleich an der historischen Stadtmauer gelegen. Vor dem Klubhaus parken deutsche Mittelklasseautos neueren Datums. Zwei Halbwüchsige schlagen sich geschickt die Bälle über das Netz zu. Haris Mavrostakis, Vater eines der Jungen, schaut von einer kleinen Tribüne aus zu. Auch er ist ein Mittelständler. Sein Blick ist müde:

    "Ich bin Mikrobiologe und habe ein eigenes Labor. Seit vergangener Woche habe ich keinen einzigen Auftrag mehr bekommen. Die Tennisstunden für meine Kinder werden wohl gestrichen. Mein Ältester lernt gerade Deutsch, er soll in Deutschland studieren. Die Zukunft sieht düster aus. Andererseits: Wir griechischen Zyprer sind zäh und können schnell wieder zurückkommen. Die türkische Invasion von 1974 haben wir auch überlebt."

    Doch dieses Mal wird der Wiederaufstieg des Landes sehr viele schwieriger, darin sind sich die meisten Fachleute einig. Während das Staatsfernsehen von einer "neuen Epoche" für Zypern spricht, gibt es Meldungen über erste Selbstmorde von verzweifelten Menschen, die ihr gesamtes Erspartes verloren haben. Wie verbreitet die Verzweiflung ist, wird sich wohl erst dann zeigen, wenn am morgigen Donnerstag die ersten Banken öffnen. Die zyprische Polizei arbeitet an Einsatzplänen, um die Filialen vor allzu wütenden Bankkunden zu schützen.

    Andreas Tsouloftas, der Recyclingunternehmer aus Limassol braucht auf die Wiederöffnung der Banken nicht zu warten. Sein Geld ist weg.

    "Ich weiß nicht, ob ich in meinem Alter noch einmal die Kraft aufbringe, von vorn anzufangen. Ich habe immer hart gearbeitet, 16 Stunden am Tag, oft auch in den Wochenenden. Ich wollte meinen Kindern ein besseres Leben ermöglichen, sie sollten studieren und ich wollte ihnen am Ende etwas vererben."

    Während andere morgen zu ihrer Bank laufen werden, wird Andreas Tsouloftas die ersten Kündigungen schreiben.