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Kein Konsens über den Friedensprozess mit der ETA

Vor mehr einem halben Jahr hat die baskische Terrorgruppe ETA ihren so genannten dauerhaften Waffenstillstand ausgerufen. Mehrmals hat Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero schon angekündigt, seine Regierung werde in direkte Verhandlungen mit den Terroristen treten. Doch bisher ist dies nicht geschehen. Nächste Woche will nun das EU-Parlament zur Situation des Terrorismus in Spanien Stellung nehmen.

Von Hans-Günter Kellner |
    Die baskische Industriestadt Barakaldo, Mitte September: Vermummte halten einen Nahverkehrsbus an und werfen Molotow-Cocktails hinein, der Bus brennt völlig aus. Am gleichen Wochenende geht in Bilbao ein Waggon in Flammen auf, im 65 Kilometer entfernten Vitoria wird ein Brandanschlag auf einen Geldautomaten verübt. Alltag im Baskenland, trotz der "dauerhaften Waffenruhe". Mikel Buesa von der baskischen Bürgerinitiative "Ermua-Forum" fasst zusammen:

    "In den ersten sechs Monaten dieses Waffenstillstands gab es 160 solcher terroristischer Vorfälle. Dabei wurde ein Sachschaden in Höhe von 1,5 Mio. Euro angerichtet. Darüber hinaus sind die ETA und die ihr nahe stehenden Organisation ständig in den Straßen präsent. Die terroristischen Aktivitäten wurden nicht eingestellt, wie es das spanische Parlament zur Bedingung für einen Dialog mit ETA gemacht hatte."

    Regierungschef Zapatero zögert darum immer noch, direkte Gespräche mit der ETA aufzunehmen. Gleichzeitig spricht er aber auch offen über eine Legalisierung der der ETA nahe stehenden Partei Batasuna noch vor den Kommunalwahlen im Frühjahr nächsten Jahres oder von einem runden Tisch über die Zukunft des Baskenlandes. Die konservative Opposition und Bürgerinitiativen, wie das Ermua-Forum, in dem auch viele Angehörige von Opfern der ETA vertreten sind, werfen der spanischen Regierung darum vor, vor den Terroristen in die Knie gegangen zu sein. Enrique Barón, Sprecher der spanischen sozialistischen Europaabgeordneten, weißt diesen Vorwurf zurück:

    "Alle spanischen Regierungen haben versucht, den Terrorismus zu überwinden. Das ist die Verantwortung einer Regierung. Man kann die Leute verstehen, die viel gelitten haben. Wir alle haben viel gelitten, aber die Familien der Opfer besonders. Unser Antrag im EU-Parlament fordert die Solidarität mit den Opfern. Man muss geduldig sein, man muss erklären, und man muss raus aus dieser Lage. Das ist, was die Mehrheit der Spanier will."

    Nächste Woche sollen die Europaparlamentarier eine Resolution zum Friedensprozess verabschieden. Eine Entschließung gegen die Gewalt und ein Aufruf zur Solidarität mit den Opfern könnte den Druck auf die ETA erhöhen, ein endgültiges Ende ihres Terrors auszusprechen, so der erhoffte Effekt. Sie würde Zapatero aber auch ein wenig von dem innenpolitischen Druck befreien, unter den ihn die Gegner von Verhandlungen setzen:

    "Erstmals gibt es in Europa einen Friedensprozess, der ganz transparent ist. Wir könnten über Deutschland, Italien, Großbritannien oder Frankreich sprechen. Aber erstmals ist eine Regierung zum Parlament gegangen und dort eine ganz klare Entschließung mit Bedingungen bekommen. Diese Regierung kann kaum einen Schritt nach vorne machen, ohne dass es darum eine große Debatte gäbe. Zur Legalisierung würde ich sagen. Wenn die Batasuna- Leute eine neue Partei gründen und erklären, sie akzeptieren die Gewalt als Instrument der Politik nicht, können sie rein. Warum nicht?"

    Die Mitglieder des Ermua- Forums wollen einen solchen Schlussstrich nicht akzeptieren. Sie misstrauen auch den Europaabgeordneten. Ihnen werfen sie vor, sich mit der Debatte über die Situation im Baskenland in innerspanische Angelegenheiten einzumischen und dabei Zapatero zu unterstützen. Gustavo Jaso vom Ermua-Forum sagt:

    "Zapatero praktiziert genau die gegenteilige Politik die in der Resolution gefordert wird. Es geht ihm nicht um die Entschließung. Die Europaabgeordneten sollen vielmehr diese ganzen Zugeständnisse absegnen, die die sozialistische Regierung an Batasuna macht."

    Ein Konsens über den Friedensprozess zeichnet sich also weiterhin nicht ab. Zu vergiftet ist das innenpolitische Klima. EU-Abgeordneter Enrique Barón erinnert unterdessen an das eigentliche Ziel, das es nicht aus den Augen zu verlieren gilt:

    "Die ETA? ETA muss verschwinden."