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Kein Giro ohne Dopingschatten

520 Dopingkontrollen hat Giro-Direktor Angelo Zomegnan für die dreiwöchige Rundfahrt angekündigt. Das sind 40 mehr als im Vorjahr. An der Wirkung aber darf gezweifelt werden.

Von Tom Mustroph | 08.05.2010
    Ivano Fanini ist empört.

    "Die Hälfte der Fahrer, die an diesem Giro d'Italia beteiligt sind, waren oder sind in Dopingfälle verwickelt",

    meinte der Besitzer des Rennstalls Amore e Vita kurz vor dem Start des 93. Giro d'Italia. Fanini ist eine so kompetente wie bizarre Quelle. Der einstige Amateurfahrer gründete 1984 ein eigenes Radteam, in dem unter anderem Mario Cipollini heranwuchs.

    Bekannt wurde Faninis Rennstall aber auch wegen der diversen Motti, die er seinen Fahrern aufs Trikot druckte: gegen die Abtreibung, für Arcore - den Landsitz von Silvio Berlusconi - und für den Vatikan. Seit einigen Jahren hat sich Fanini dem Kampf gegen Doping verschrieben. Vor dem Giro-Start 1996 gab er bekannt, dass die damalige Leitung des Renn-Organisators RCS die Teamchefs vor einer geplanten Doping-Razzia warnte. Die Carabinieri fanden natürlich nichts. Und Faninis Team war fortan nur noch selten beim Giro geduldet.

    Auch in diesem Jahr bleiben die Mannen von Amore e Vita dem rosa Rennen fern. Mit seinem durch die Distanz weiter geschärften Blick wettert Fanini nun. Er hält die angekündigten Kontrollen für eine Farce. Er kritisiert die Ausnahmegenehmigungen, die den Fahrern erlauben, Medikamente mit Dopingwirkung zu sich zu nehmen. Wer krank ist, soll zu Hause bleiben, meint er.

    Wie viel Kranke im Peloton sind, verraten weder der Giro-Organisator RCS noch der Weltradsportverband UCI. Die Anzahl der therapeutischen Ausnahmegenehmigungen ist ein gut gehütetes Geheimnis.
    Immerhin gibt es ein paar ertappte Sünder weniger im Feld. Dem Vorjahreszweiten Danilo Di Luca wurde Doping mit CERA nachgewiesen. Franco Pellizotti, nach dem Ausschluss von Di Luca auf den zweiten Platz vorgerückt, wurde in dieser Woche wegen verdächtiger Blutwerte suspendiert. Riccardo Ricco, Giro-Zweiter 2008, wurde nach Ablauf seiner zweijährigen Dopingsperre von den Organisatoren noch nicht für präsentabel gehalten.

    Ricco ist aber ein Einzelfall. Andere Ex-Doper werden mit offenen Armen empfangen. Astana-Kapitän ist Alexander Winokurow. Der Kasache wurde 2007 wegen Fremdblut-Doping bei der Tour de France gesperrt. Er bestreitet, jemals gedopt zu haben. Er macht aber auch keine Anstalten, seine Geschichte aufzuklären. Liquigas wird von Ivan Basso angeführt. Der war in Operacion Puerto verwickelt. Androni-Giocattoli schickt mit Michele Scarponi einen weiteren ehemaligen Fuentes-Kunden in das Rennen um einen Podiumsplatz.

    Der spanische Rennstall Caisse d'Epargne muss auf seinen Operacion Puerto-Mann dieses Mal verzichten. Alejandro Valverde, frischgebackener Sieger der Romandie-Rundfahrt, ist in Italien gesperrt. An seiner Stelle ist Marzio Bruseghin der Chef. Der Italiener ist in den Dopingskandal um sein früheres Team Lampre verstrickt. Lampre selbst tritt trotz aller Verdächtigungen in voller Mannschaftsstärke an.

    Es ist gut, dass in diesem Jahr stärker kontrolliert wird als sonst. Aber wer das heutige Einzelzeitfahren durch Amsterdam von seinem Stammplatz im Coffee Shop aus beobachtet, darf sicher sein, dass die Neigung zur unerlaubten Medikamentenzufuhr im Peloton weiter verbreitet ist.