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Kein Mädchensport?

Peggy boxt sich durch. Trotz Sommerhitze und bereits drei Trainingstunden an diesem Tag, wird sie nicht müde, den 20-Kilo-Sandsack in der Halle des Boxsportvereins Stahl Schöneweide mit knallharten Schlägen zum Taumeln zu bringen. Abgriffslustig und flink tänzelt Peggy um ihr Trainingsobjekt. Trainieren im Fitness-Studio war der Polizeiobermeisterin zu weich. Der Sport, der früher nur harten Männer vorbehalten war, ist für sie die ideale Kombination aus Krafttraining, Ausdauer und Geschicklichkeit. Seit über zehn Jahren betreibt sie deshalb Boxen und Kickboxen und hat schon einige Titel bei Amateur-Wettkämpfen geholt. Peggy ist eine Frau, die gerne an ihre Grenzen geht und die sich nichts gefallen lässt:

Von Agnes Steinbauer |
    Weil man ja jetzt weiß, ich brauche jetzt keine Angst haben. Wenn jetzt irgendwas ist, weiß ich, wie ich mich verteidigen kann, oder ich weiß zumindest, ich kann wegrennen.


    Peggy trainiert, hart zuzuschlagen. Bei Wettkämpfen sind Prellungen und blaue Flecken sind an der Tagesordnung - trotz aller Regeln und Vorsichtsmaßnahmen:

    Natürlich geht man auch mit Kopfschutz K.O. Das ist nicht so, dass man da so einen Schutzpanzer anhat und die Schläge tun auch richtig weh, auch wenn man Boxhandschuhe anhat.

    Für Trainer Jörg Schneider gilt Schlappmachen nicht, auf seine Mädels lässt er aber nichts kommen. Frauen und Boxen - das passt für ihn gut zusammen:

    Wenn die anfangen mit dem Training. Das läuft alles wie am Schnürchen. Männer sind manchmal auch weich und die Frauen, die beißen sich immer durch. Die sind zäher und haben eine unheimliche Willensstärke.

    Zum Anfang war es so auf alle Fälle, das ich dachte, zum Laufen haste jetzt keinen Bock mehr. Dann macht man es aber doch und im Nachhinein ist man froh drüber.

    Die 20-jährige Ina erzählt von ihren Trainings-Torturen. Seilspringen ist nur ein Programmpunkt von vielen anderen schweißtreibenden Anwärmübungen. Gerade, weil es für Frauen eigentlich etwas Absurdes sei zu boxen, hat sie dieser Sport gereizt. Auch, wenn man mal Wut im Bauch hat, kann man die am Sandsack gut ablassen:

    Ich würde jetzt nicht sagen, dass ich den Sandsack sehe und sage: Oh, mein blöder Chemielehrer, und schlage dann drauf. Unterbewusst ist aber letztlich viel Aggression bei.

    Für Peggy hat gerade das Frauen-Boxen noch einen anderen praktischen Nebeneffekt:

    Wenn man das lang genug macht, steigert das gerade bei so jungen Mädels das Selbstbewusstsein. Bei einigen merkt man das, die sonst so ein kleines Mauerblümchen waren. Wenn die erstmal einen Wettkampf gemacht haben, steigert das ungemein das Selbstbewusstsein

    Männer reagieren oft mit vorsichtiger Zurückhaltung. Boxende Frauen sind oft doch noch sehr exotisch, weiß Janni, mit ihren 14 Jahren die jüngste Boxerin beim SV Schöneweide:

    Wenn man von Jungs so gefragt wird, was machst denn du für einen Sport, und wenn man dann Boxen antwortet, sind sie schon erstaunt und haben auch Respekt davor.

    Diese Erfahrung hat auch Peggy immer wieder gemacht. Alles in allem fühlt sie sich als Boxerin in der Männerwelt aber voll akzeptiert und wird sogar manchmal mit Fürsorglichkeit verwöhnt:

    Eher ist es doch so, dass die Jungs dann sagen, dass man aufpassen soll, dass die Nase nicht kaputt geht oder dass du irgendwelche Blessuren nach Hause bringst.

    Sie und ihre Sportsfreundinnen, die äußerlich so gar nicht dem Bild einer bulligen Boxerin entsprechen, treiben diesen Sport nicht, um den Jungs eins auf die Nase zu geben. Es gilt vor allem sich selbst etwas zu beweisen. Dass sie in der Lage sind, anstrengende Situationen zu überstehen ohne aufzugeben:

    Wenn man die ganze Zeit hart trainiert hat, hat man schon so einen gewissen Reiz an der Sache, wirklich zu zeigen, was man drauf hat, zu gucken, wie man denn so steht im Gegensatz zu den andern Frauen.