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Kein Interesse an G8

Zum G8-Gipfel in Japan werden nur wenige Gipfelgegner und Demonstranten erwartet. Die Anreise ist für viele zu teuer und aufwändig, und in Japan hat sich noch keine globalisierungskritische Gemeinschaft gebildet. Die meisten Bürger zeigen wenig Interesse am G8-Gipfel.

    Es war nur eine kleine Gruppe von circa 1000 Menschen, die da durch Tokio zog. Bei strömendem Regen war das Interesse an den größten und einzigen Demonstration im Vorfeld des G8-Gipfels in der japanischen Hauptstadt eher gering.

    "Ich bin heute hierher gekommen, weil ich gehört habe, dass es hier eine Demonstration gegen den G8-Gipfel gibt. Ich bin extra aus Fukuoka gekommen."

    Erklärt Mie, die in ihrer Heimatstadt einer lokalen Gewerkschaft angehört. Sie wird noch am Abend mit dem Shinkansen die knapp 800 Kilometer wieder zurückfahren. An weiteren Veranstaltungen gegen den G8-Gipfel kann sie leider nicht teilnehmen, sagt sie, weil sie arbeiten muss. Mie ist 29 Jahre alt; eine zierliche, aber resolute Person mit kurzen Haaren und überzeugt, dass es mit der Globalisierung und dem Kapitalismus so nicht weitergehen darf.

    "Die Armut wird doch immer schlimmer und die Leute hier in Japan, können sich, obwohl sie arbeiten, das normale Leben nicht mehr leisten. Weltweit wird die dringend benötigte Nahrung in Benzin umgewandelt, das ist keine normale Situation mehr. Da muss man aktiv werden. Das ist zumindest meine Meinung."

    Mit dieser Meinung steht sie aber in Japan eher alleine da. Zwar regen sich die Menschen über die hohen Benzinpreise auf und auch die steigenden Nahrungsmittelpreise zwingen die Leute dazu, das Haushaltsbudget noch besser zu verwalten. Aber dafür die internationale Politik verantwortlich zu machen, auf diese Idee kommt nur ein sehr kleiner Kreis in Japan.

    Die Bereitschaft zu demonstrieren und sich auf der Straße Gehör zu verschaffen, hat in Japan seit dem Ende der Studentenunruhen Anfang der siebziger Jahre mehr und mehr nachgelassen. Die wenigen Bürgerbewegungen sind zersplittert und kaum untereinander vernetzt, so Yasuhiro Tanaka, der Präsident der Nationalen Eisenbahngewerkschaft von Chiba, die die Demonstration in Tokio organisiert hat.

    "Das ist die Schwachstelle bei uns, den japanischen Aktivisten. Bisher haben wir es nicht geschafft, enger mit anderen Globalisierungsgegner zusammenzuarbeiten. Man kann fast von einer Art Mauer sprechen, die die einzelnen Bürgergruppen überschreiten müssten. Bezüglich des G8-Gipfels ist es tatsächlich ein Problem, dass die Gruppen so getrennt aktiv sind."

    In den Medien wird zwar viel über den bevorstehenden G8-Gipfel vom 7. bis 9. Juli berichtet und die Themen vom Klimaschutz über die steigenden Nahrungsmittel- und Rohstoffpreise vorgestellt, aber es gibt noch immer viele Menschen im Land, die vom Gipfel in Toyako auf Hokkaido nichts mitbekommen haben.

    "Ich hatte davon noch nichts gehört. Gestern hat mir mein Bruder etwas erzählt, aber ich habe keine Ahnung, was zu erwarten ist."

    "Ich habe heute bei meinem Bahnhof gesehen, dass die Polizei wegen des G8-Gipfels im Alarmzustand ist, und zum ersten Mal gemerkt, dass die Frage der Sicherheit eine ernste Sache werden könnte."

    Das Aufgebot der Polizei in Japan ist beachtlich. Insgesamt 40.000 Polizisten sind im Einsatz. Die Hälfte davon ist auf Hokkaido stationiert, um das Hotel Windsor am See Toya, zu schützen. Der Tagungsort ist gut gewählt. 600 Meter über dem See steht die Hotelburg einsam auf einem Hügel. Es gibt nur eine Zufahrtsstraße und die wird von der Polizei schon seit langem intensiv überwacht. Wenn die Staatschefs hier eingetroffen sind, wird der Großraum komplett gesperrt und auch ein Flugverbot über dem Tagungsort verhängt. Zwei Campingplätze 30 beziehungsweise 50 Kilometer entfernt sind für die Gipfel-Gegner ausgewiesen. Doch es ist nicht leicht ins Land zu kommen.

    Als ich auf dem erst vor kurzem errichteten Flughafen Shin-Chitose auf Hokkaido ankomme, steuern sofort zwei Polizisten in zivil auf mich zu und weisen sich aus als Spezialeinheit für die Sicherheit während des G8-Gipfels. Auf japanisch stellen sie mir Fragen über meine Ziele und Herkunft, wollen meinen Ausweis sehen. Es dauert ein wenig, bis ich ihnen erklärt habe, dass ich als Journalist arbeite und zusammen mit einer größeren Gruppe nach Hokkaido gekommen bin.

    Wer sich nicht ausweisen kann oder sonst wie verdächtig erscheint, der kann in Japan bis zu 23 Tage ohne Anklage festgehalten werden. Das musste auch die über 70-jährige Susan Georges, eine der Mitbegründerinnen von Attac erleben, die am Flughafen mehrere Stunden festgehalten und befragt wurde.

    "Ich habe von einigen Fällen gehört, wo Aktivisten am Flughafen Narita festgehalten worden sind. Besonders verdächtig erscheinen die Personen, die schon einmal irgendwo verhaftet worden sind. Ich denke, die japanische Polizei ist zu empfindlich und übervorsichtig, damit ja nichts geschieht."

    Yurika Ayukawa ist stellvertretende Vorsitzende des G8 Summit NGO Forums - einem Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen. Viele ausländische Gipfelgegner werden allerdings nicht erwartet. Die Reise nach Japan ist teuer. Das Land kann als Inselstaat den Zugang gut kontrollieren. Wer einreisen möchte, der muss ein Rückreise-Ticket und ausreichend Geld für die Dauer seines Aufenthalts vorweisen können. Wie vorsichtig die japanische Polizei ist, mussten die Veranstalter bei der Demonstration in Tokio erleben, als die ihre geplante Route deutlich verkürzte.

    "Ich habe einige Anwälte bestellt, weil in letzter Zeit mehrere Menschen von der Polizei festgenommen worden sind. Die Polizisten stürmten plötzlich auf einzelne Teilnehmer los und führten diese ab - so, als ob diese etwas gemacht hätten. Deshalb mache ich mir Sorgen. Die soziale Ordnung in Japan scheint ja gut zu sein und oberflächlich wirkt Japan demokratisch, aber wenn man genauer hinsieht, dann hat Japan Ähnlichkeiten mit einem Polizeistaat und ist undemokratisch,"

    so Yasuhiro Tanaka von der Eisenbahngewerkschaft. Während der Demonstration in Tokio ist es dann aber zu keinen Festnahmen gekommen, kleinere Rangeleien mit der Polizei fanden am Ende statt, als die Polizei die Veranstaltung auflösen wollte.

    "Unabhängig ob das eine gute Sache ist oder nicht, ist es ganz natürlich, dass bei einem solchen Ereignis wie dem G8-Gipfel auch Proteste und Gegenveranstaltungen stattfinden. Aber ich erwarte nicht, dass in Japan etwas Größeres geschieht. Die Menschen sind noch nicht so weit, und es können aus dem Ausland auch nicht so viele Leute kommen."

    Die Japaner sind - wenn überhaupt - an Umweltthemen interessiert, aber angesichts der bisher fehlenden verbindlichen Ziele ohne große Erwartungen.

    "Ich glaube nicht, dass bedeutungsvolle Sachen beim G8-Gipfel zustande gebracht werden."

    So diese beiden Damen. Immerhin wissen sie, dass vom 7. bis 9. Juli der G8-Gipfel abgehalten wird.

    "Ich habe mir den Film von Herrn Gore angeschaut und seitdem verwende ich zu Hause Energiesparlampen. Aber ich frage mich, wie viel so ein kleiner Beitrag bringen kann, wenn nicht auch auf der globalen Ebene Gegenmaßnahme ergriffen werden. Es ist natürlich gut, dass der G8-Gipfel eine Gelegenheit dafür bietet, aber ich bin eher skeptisch, was die Ergebnisse angeht."