Zuerst die schlechte Nachricht: Bayreuth im Sommer 2006 war nicht besonders schön. Das Wetter war zwar prächtig, wenn auch viel zu heiß, die Festspielkassen sind gefüllt, eine zehnfache Überbuchung des Platzkontingentes auch in diesem Jahr. Doch der künstlerische Ertrag war suboptimal.
Auf den Kulturseiten der deutschen Presse wurde es sichtbar - die Berichterstattung über den Grünen Hügel rangierte auf Platz zwei oder drei, weit hinter Mozart und Netrebko bei den Salzburger Festspielen. Die haben Bayreuth den Rang abgelaufen. Der 86-jährige Wolfgang Wagner liegt und besitzt, zu vieles geht schief. Die besten Wagner-Sänger kommen nur noch tröpfchenweise in die Musik-Scheune der oberfränkischen Kleinstadt, die einmal das Zentrum der Wagner-Welt war.
Mit der Wiederaufnahme des "Fliegenden Holländers" hatte der diesjährige Reigen mit sieben Opern begonnen. Regisseur Klaus Guth und Dirigent Marc Albrecht zeichneten ein psychologisch eindringliches Bild spätbürgerlichen Familienwahns. Nur: die beiden männlichen Hauptdarsteller, John Tomlinson und Jaakko Ryhänen, haben ihre beste Zeit als Sänger längst hinter sich.
Die Neuinszenierung des "Ring des Nibelungen" war zwar seitens des Orchesters top, hinsichtlich Inszenierung von Tankred Dorst und stimmlich ein Flopp. Auch beim "Parsifal" am Schluss war mit Christoph Schlingensief ein Regisseur ans Werk gelassen worden, der die Bühne zukippte mit einer Bilder-Orgie, die wahllos alle Todes- und Auferstehungs-Riten sämtlicher Völker und Kulturen zu einem synkretistischen Brei verkochte, ohne sich auf Wagners Werk auch nur im geringsten einzulassen. Musikalisch und stimmlich wurde auch hier allenfalls ordentliches Handwerk geboten. Natürlich gab es insgesamt auch herrliche Ausschläge nach oben, aber der Gesamteindruck ist ernüchternd.
Jetzt aber die gute Nachricht, die wirkliche Ausnahme: Der vielfach geschmähte "Tristan", inszeniert von Christoph Marthaler. Peter Schneider dirigierte klar, zügig und ohne hysterische Überhitzung. Die Kühle passte ausgezeichnet zu der frostigen Atmosphäre, in die der Schweizer Regisseur die Handlung tauchte. Wie Tristan Isolde, die ihm einst das Leben rettete, von Irland nach England zwingt, um dort seinen König Marke zu heiraten, wie sie noch unterwegs versehentlich den Liebestrunk trinken und heilloser Leidenschaft für einander verfallen, wie sie entdeckt werden, wie Tristan tödlich verletzt wird und Isolde zu spät an Tristans Sterbelager gelangt - diesen mystischen Liebeswahn haben Christoph Marthaler und seine Bühnenbildnerin Anna Viebrock in die Psychiatrie verlegt. Mit jedem Akt verschärft sich die Psychose und rückt der Handlungsort tiefer in das Innere der geschlossenen und gut überwachten Anstalt. Oben die Lobby im Stil eins britischen Landhauses mit winzigen Fensterluken, darunter ein steriler, fast leerer, fensterloser Raum mit gelblichen Wänden und Aufzugtür und im Keller "Pflegestufe III": ein Krankenbett, kahle zerkratzte Wände. Die Neonröhren an der Decke fügen sich manchmal zu einem M, wie mad oder mental disorder. Tristans und Isoldes Bewegungen sind erstarrt. Der Stupor hat sie ergriffen, ihre Kommunikationsfähigkeit haben sie verloren, als "devitalisierte Objekt-Körperbeziehung" bezeichnet sowas die Psychologie. Die beiden leben nur noch jeder für sich im Wahn einer irrsinnigen Liebe, die sie aber nicht teilen.
Auch Tristans Freund, Kurwenal, ist in seiner Krankheit gefangen, zwanghaft steht er immer wieder an der Wand und kratzt mit den Fingernägeln am Putz. Und König Marke als Klinikchef muss den Wahn als guter Arzt natürlich mitspielen, ebenso Melot und Brangäne als Klinikpersonal.
So hat Christoph Marthaler ein schlüssiges Bedeutungsfeld für diese alte Liebesgeschichte geschaffen, deren Hysterien wir Heutige, wenn wir sie real oder romantisch nehmen, nur schwer nachvollziehen können. Diesen "Tristan", der im letzten Jahr Premiere hatte, gilt es noch zu entdecken. Eine ästhetisch äußerst stringente Inszenierung mit musikalischen Höchstleistungen - wie zu guten alten Bayreuth-Zeiten: Kwangchul Youn als Marke, Petra Lang als Brangäne und eine strahlende Nina Stemme mit einem brillanten, dunklen und starken Sopran als Isolde.
Auf den Kulturseiten der deutschen Presse wurde es sichtbar - die Berichterstattung über den Grünen Hügel rangierte auf Platz zwei oder drei, weit hinter Mozart und Netrebko bei den Salzburger Festspielen. Die haben Bayreuth den Rang abgelaufen. Der 86-jährige Wolfgang Wagner liegt und besitzt, zu vieles geht schief. Die besten Wagner-Sänger kommen nur noch tröpfchenweise in die Musik-Scheune der oberfränkischen Kleinstadt, die einmal das Zentrum der Wagner-Welt war.
Mit der Wiederaufnahme des "Fliegenden Holländers" hatte der diesjährige Reigen mit sieben Opern begonnen. Regisseur Klaus Guth und Dirigent Marc Albrecht zeichneten ein psychologisch eindringliches Bild spätbürgerlichen Familienwahns. Nur: die beiden männlichen Hauptdarsteller, John Tomlinson und Jaakko Ryhänen, haben ihre beste Zeit als Sänger längst hinter sich.
Die Neuinszenierung des "Ring des Nibelungen" war zwar seitens des Orchesters top, hinsichtlich Inszenierung von Tankred Dorst und stimmlich ein Flopp. Auch beim "Parsifal" am Schluss war mit Christoph Schlingensief ein Regisseur ans Werk gelassen worden, der die Bühne zukippte mit einer Bilder-Orgie, die wahllos alle Todes- und Auferstehungs-Riten sämtlicher Völker und Kulturen zu einem synkretistischen Brei verkochte, ohne sich auf Wagners Werk auch nur im geringsten einzulassen. Musikalisch und stimmlich wurde auch hier allenfalls ordentliches Handwerk geboten. Natürlich gab es insgesamt auch herrliche Ausschläge nach oben, aber der Gesamteindruck ist ernüchternd.
Jetzt aber die gute Nachricht, die wirkliche Ausnahme: Der vielfach geschmähte "Tristan", inszeniert von Christoph Marthaler. Peter Schneider dirigierte klar, zügig und ohne hysterische Überhitzung. Die Kühle passte ausgezeichnet zu der frostigen Atmosphäre, in die der Schweizer Regisseur die Handlung tauchte. Wie Tristan Isolde, die ihm einst das Leben rettete, von Irland nach England zwingt, um dort seinen König Marke zu heiraten, wie sie noch unterwegs versehentlich den Liebestrunk trinken und heilloser Leidenschaft für einander verfallen, wie sie entdeckt werden, wie Tristan tödlich verletzt wird und Isolde zu spät an Tristans Sterbelager gelangt - diesen mystischen Liebeswahn haben Christoph Marthaler und seine Bühnenbildnerin Anna Viebrock in die Psychiatrie verlegt. Mit jedem Akt verschärft sich die Psychose und rückt der Handlungsort tiefer in das Innere der geschlossenen und gut überwachten Anstalt. Oben die Lobby im Stil eins britischen Landhauses mit winzigen Fensterluken, darunter ein steriler, fast leerer, fensterloser Raum mit gelblichen Wänden und Aufzugtür und im Keller "Pflegestufe III": ein Krankenbett, kahle zerkratzte Wände. Die Neonröhren an der Decke fügen sich manchmal zu einem M, wie mad oder mental disorder. Tristans und Isoldes Bewegungen sind erstarrt. Der Stupor hat sie ergriffen, ihre Kommunikationsfähigkeit haben sie verloren, als "devitalisierte Objekt-Körperbeziehung" bezeichnet sowas die Psychologie. Die beiden leben nur noch jeder für sich im Wahn einer irrsinnigen Liebe, die sie aber nicht teilen.
Auch Tristans Freund, Kurwenal, ist in seiner Krankheit gefangen, zwanghaft steht er immer wieder an der Wand und kratzt mit den Fingernägeln am Putz. Und König Marke als Klinikchef muss den Wahn als guter Arzt natürlich mitspielen, ebenso Melot und Brangäne als Klinikpersonal.
So hat Christoph Marthaler ein schlüssiges Bedeutungsfeld für diese alte Liebesgeschichte geschaffen, deren Hysterien wir Heutige, wenn wir sie real oder romantisch nehmen, nur schwer nachvollziehen können. Diesen "Tristan", der im letzten Jahr Premiere hatte, gilt es noch zu entdecken. Eine ästhetisch äußerst stringente Inszenierung mit musikalischen Höchstleistungen - wie zu guten alten Bayreuth-Zeiten: Kwangchul Youn als Marke, Petra Lang als Brangäne und eine strahlende Nina Stemme mit einem brillanten, dunklen und starken Sopran als Isolde.