Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Kein Herz für philippinische Bananen

Neben den Bananenfarmern leidet auch die Tourismusindustrie auf den Philippinen unter dem Konflikt mit China. China entdeckt das Reisen, und viele der Reisenden kamen in den vergangenen Jahren auf die Philippinen. Nun bleiben sie aus.

Von Udo Schmidt | 11.08.2012
    Wer Betty Francia, Mitarbeiterin der Banana Growers Association Mindanao erlebt, glaubt nicht, dass die Besitzer der Bananenplantagen im Süden der Philippinen derzeit ein Problem haben. Betty ist gute Laune pur und eine Verfechterin klarer Weisheiten:

    "Wir sagen das immer unseren Besuchern: Von allen Früchten hat nur die Banane ein Herz"

    Ein Herz für die Bananen von Mindanao hat China derzeit nicht. Die Bananenzüchter der, lange Zeit bürgerkriegszerrütteten, südlichsten Insel der Philippinen haben vor einigen Jahren entschieden, nahezu ihre gesamte Ernte an die Volksrepublik zu verkaufen. Dort werden Bananen in großen Mengen verzehr - seit dem Frühjahr, seitdem die Spannungen im Südchinesischen Meer zwischen China und den Philippinen zunehmen, ist die Tür zum Absatzmarkt im Norden allerdings geschlossen, klagt Stephen Antig, Vorsitzender der Banana Growers Association. Plötzlich wies China die philippinischen Bananen ab, mit dem Hinweis, sie seien wegen Schädlingsbefalls gesundheitsgefährdend:

    "Da kann jetzt jeder vermuten, was er will. Aber es ist doch ganz offensichtlich, dass hier politische Gründe den Ausschlag gegeben haben."

    China, vermuten die Bananenpflanzer, drehe an der ökonomischen Schraube. Seitdem sich der Konflikt im Südchinesischen Meer vor allem an der Scarborough Shoal zugespitzt hat, sei mit den Chinesen kein Handel mehr zu treiben. Die Händler dort hätten wohl ihre Anweisungen erhalten.
    Die Scarborough Shoal ist ein Riff und Fischgrund, den China und die Philippinen für sich beanspruchen. China schickt eine kleine von Patrouillenbooten begleitete Fischereiflotte nahe an die philippinische Küste, die Philippinen lassen ihre Navy von der Kette. An der Scarborough Shoal drohte der Konflikt im Südchinesischen Meer zwischen China auf der einen und vor allem den Philippinen und Vietnam auf der anderen Seite bereits mehrfach zu eskalieren.
    Für Winnie Monsod ein unglaublicher, fast lächerlicher Vorgang. Winnie Monsod ist Ökonomin und scharfzüngige TV-Kolumnistin in der Hauptstadt Manila:

    "Die Scarborough Shoal, das Riff, die Fischgründe dort, um die es derzeit besonders geht, liegt innerhalb der philippinischen 200-Meilen-Zone, weit weg von China. Wie auch immer man diesen Teil des Südchinesischen Meeres nennt, es ist auf jeden Fall unser!"

    Die 72-Jährige, frühere Wirtschaftsministerin im Kabinett von Corazon Aquino, hält die chinesischen Ansprüche auf nahezu das gesamte Südchinesische Meer für frech, unangemessen und durch nichts begründet. Aber keine Sorge, fügt sie hinzu, die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung sei gering, wie denn auch, meint sie ganz unpatriotisch

    "Die Philippinen sind militärisch darauf doch gar nicht vorbereitet, wir wollen alle rechtsstaatlichen Wege nutzen, mehr nicht."

    Im Südchinesischen Meer werden große Öl- und Gasvorkommen vermutet, manche sollen bald erschlossen werden, China sowie die Philippinen bieten derzeit Teile der zwischen den Staaten umstrittenen Vorkommen internationalen Ölgesellschaften zur Ausbeutung an. Nicht eben ein Beitrag zur Beruhigung der Nerven der Patrioten aller Seiten. Denn Nationalgefühle spielen mittlerweile eine große Rolle in dem Konflikt. Gerade hat der philippinische Präsident Benignio Noynoy Aquino sein Volk zur Einheit aufgerufen:

    "Ich bitte um die Solidarität aller Menschen auf den Philippinen. Lasst uns mit einer Stimme sprechen."

    Die Wirtschaftsführer der Philippinen versuchen zu beruhigen – bloß kein Öl ins Feuer, ist das Motto etwa von Francis Chua von der philippinischen Handelskammer. Eskalierende Konflikte kann die zarte, aber gerade anspringende Wirtschaft der bisher krisengeschüttelten Philippinnen, denen inzwischen US-Ökonomen bescheinigen, bald zu den Tigerstaaten zu gehören, nicht gebrauchen.

    "Das Südchinesische Meer ist seit Jahrhunderten wichtig, mit seinen Schifffahrtsrouten, Fischgründen, Rohstoffen, vor allem den Ölvorkommen. Und die Philippinen haben hier ihre souveränen Rechte immer behauptet. So ist es auch jetzt."

    Nicht bedrohlich also, soll das heißen, von einem Konflikt will Francis Chua möglichst gar nicht reden:

    "Nein, es gibt keine Spannungen, davon würde ich nicht sprechen, und die Ölvorkommen, die wir zur Ausbeutung anbieten, sind nur die, die innerhalb unserer Hoheitszone liegen. Im Moment ist da viel Rhetorik, aber ich sehe keine Kriegsgefahr."

    Unstrittig aber ist: Neben den Bananenfarmern im Süden leidet auch die Tourismusindustrie unter dem Konflikt mit China. China entdeckt das Reisen, und viele der Reisenden kamen in den vergangenen Jahren auf die Philippinen. Nun bleiben sie aus, aus freiem Willen oder weil sie im Pekinger Reisebüro vor den Gefahren eines Philippinen-Besuchs in diesen Zeiten gewarnt wurden. Tourismusminister Ramon Jimenez sitzt in einem angenehm abgedunkelten Büro nahe des bekannten Roxas Boulevards in Manila und weiß, wie wichtig der Tourismus für die wachsende Wirtschaft der Philippinen ist:

    "Tourismus ist eine wirklich wichtige Komponente der philippinischen Wirtschaft. Der Tourismus trägt etwas sieben Prozent zur Wirtschaftskraft bei."

    3,9 Millionen Touristen im vergangenen Jahr, 3,4 Millionen entstandene Jobs, ein schnell wachsender Wirtschaftszweig ist dieser Tourismus. Und rund 300.000 chinesische Touristen kamen ebenfalls im vergangenen Jahr:

    "Das sind nicht wirklich viele, grob geschätzt acht Prozent, aber genug, um sie als wichtige Gruppe ernst zu nehmen."

    Der Tourismus leidet, und auf Mindanao, weit weg von den Konfliktherden im Südchinesischen Meer, leiden nicht alle, aber viele Bananen-Farmer. Manche Plantageliegt mittlerweile verlassen da, die Bananen faulen am Boden, erklärt Renante Bangoy vom Plantagenverband 911 movement vor einem mit Graffiti verzierten Holzhaus in der Mitte eines verlassenen Grundstücks voller Bananenstauden:

    "Hier ging die gesamte Ernte nach China, und nach dem nun China seit drei Monaten nichts mehr gekauft hat, sind hier alle Arbeiter entlassen."

    Im Konflikt zwischen China, Philippinen und Vietnam könnte die südostasiatische Staatengemeinschaft ASEAN vermitteln, sie schafft es jedoch nicht, sich auf einen Standpunkt zu einigen, Einfluss könnte auch von Europa und den USA kommen, mein Ökonomin Winnie Monsod:

    "Ich verstehe eigentlich nicht, warum da so wenig passiert. Es liegt wohl daran, dass alle Staaten, Deutschland auch, gerade genug eigene Probleme haben und nicht eingreifen, solange sie der Konflikt nicht direkt betrifft."

    Viel Hilfe ist also auch von dieser Seite nicht zu erwarten. Stephen Antig, der Kopf des Bananenzüchterverbandes hofft daher jetzt darauf, dass der chinesische Bananenkunde bald massiv nach der gewohnten philippinischen Frucht verlangt. Der derzeitige Ersatz aus Ecuador, so Antig, der sei doch wirklich nichts Richtiges.

    Mehr zum Thema