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Kein Kavaliersdelikt

Wer beim BAföG-Antrag falsche Angaben macht, begeht eine Ordnungswidrigkeit. So steht es im Bundes-Ausbildungs-Förderungs-Gesetz, so steht es auf jedem BAföG-Antragsformular, und jeder Antragsteller unterschreibt auch, vollständig und wahrheitsgemäß alle Fragen beantwortet zu haben. Aber manchem Student und mancher Studentin scheint das völlig egal zu sein. So fiel beim Datenabgleich etwa in der niedersächsischen Studentenstadt Göttingen jeder zehnte BAföG-Empfänger auf, weil er, so der Verdacht, sein Vermögen nicht korrekt angegeben hat. Für Lutz Stratmann, Wissenschaftsminister in Niedersachsen, ist es angesichts dieser Quote überhaupt keine Frage, dass Überprüfungen von BAföG-Anträgen auch rückwirkend stattfinden müssen.

    Ich denke, dass es vollkommen selbstverständlich ist, dass jeder, auch Studentinnen und Studenten, bei der Antragstellung für BAföG sich rechtskonform verhalten, und das bedeutet, dass natürlich die Voraussetzungen für die BAföG-Gewährung auch eingehalten werden müssen. Und da, wo das nicht der Fall ist, wo sich das auch herausstellt durch den späteren Datenabgleich nach Paragraf 45a Einkommenssteuergesetz, da finde ich, ist es geradezu unsere Pflicht, dass wir auch handeln, um letztlich auch rechtstreues Verhalten, und das hat ja auch eine Vorbildfunktion, rechtstreues Verhalten bei kommenden Generationen zu erzeugen.

    Die Kritik der örtlichen Studentenwerke, dass den unbestreitbaren finanziellen Erträgen erhebliche Arbeitsbelastungen bei der Überprüfung früherer BAföG-Anträge gegenüber stehen, lässt Lutz Stratmann nicht gelten.

    Die Frage, ob sich das im Hinblick auf entstehenden Verwaltungsaufwand lohnt, die stellt sich nicht. Denn Sie müssen ja umgekehrt überlegen: Wie stünde ich denn da als Landesregierung, wenn ich mit dem Hinweis auf den Verwaltungsaufwand davon absehen würde, Verhalten zu überprüfen und schließlich auch zu ahnden, das eben nicht rechtskonform war? Welche Außenwirkung hätte das? Vermutlich würde jeder Student, der sich rechtskonform verhalten hat, die Frage stellen, ob man denn für Rechtstreue in diesem Staat bestraft wird. Und so weit dürfen wir das gar nicht kommen lassen. Von daher gesehen wiederhole ich, wenn ich sage: Diese Frage des Verwaltungsaufwands stellt sich nicht, der Rechtsstaat muss handeln, wenn es konkrete Anhaltspunkte für rechtswidriges Verhalten gibt.

    Einen deutliche Imageverbesserung der Ausbildungsförderung hatte sich Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn seinerzeit mit der BAföG-Erhöhung versprochen. Tatsächlich stiegen die Antragszahlen, allein vom Wintersemester 2000 bis zum Wintersemester 2001 schnellte die Zahl der BAföG-Empfänger um fast 60.000 auf 302.000 Studenten in die Höhe. Die rot-grüne Bundesregierung feiert das gerne als Erfolg. Höchst gespalten beobachtet man deshalb im Bundesbildungsministerium die derzeitigen Überprüfungen: Sie sorgen einerseits für einen erneuten Imageverlust, andererseits aber auch für unverhoffte Einnahmen. Wie hoch diese Summe konkret sein könnte, ist allerdings noch unklar. Von Berliner Studenten etwa haben die BAföG-Fahnder schon mehr als zehn Millionen Euro zurückgefordert. Trotz solcher Erfahrungswerte will sich der niedersächsische Wissenschaftsminister Lutz Stratmann nicht festlegen, wie hoch er seine Erwartungen veranschlagt:

    Das wäre reine Spekulation. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Berliner Studentinnen und Studenten dort weniger dreist vorgehen als die niedersächsischen oder die bayerischen. Also, das ist alles spekulativ. Wir müssen mal abwarten, wie die niedersächsischen Zahlen aussehen. Aber auch da sage ich deutlich: Das steht nicht im Vordergrund unserer Überlegungen. Im Vordergrund steht wirklich, dass wir erwarten können müssen, dass sich die Studentinnen und Studenten, die BAföG erhalten wollen und das beantragen, rechtstreu verhalten und die Antragsformulare wahrheitsgemäß ausfüllen.