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Kein Platz für Tiere

Die Finanz- und Kreditkrise hat weltweit ihre Spuren hinterlassen. Private Verbraucher schränken sich ein, müssen im Extremfall umziehen, um sich von Krediten für ein Haus oder eine Wohnung zu entlasten. In Portugal hat das dazu geführt, dass sich Haustierhalter aus Platzmangel von ihren Tieren trennen.

Von Jochen Faget |
    "Sie hat noch Angst", sagt Maria dos Anjos Vieira über die junge Hündin, die sie 'Bra' genannt hat. "Sie ist erst kurz hier und kam in einem erbärmlichen Zustand bei uns an. Sie war so ausgehungert, dass sie nicht mehr stehen konnte."

    Maria dos Anjos streichelt das verstörte Tier, das sie und ihre Kollegen vom Tierschutzverband Leiria gesund gepflegt haben. Bra, die niedliche Promenadenmischung, bei deren Zeugung offensichtlich auch ein Jagdhund beteiligt war, ist noch nicht einmal ein Jahr alt. Ein Polizist hat sie auf der Strasse gefunden und im Tierheim abgeliefert.

    Das komme immer häufiger vor, berichtet die Tierschützerin. Nicht nur in der relativ reichen mittelportugiesischen Distrikthauptstadt Leiria, sondern überall im Land: Die Zahl der streunenden Hunde habe im Distrikt Braga stark zugenommen, meldet der Tierschutzverein aus dem Norden. 2008 seien mehr als 10.000 herrenlose Tiere eingeschläfert worden, erklärt Maria do Céu Sampaio, die Vorsitzende des portugiesischen Tierschutzbundes.

    Da die Menschen wegen der Krise kaum noch Geld für ihre Familien hätten, sei es fast verständlich, dass sie sich das Futter für ihre Haustiere nicht mehr leisten könnten, fügt sie resigniert hinzu. Die Portugiesen müssen den Gürtel enger schnallen – darunter leiden auch die Haustiere. Das bestätigt Maria dos Anjos vom Tierschutzverband Leiria:

    "Viele Leute, die Haustiere hatten, müssen aus großen Häusern in kleine Appartements umziehen, weil sie ihre Wohnungskredite nicht mehr bezahlen können. Also setzen sie ihre Haustiere aus, weil in den kleineren Wohnungen kein Platz mehr für sie ist."

    Ein anderer Grund sei wohl die mangelnde Bereitschaft der Portugiesen, 13 Euro Gebühr für die Abgabe im städtischen Zwinger zu bezahlen, vermutet Maria dos Anjos. Ganz abgesehen davon, dass die Tiere dort – so schreibt das Gesetz es vor – nach einer Woche eingeschläfert werden, wenn sich kein neues Herrchen für sie findet.


    Knapp 80 Hunde hat Maria dos Anjos seit dem Sommer vor diesem Schicksal gerettet. Sie spielt mit ihnen im Hof, tut alles, damit die Tiere sich wohl und geborgen fühlen. Doch jetzt spitzt sich die Lage immer mehr zu, das Tierheim ist an den Grenzen seiner Belastbarkeit angelangt:

    "Wir können keine Tiere mehr aufnehmen, der Platz reicht einfach nicht mehr. Und wir haben kein Geld, das Tierheim zu vergrößern oder mehr Tiere zu verpflegen. Das ist unser größtes Problem."

    650 Kilo Hundefutter muss der Tierschutzverband von Leiria im Monat auftreiben. Für den Unterhalt der Tiere ist er fast ausschließlich auf Spenden angewiesen. Vom Staat gibt es keinen Cent Unterstützung, die Stadt stellt gerade einmal Wasser und Strom. Tierschutz wird im armen Portugal eher klein geschrieben.

    Auch um das Verantwortungsgefühl für die vierbeinigen Spielgefährten sei es schlecht bestellt, bestätigt José Rui Carvalho vom städtischen Hundezwinger gleich neben dem Tierheim:

    "Es fehlt an Erziehung und Bürgersinn. Kleine Tiere werden oft wie Spielzeug gekauft. Hundewelpen sind lustig und sympathisch. Nur wachsen sie und dann werden die Leute ihrer oft überdrüssig. Am Ende werden sie einfach ausgesetzt."

    So gesehen haben jene Hunde, die im Tierheim von Leiria landen, sogar noch Glück. Denn die Tierschutzvereinsvorsitzende Maria dos Anjos tut alles, vor allem den jüngeren Hunden ein neues Heim zu vermitteln. Weil auch das immer schwieriger wird, versucht sie es mit einer in Portugal ungewöhnlichen Methode: Gerade sei ein Reporter der Lokalzeitung da gewesen, erzählt Maria dos Anjos. Der habe die Neuzugänge fotografiert, und vielleicht wird sich nun durch seinen Artikel der eine oder andere Leser melden, um ein Tier zu sich zu nehmen. Zum Beispiel Bra, die junge Hundedame, die die Polizei im Tierheim abgeliefert hat. Sie ist inzwischen zum großen Liebling der Tierschützerin geworden:

    "Sie war ein Skelett auf vier Beinen, das Schlimmste, was ich je gesehen habe. Sie hatte solche Angst, dass sie nicht einmal aus ihrer Hütte heraus kam. Aber jetzt ist sie erneut bei Kräften und ein liebenswertes Hündchen. Sie fängt sogar an, wieder Vertrauen in die Menschen zu haben. Es geht ihr wieder gut."