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Kein klarer Favorit beim Wahlkampf in den Niederlanden

Am 12. September finden die vorgezogenen Neuwahlen des niederländischen Parlaments statt. Meinungsumfragen sehen keinen klaren Favoriten vorne. Neben Emil Roemer und Mark Rutte sind auch die Sozialdemokraten mit Diederik Samson präsent.

Von Annette Riedel | 04.09.2012
    Attje Kuiken, in weißer Bluse mit der großen roten Filzblume am Revers, hat nur noch wenige Pfefferminzstangen in ihrem Karton, keine Flugblätter, keine Parteiprogramme mehr. Auch die 1500 roten Rosen sind hat sie schon alle verteilt, an diesem spätsommerlichen Samstagnachmittag in der kleinen niederländischen Stadt Waalwijk, unweit der belgischen Grenze. Seit 6 Jahren ist die junge, blonde Frau im niederländischen Parlament. Für die Sozialdemokraten, die PvdA. Die schienen noch vor ein paar Monaten kaum Aussichten zu haben, den Regierungschef in einer Koalitionsregierung stellen zu können. Aber das hat sich in den letzten Wochen vor den Wahlen verändert. Spitzenkandidat Diederik Samson hat aufgeholt, hat bei zwei großen Fernsehdebatten gepunktet.

    "Samsom ist erst seit fünf Monaten Parteichef. Über die TV-Debatten haben ihn die Menschen kennengelernt."

    Den großen, schlacksig-jungenhaft wirkende 41-Jährige mit kurz geschorenem Haar. Er kommt gut an bei den Menschen. In seinem Wahlkampfspot spricht er über seine Kinder, Vertrauen und Ideale in der Politik, Engagement, soziale Werte, eine Ökonomie im Dienste der Menschen.

    Samsom bietet sich den Wählern als Alternative an zwischen einem als neoliberal etikettierten Regierungschef Rutte und einem als ‚ultra-links’ geltenden Chef der Sozialisten Roemer. Samsom hat ein kritisches Verhältnis zur Europäischen Union. Aber ein positiv-kritisches. Was ihn von den europakritischen Sozialisten unterscheidet und was gegebenenfalls auch das Zusammengehen mit diesen in einer Koalition erschweren würde, aus sozialdemokratischer Sicht.

    "Wir können keine Anti-Europa-Koalition eingehen. Wir müssen unsere Probleme europäisch lösen. Das muss auch Grundlage jeder Koalition sein."

    In den Niederlanden gibt es keine 5-Prozent-Klausel, um in das 150 Sitze umfassende Parlament einzuziehen. Drinnen ist, wer einen Sitz ergattert. Das ist bei rund 0,7 Prozent der Stimmen der Fall. Neun oder zehn Parteien sind meist im Parlament in Den Haag vertreten. Mehrparteienkoalitionen sind entsprechend die Regel.

    Die Sozialisten, entstanden in den 70er-Jahren aus kommunistisch-maoistischen Gruppen sind heute so etwas wie in Deutschland die Linke. Und Ihr Kandidat, Emilie Roemer, startete als eine Art Shootingstar in den Wahlkampf.

    Roemer ist der Kandidat von ‘Henk und Ingrid’, wie die kleinen Leute in den Niederlanden genannt werden. Er kritisiert deutlich pointierter als der Sozialdemokrat Samsom das, was er das ‚Neoliberale’ an Europa nennt. Aber – anders als der Nationalist Wilders – fordert er nicht den Austritt aus Euro und EU.

    "Deutschland muss sich keine Sorgen machen. Europa ist wichtig, auch für uns. Aber alles nach Brüssel zu legen – das ist die andere Sache. Das tun wir nicht."

    Roemers Sozialisten haben in den Umfragen leicht an Boden verloren gegenüber den Höhenflügen zu Beginn der heißen Phase des Wahlkampfs. Wenige Tage vor dem Wahltag liefern sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Samsoms Sozialdemokraten. Die Nase vorn hatten aber bis zuletzt die Liberalen, die VVD von Regierungschef, Mark Rutte.

    Rutte betont – wie hier – häufig die Tatsache, dass er, dass seine Partei in schwierigen Zeiten bereit waren, Verantwortung zu übernehmen und nicht gekniffen haben. Damit spielt er an auf die Tatsache, dass seine Regierung über die Durchsetzung von unbeliebten Sparmaßnahmen auseinandergebrochen ist und die Neuwahlen deshalb jetzt nötig wurden.

    Am Ende wird es auf die Frage herauslaufen, ob ein ‚linkes’ Bündnis oder ein ‚rechts-liberales’ Bündnis eine Koalition wird formen und damit den Regierungschef wird stellen können.