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Kein Schutz vor Klimakatastrophen

Überschwemmungen und Flutkatastrophen in Indien, auf Haiti und Kuba: Wenn die Klimaprognosen des Weltklimarates sich erfüllen werden, dann sind die Ereignisse nur ein harmloser Vorgeschmack darauf, was Entwicklungsländer erwartet, wenn die Industriestaaten das Treibhaus Erde weiter anheizen. In Brüssel verpassten gestern europäische Nichtregierungsorganisationen dem Klimapaket der EU die Note mangelhaft.

Von Katja Barton |
    20 Prozent weniger Kohlendioxid-Ausstoß bis zum Jahr 2020, das hat sich die Europäische Union vorgenommen, so steht es im Entwurf zum EU-Klimapaket. Das reicht aber nicht, um die Entwicklungsländer vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen, meinen Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, darunter der WWF und Oxfam. Dafür müssten es mindestens 30 Prozent weniger Emissionen sein. Das ist auch die Meinung von Nita Deerpalsing, Parlamentsabgeordnete aus Mauritius und Abgesandte der afrikanisch-karibisch-pazifischen Staatengruppe:

    "Es gibt keinen Konsens darüber, wer die Auswirkungen des Klimawandels bezahlen soll. Wir brauchen dringend den politischen Willen der EU, man muss Europa hier in die Pflicht nehmen. Die EU hat natürlich nicht alleine den weltweiten Klimawandel verursacht, aber sie hat eine große Verantwortung und deshalb muss sie jetzt handeln."

    Damit die Europäer dieser Verantwortung wirklich gerecht werden, müssten sie versuchen, die Gefahren durch den Klimawandel aus der Sicht der Entwicklungsländer zu betrachten. Das ist aber bisher nicht der Fall. Michael Schlup ist Direktor der Gold Standard Foundation. Die Schweizer Organisation stellt Zertifikate aus für nachhaltigen Klimaschutz. Ein Projekt ist ein Biomasse-Kraftwerk in Indien. Schlup ist davon überzeugt,

    "dass es sehr wichtig sein wird, dass die Entwicklungsländer im Hinblick auf ein Nachfolgeabkommen von Kyoto, dass eben deren Bedürfnisse in die internationalen Vereinbarungen mit aufgenommen werden. Die Bedürfnisse der Entwicklungsländer liegen mehr auf dem Schwerpunkt Entwicklung und weniger auf dem Schwerpunkt Klimaschutz. Ohne Entwicklung können diese Länder keinen wirksamen Klimaschutz betreiben."

    Das erreiche man aber nur, wenn Entwicklungsfragen mit in die Klimadebatte aufgenommen werden, fordern die Nichtregierungsorganisationen. Doch in der Diskussion um das EU-Klimapaket bleibe dieser Aspekt außen vor, kritisiert Jan Kowalzig, Klimaexperte bei Oxfam:

    "Es geht mehr darum, ob Europa wettbewerbsfähig bleibt, ob Arbeitsplätze gesichert werden und Energiekosten zu hoch sind. Das ist alles wichtig, aber die Auswirkungen des Klimawandels auf die Entwicklungsländer spielen bei den Verhandlungen hier in Brüssel kaum eine Rolle. Und das ist ein Skandal."

    Nachbesserungen beim EU-Klimapaket verlangt der Klimaexperte von Oxfam auch in einem anderen Bereich: Den Entwicklungsländern stehen hohe Kosten bevor, weil sie auf den Klimawandel reagieren müssen: etwa mit Baumaßnahmen in Überschwemmungsgebieten, die erst durch den Klimawandel entstanden sind.

    Hier fordert der Klimaexperte, die EU müsse ein Drittel dieser Kosten in den Entwicklungsländern übernehmen. Dieses Geld könnte aus dem Handel mit Emissionszertifikaten stammen. Ab 2013 sollen Stromerzeuger und energieintensive Unternehmen in der EU, CO2-Verschmutzungsrechte ersteigern müssen. Über die Details wird noch heftig gestritten, doch die Europäer wollen das EU-Klimapaket bis spätestens Anfang nächsten Jahres verabschieden. Ob es am Ende viel bringen wird, da hat der Klimaexperte Jan Kowalzig von Oxfam seine Zweifel:

    "Es wird auf jeden Fall irgendetwas geben. Ob das dann das Papier wert ist, auf dem es drauf steht, das wird sich zeigen. Die erste Übung haben ja schon die Deutschen hingelegt, indem sie die Effizienzstandards für Autos, die Bestimmungen dazu, weitgehend zerschossen haben. Das geschieht im Interesse der deutschen Automobilindustrie und da ist Sigmar Gabriel, der eigentlich Umweltminister heißen sollte, in die Bresche gesprungen, das ist sehr enttäuschend. Da ist es schon mal schief gegangen. Jetzt kommt es darauf an, dass nicht auch der Emissionshandel zerschossen wird, auch da fällt die deutsche Industrie eher durch negative Beiträge auf."