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Kein Interesse am Studienparadies

Über 6000 Koreaner studieren derzeit in Deutschland, aber nur 150 Deutsche zieht es umgekehrt nach Südkorea. Dabei ist das Land auf dem Sprung, eine der führenden Wissenschaftsnationen der Welt zu werden.

Von Manuel Hartung | 27.06.2005
    Auf den Straßen sieht man viele fremde Schriftzeichen, im Studentenwohnheim sind Männer und Frauen strikt getrennt, und die Studierenden lernen oft bis tief in die Nacht - die beiden 24-jährigen Felix Andre und Boris Otte machen ein außergewöhnliches Auslandsjahr: Eigentlich studieren sie Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Berlin, doch seit dem Herbst lernen sie am südkoreanischen Forschungsinstitut Kaist, das in ganz Asien einen guten Ruf hat. Als die beiden ihren Freunden in Deutschland von ihren Plänen erzählten, schauten die sie erstmal etwas befremdet an. Boris Otte:

    " Die meisten haben sich schon gewundert und meinten, was willst du überhaupt in Korea, warum gehst Du nicht lieber ins europäische Ausland oder nach Amerika, aber ich muss im Nachhinein sagen, dass es wirklich richtig gewesen ist. Wir haben kleine Vorlesungen mit acht Leuten maximal, man arbeitet auch den ganzen Tag beim Professor mit, das sind schon Verhältnisse, die man als Student an einer großen Uni wie der TU in Berlin nicht hat. "

    Diese Verhältnisse sind kein Zufall: Südkorea will eine der führenden Wissenschaftsnationen weltweit werden. Ein Fünftel des Staatshaushaltes fließt jetzt in die Bildung, viele Hochschulen werden ganz neu gebaut. Die Regierung hat angekündigt, noch mehr Geld in die Bildung zu pumpen. Ihr Ziel ist es, dass die besten koreanischen Universitäten bald zu den hundert besten der Welt zählen. Felix Andre ist beeindruckt:

    " Die Labors sind sehr gut ausgestattet, und es werden auch öfter Geräte angeschafft und dabei wird nicht ewig rumgerechnet und man muss nicht durch mehrere Instanzen, um die Mittel zu beantragen, sondern der Professor hat dann ein gutes Budget und macht gern was locker. "

    Doch obwohl es sich an koreanischen Universitäten so gut lernen lässt, trauen sich die deutschen Studierenden nicht dorthin. Gerade einmal 150 Deutsche sind derzeit da, die meisten mit Stipendien. Umgekehrt sind über 6000 Südkoreaner an deutschen Hochschulen eingeschrieben.
    Die deutschen Hochschulen haben erkannt, welch wichtiger Markt Korea ist. Sie werben ganz massiv, suchen Partnerhochschulen – und sie errichten Ableger in der Hauptstadt Seoul. Die Universitäten sind schon da, die Studierenden nicht. Holger Impekoven von der Universität Bonn:

    " Ich denke, die deutschen Hochschulen sind ihren Studierenden noch voraus im Wissen um die Qualität koreanischer Hochschulen. Wir haben noch Schwierigkeiten, Studierende zu bewegen, zum Studium nach Korea zu gehen. Zum einen gibt es eine Scheu vor der fremden Kultur, dann gibt es auch die Sprachbarriere, darüber hinaus besteht eine Unwissenheit darüber, dass man hier sehr gut auf Englisch studieren kann. "

    Liane Garnatz vom Deutschen Akademischen Austauschdienst findet diese Scheu der Studierenden falsch:

    " Ich finde, dass man das Potenzial Koreas unterschätzt, und dass Korea ein Ort ist, an dem man als Ausländer sehr viel tun kann, weil es sehr dynamisch ist und sehr viele Möglichkeiten bietet - nicht nur für die persönliche Karriere, sondern auch dafür, etwas Neues zu machen. "

    Doch ein Studium in Südkorea ist nicht nur dynamisch, sondern auch sehr anstrengend. Die beiden Berliner Studenten mussten sich im Laufe der Zeit erst daran gewöhnen. Boris Otte:

    " Die koreanische Mentalität de Studenten ist schon anders, man trifft öfter Leute, die die letzten zwei Tage gar nicht geschlafen haben oder die jede Nacht nur zwei, drei Stunden schlafen. Wenn man nachts aus dem Labor kommt und über den Campus läuft, sind ganz viele Leute unterwegs. Das Leben ist für die Studenten um einiges härter als in Deutschland. "