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Kein Rind mehr ohne EHEC

EHEC-Erreger wurden erstmals in den 70er-Jahren in einem Rind entdeckt und beschrieben. Seither breitet sich das Bakterium vor allem unter Nutztieren aus. Denen schadet er nie und bisher auch nicht dem Menschen Das ist bei der neuen Variante aber anders.

Von Dieter Nürnberger | 31.05.2011
    Derzeit steht fest, dass die Behörden bei EHEC noch keine Entwarnung geben können. Denn ungeklärt ist weiterhin, woher die damit verbundenen Krankheiten kommen. Und es müsse auch weiterhin mit Todesfällen gerechnet werden. Die Infektionsquelle ist somit immer noch aktiv und die Suche danach der Hauptschwerpunkt der Arbeit. Beim gestrigen Spitzentreffen von Regierung und Behörden fiel deshalb auch die zutreffende Formulierung von der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen.

    Immerhin erwarten sich die Beteiligten in dieser Woche Klarheit darüber, ob die Warnung vor dem Verzehr von rohem Gemüse richtig war. Reinhard Burger, der Chef des Robert-Koch-Instituts in Berlin:

    "Diese Erkrankung hat in etwa eine Inkubationszeit von einer Woche. Nach der Durchfallerkrankung kann es etwa eine Woche dauern, bis sich die schwere Verlaufsform HUS zeigt. Insofern können wir das erst im Laufe dieser Woche sehen, ob die Zahlen zurückgehen oder nicht. "

    Fest steht inzwischen, dass das Vorkommen von EHEC in den Mägen von Wiederkäuern wohl deutlich weiter verbreitet ist, als bislang angenommen. Andreas Hensel, der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung.

    "Wir haben immer schon gewusst, dass diese Escherichia Coli zur Normalflora von Wiederkäuern, insbesondere von Rindern, gehören. Wir sind aber erst durch den Siegeszug der Molekularbiologie heute in der Lage, diese krankmachen Faktoren den entsprechenden Bakterien zuzuschreiben. Man kann eigentlich sagen, dass auch heute praktisch in jedem Wiederkäuer-Darmsystem diese Bakterien ganz normal zu Hause sind."

    Geschuldet sei diese Erkenntnis somit auch dem wissenschaftlichen Fortschritt, so der Präsident des Bundesinstituts. Allerdings sind sich hier die Experten auch nicht einig. Reinhard Burger, der Präsident des Robert-Koch-Instituts schränkt die Aussage seines Kollegen etwas ein, er geht von einer EHEC-Verbreitung bei rund einem Drittel der Rinder aus.

    Doch bleibe eben die Frage noch offen, wie Teile des Erregers so gefährlich für den Menschen werden konnten.

    Einig sind sich die Experten hingegen, dass wohl nicht die Art der Tierhaltung für das Auftreten des Bakteriums entscheidend ist. Dass der Erreger antibiotika-resistent sein soll, ist bislang auch nicht per se erwiesen. Wichtig sei aber, dass Antibiotika generell maßvoll eingesetzt werden sollten. Das betreffe die Behandlung in der Massentierhaltung ebenso wie die des Menschen. Andreas Hensel vom Bundesinstitut für Risikobewertung.

    "Also dort, wo Sie einmal Antibiotika eingesetzt haben, und das gilt für die Massentierhaltung genauso wie für den Menschen, bleiben diese Antibiotika-Resistenzen in den entsprechenden Bakterienpopulationen relativ lange erhalten. Insgesamt muss allerdings angemerkt werden, dass sich die Situation beim Mensch und beim Tier grundsätzlich anders darstellen. Wir haben also ganz andere Probleme mit Antibiotika in der Normalmedizin als in der Tierhaltung. Die wichtige Frage ist aber, wie minimieren wir den Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung so, dass es eben kaum oder keine Auswirkung auf den Menschen hat."

    Generell ist also noch vieles unklar derzeit bei der Zuordnung des Erregers. Die Behörden warnen weiterhin vor dem Verzehr von Rohgemüse. Dass mitunter das Bakterium nicht nur auf dem Gemüse, sondern bei Beschädigung der Gemüsehülle auch im Innern auftreten könnte, zeigen Erfahrungen aus den USA. Andreas Hensel.

    "Wir wissen aus verschiedenen Ausbruchs-Untersuchungen, dass beispielsweise in den USA durch das Waschen von Gemüse erst eine Möglichkeit geschaffen wurde, dass solche Organismen eindringen konnten. Das kann man nicht pauschalisieren, aber da ist die Behandlung, die Prozessierung von Gemüse eine der Ursachen, dass man da vermehrt solche Erreger finden konnte."

    Viele Fragen sind somit auch weiterhin offen. Die Behörden hoffen aber, dass es innerhalb dieser Woche mehr und mehr Antworten rund um EHEC geben wird.

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