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Kein Kraut gegen Daisy

Technik. - Das Tief Daisy hat vor allem Norddeutschland im Schnee versinken lassen. Für die Straßen gibt es nur wenige Mittel gegen einen massiven Wintereinbruch, und diese Lösungen sind so teuer, dass sie nur etwas für Unfallschwerpunkte sind. Der Wissenschaftsjournalist Sönke Gäthke berichtet im Gespräch mit Gerd Pasch zum Beispiel über eine erdwärmegeheizte Brücke, die in der Nähe von Lübeck gebaut wird.

    Pasch: Wie weit ist denn die Brücke?

    Gäthke: Also, es ist so, dass die Brücke derzeit im Bau ist. Vor ziemlich genau einem Jahr hat man begonnen, die alte Brücke an dieser Stelle abzureißen. Von der neuen sind bereits die sogenannten Widerlager eingebaut. Die ersten Bauteile sind da, und im Juli soll die Brücke fertig sein, der Verkehr drüberrollen können.

    Pasch: Und wie soll die Brücke dann im nächsten Winter eisfrei gehalten werden?

    Gäthke: Eisfrei gehalten werden soll sie mit Heizschlangen, die in die Fahrbahn eingelassen werden. Durch diese Heizschlangen wird eine angewärmte Flüssigkeit gepumpt oder geleitet, diese Flüssigkeit wird mit Wasser aus einer Tiefe von 80 bis 100 Meter gewärmt. Das Wasser hat in dieser Tiefe ungefähr 11 Grad, und das besonders Charmante jetzt an dieser Stelle in Schleswig-Holstein ist, es steht unter Druck. Man muss es also nicht hochpumpen, es sprudelt quasi von selbst, wenn man es einmal angebohrt hat, läuft durch den Wärmetauscher und kann dann einfach in den Elbe-Trave-Kanal geleitet werden.

    Pasch: Warum machen das die Ingenieure?

    Gäthke: Die Idee ist einfach Unfälle zu vermeiden an dieser Stelle. Die Brücke an dieser Stelle geht direkt über diesen besagten Elbe-Trave-Kanal. Das heißt, wenn es kalt wird, friert es hier ziemlich schnell zu, und es bildet sich schnell eine Eisschicht auf dieser Brücke. Deswegen wurde schon in der Vergangenheit sehr oft schon der Streudienst gerufen und musste, obwohl die Straßen selber noch frei waren, einfach nur kommen und die Brücke abstreuen. Das geht einfach ins Geld. Und da hat einfach der zuständige Landesbetrieb, und da hat dann auch die Bundesanstalt für Straßenwesen gesagt, wir versuchen etwas Neues, eine Brücke mit Heizung. Und das hat man anderen Techniken vorgezogen, wie zum Beispiel auch einfach einer Taumittel-Sprühanlage.

    Pasch: Was ist das?

    Gäthke: Taumittel-Sprühanlagen ist das, was man auf Autobahnen öfter einsetzt, das sind eigentlich Düsen links und rechts der Fahrbahn, die von einer Mittelstation kontrolliert automatisch Sole auf die Fahrbahn regnen lassen können, wenn Eis die Fahrbahn bedeckt. Das gibt es in Deutschland seit 1982,16 davon sind gebaut worden, die allermeisten davon - 11 - in Nordrhein-Westfalen. Vor allen Dingen auf Brücken und an Gefällestrecken. Auch hier hat die Bundesanstalt für Straßenwesen vor kurzem eine Untersuchung über den Einsatz veröffentlicht und festgestellt, dass sich der Einsatz eigentlich tatsächlich an diesen Stellen lohnt, wo Unfallschwerpunkte waren, weil es sonst doch vielleicht zu teuer ist.

    Pasch: Nun sind ja nicht nur die Autobahnen, sondern auch die Eisenbahnen Opfer des Schnees. Obwohl die Bahn angekündigt hat, gut vorbereitet zu sein. Wie kam das?

    Gäthke: Vor allen Dingen durch die Schneeverwehungen. Die Züge sind deshalb einfach stecken geblieben. Die Schneemassen waren da so groß, die aufgehäuft wurden, dass die Züge einfach nicht mehr durchkamen. Da gibt es nicht viel, was man machen kann. Obwohl es bei den japanischen Eisenbahn durchaus eine interessante Technik gibt, mit der man den Schnee zu Leibe rücken kann. Das ist so ähnlich wie bei der Taumittel-Grünanlage. Nur die japanischen Eisenbahnen benutzen Heißwasser, das unter Druck steht, was sie dann auf die Strecken sprühen können. Das macht man aber eigentlich nicht bei allen Strecken, das macht man nur bei den Shinkansen-Strecken, den Hochgeschwindigkeitsstrecken in Japan, die für ihre Pünktlichkeit berühmt sind. Das ist einfach so, diese Züge müssen auf die Minute genau laufen, weil sie in einem recht engen Takt fahren, und da kann man sich und will man sich keine großen Verspätungen leisten. Man hat sogar noch mehr Aufwand getrieben, man hat extra für die Winterspiele in Nagano zum Beispiel diese Shinkansen-Züge, die die Bahnhöfe angefahren haben, mal weiter verbessert. Die haben eine neue Antriebssteuerung erhalten, spezielle Lüfter mit Zentrifugen erhalten, die angesaugten Schnee gleich wieder aus dem Zug heraus geworfen haben. Und man hat auch bei der Entwicklung der neuen Generation großen Aufwand getrieben, zum Beispiel spezielle Fahrwerke entwickelt, in denen der Schnee nicht so festklumpen kann. Das ist nämlich ein ziemlich großes Problem, auch bei den Zügen in Skandinavien. Wenn im Falle eines Falles Schnee festklumpt, kann das schnell mal mehrere 100 Kilo Gewicht sein, die da an den Achsen hängen.

    Pasch: Warum geht das über uns nicht? Was sind die Probleme hier?

    Gäthke: Das taucht einfach nicht oft auf. Das größte Problem bei uns ist nicht so sehr der Flugschnee, das größte Problem sind die Oberleitungen, die hierzulande vereisen können. Und diese Oberleitungen, da hat man nicht viel, was man machen kann. Man hält sie vor allen Dingen dadurch frei, dass die Züge in regelmäßigem Abstand fahren. Und wenn das dann doch mal vereist ist, weil die Bahn über Nacht nicht gefahren ist, muss man erst einmal mit einem Bürstenwagen durchfahren, das ist also eine E-Lok, die speziell behandelt wird, und die dann oben die Oberleitung frei schabt quasi. Das ist mehr oder weniger alles, was man im Augenblick machen kann.