Wieso, bitte, versteht sich das Mannheimer Nationaltheater als Büro, das politischen Nachhilfeunterricht für Erwachsene organisiert? Wieso glaubt ein Dramatiker, sich als Amateur-Ethnologe, Anthropologe, Historiker betätigen zu müssen, obwohl seine Kenntnisse ersichtlich bescheiden sind?
Auf der Mannheimer Bühne steht, in einem sterilen Resopalkasten und vor einem Landschaftsprospekt, eine Badewanne, die natürlich an Herrn Marat gemahnt. Darin liegt jedoch ein Mensch namens "Normen", und der Name ist Programm. Der Stückeschreiber Philipp Löhle möchte uns Otto Normalverbraucher vorführen, wie er so durch die Menschheitsgeschichte robbt – Letztere wird im Schnelldurchlauf und auf VHS-Niveau kurz mal vorgeturnt. Dann spult sich das Ensemble allen Ernstes, eine Station nach der anderen, durch eine BRD-Biografie. (Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle haben wir einen Nebensatz aus redaktionellen Gründen entfernt.)
Im Programmheft gibt der Autor bekannt, er wolle "eine allgemeine Entwicklung des Denkens und Verhaltens unserer Gesellschaft" vorführen, die ihm Angst mache. Rührend. Andererseits gebe es "nachweislich keinen evolutionär bösen tierischen Kern in uns", die Wissenschaft habe das kürzlich festgestellt. Da sind wir aber froh, gleichzeitig aber auch verwirrt: Warum werden aus lauter guten Menschen böse Discounter-Könige – oder auch einfach nur schlechte Dramatiker? Ist die Umwelt schuld? Die Klimakatastrophe? Der Dauerregen?
Das Leben des Normen beginnt, hehehe, auf einer Flugzeug-Toilette, wo eine Stewardess einen Fluggast empfängt. Löhle nimmt das spermientechnisch sehr genau - es ist aber nicht halb so lustig wie bei Woody Allen. Dann wird das arme Kind von der weltreisenden Mutti daheim gelassen bei einem gewissen Lutz, der ihm zur Strafe immer Lakritz verabreicht. Das kann also nicht gutgehen, überhaupt ist Normen umgeben von lauter Einsagern wie beim frühen Peter Handke, nur dass die in Mannheim so toll bunt angezogen sind und dauernd aufgedreht herumkrakeelen. Normen lernt in der Schule etwas von "Gewalteinteilung" und "Sturm auf die Pastille" (das ist so das Niveau der Aufführung). Er isst Eis mit Janina, die er dann fast vergewaltigt. Dann Abitur und ein bisschen Studentenwohngemeinschaftstheater mit sexueller Emanzipation – eine Mitbewohnerin wedelt da immer so verführerisch mit dem Slip. Der Bio-Student Normen sucht nebenbei jobmäßig für Medikamententests Probanden, die alle alsbald kotzen müssen – aber Normen verdient über krumme Touren viel Geld dabei. Und bringt seinen besten Freund mit den Medikamenten in den Rollstuhl, der Böse. Normens Frau betreibt ein Charity-Projekt in Indien, wo Normen alsbald Arbeit für arme Inder schafft: ein Euro am Tag, besser als nix. Bald ist Normen Marktführer für Billigtextilien, mit persönlicher Begleit-Nutte und Yacht am Bodensee. Kein Klischee wird ausgelassen, am Ende muss nach der Ehe- und der Rotlichtgeschichte auch noch ein bisschen Tatort sein mit Entführung der Tochter und dergleichen.
Philipp Löhle war bislang als Autor für politisch korrektes Gebrauchstheater bekannt und auch preisgeldmäßig gut vernetzt; derjenige, der diesen ranzigen Quark aber nun inszenieren soll, ist wirklich zu bedauern. Die Regisseurin Katrin Lindner rettet sich ins Kabarett, als wolle sie das Grips-Theater nochmal neu erfinden, die Schauspieler zappeln und overacten, abrupte Stimmungswechsel, mal ganz traurig, mal ganz lustig, mach mal dies, mach mal das – sind wir hier an der Schauspielschule, oder was? Muss aber eine Schauspielschule für Vorabendserien sein. Früher schrieben Dramatiker in ihrem Leben etwa zehn Stücke, und sie saßen lange daran. Heute schreiben Jungdramatiker manchmal zwei, drei Stücke pro Jahr, sie haben nämlich Stückaufträge wie Textilfirmen Lieferaufträge. Das killt die Phantasie, das macht angepasst und korrupt im Sinne des Theater-Systems. Löhle hat angedroht, eine Fortsetzung zu schreiben, "Norma", eine Biographie aus Frauensicht. Bitte, Gnade! Muss das sein? Philipp Löhle, der Discounter-König der Stückeschreiber, braucht dringend einen Ghostwriter. Oder eine Pause.
Auf der Mannheimer Bühne steht, in einem sterilen Resopalkasten und vor einem Landschaftsprospekt, eine Badewanne, die natürlich an Herrn Marat gemahnt. Darin liegt jedoch ein Mensch namens "Normen", und der Name ist Programm. Der Stückeschreiber Philipp Löhle möchte uns Otto Normalverbraucher vorführen, wie er so durch die Menschheitsgeschichte robbt – Letztere wird im Schnelldurchlauf und auf VHS-Niveau kurz mal vorgeturnt. Dann spult sich das Ensemble allen Ernstes, eine Station nach der anderen, durch eine BRD-Biografie. (Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle haben wir einen Nebensatz aus redaktionellen Gründen entfernt.)
Im Programmheft gibt der Autor bekannt, er wolle "eine allgemeine Entwicklung des Denkens und Verhaltens unserer Gesellschaft" vorführen, die ihm Angst mache. Rührend. Andererseits gebe es "nachweislich keinen evolutionär bösen tierischen Kern in uns", die Wissenschaft habe das kürzlich festgestellt. Da sind wir aber froh, gleichzeitig aber auch verwirrt: Warum werden aus lauter guten Menschen böse Discounter-Könige – oder auch einfach nur schlechte Dramatiker? Ist die Umwelt schuld? Die Klimakatastrophe? Der Dauerregen?
Das Leben des Normen beginnt, hehehe, auf einer Flugzeug-Toilette, wo eine Stewardess einen Fluggast empfängt. Löhle nimmt das spermientechnisch sehr genau - es ist aber nicht halb so lustig wie bei Woody Allen. Dann wird das arme Kind von der weltreisenden Mutti daheim gelassen bei einem gewissen Lutz, der ihm zur Strafe immer Lakritz verabreicht. Das kann also nicht gutgehen, überhaupt ist Normen umgeben von lauter Einsagern wie beim frühen Peter Handke, nur dass die in Mannheim so toll bunt angezogen sind und dauernd aufgedreht herumkrakeelen. Normen lernt in der Schule etwas von "Gewalteinteilung" und "Sturm auf die Pastille" (das ist so das Niveau der Aufführung). Er isst Eis mit Janina, die er dann fast vergewaltigt. Dann Abitur und ein bisschen Studentenwohngemeinschaftstheater mit sexueller Emanzipation – eine Mitbewohnerin wedelt da immer so verführerisch mit dem Slip. Der Bio-Student Normen sucht nebenbei jobmäßig für Medikamententests Probanden, die alle alsbald kotzen müssen – aber Normen verdient über krumme Touren viel Geld dabei. Und bringt seinen besten Freund mit den Medikamenten in den Rollstuhl, der Böse. Normens Frau betreibt ein Charity-Projekt in Indien, wo Normen alsbald Arbeit für arme Inder schafft: ein Euro am Tag, besser als nix. Bald ist Normen Marktführer für Billigtextilien, mit persönlicher Begleit-Nutte und Yacht am Bodensee. Kein Klischee wird ausgelassen, am Ende muss nach der Ehe- und der Rotlichtgeschichte auch noch ein bisschen Tatort sein mit Entführung der Tochter und dergleichen.
Philipp Löhle war bislang als Autor für politisch korrektes Gebrauchstheater bekannt und auch preisgeldmäßig gut vernetzt; derjenige, der diesen ranzigen Quark aber nun inszenieren soll, ist wirklich zu bedauern. Die Regisseurin Katrin Lindner rettet sich ins Kabarett, als wolle sie das Grips-Theater nochmal neu erfinden, die Schauspieler zappeln und overacten, abrupte Stimmungswechsel, mal ganz traurig, mal ganz lustig, mach mal dies, mach mal das – sind wir hier an der Schauspielschule, oder was? Muss aber eine Schauspielschule für Vorabendserien sein. Früher schrieben Dramatiker in ihrem Leben etwa zehn Stücke, und sie saßen lange daran. Heute schreiben Jungdramatiker manchmal zwei, drei Stücke pro Jahr, sie haben nämlich Stückaufträge wie Textilfirmen Lieferaufträge. Das killt die Phantasie, das macht angepasst und korrupt im Sinne des Theater-Systems. Löhle hat angedroht, eine Fortsetzung zu schreiben, "Norma", eine Biographie aus Frauensicht. Bitte, Gnade! Muss das sein? Philipp Löhle, der Discounter-König der Stückeschreiber, braucht dringend einen Ghostwriter. Oder eine Pause.