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Kein Schwung mehr für Brücken

Technik. - Schrägseilbrücken werden fast ausschließlich durch die Seile gehalten, die von den ein oder zwei Pfeilern fächerförmig nach unten verlaufen. Aber Schrägseilbrücken sind durch ihre Bauweise auch besonders anfällig für Schwingungen. Manchmal reicht schon der normale Verkehr, und die Brücke fängt ganz fein an zu schwingen. Um derart gefährliche Schwingungen bei künftigen Bauten zu verhindern, haben jetzt deutsche und Schweizer Experten ein Dämpfungssystem entwickelt.

Von Sabine Goldhahn | 22.03.2007
    "Kriegen wir das hin?"

    "Ja, wenn wir zu zweit darauf stehen und herumhüpfen, dann schwingt das Ding. Können wir gleich versuchen."

    Begeistert klettert Felix Weber auf die Schrägseilbrücke und hüpft darauf herum. Mit ihren Stahlseilen hängt sie an einem Brückenpfeiler und wird nur zur Sicherheit noch von ein paar Pfosten abgestützt. Die ganze Brücke ist etwa zwanzig Meter lang und steht in einer riesigen Laborhalle in Dübendorf. Hier, in der Nähe von Zürich untersucht der Ingenieur von der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt Empa die Schwingungen von Brücken und wie man sie am besten verhindern kann. Dazu hat er einige Seile mit Brückendämpfern ausgerüstet, die aussehen wie armlange rote Zylinder. Die sollen nun die ganzen Schwingungen auffangen. Weber:

    "Nur schon durch das normale Laufen auf die Brücke haben wir die Schrägseile ins Schwingen gebracht. Damit wir das nicht immer selber tun müssen, haben wir noch einen elektrodynamischen Schwinger, der sieht so aus wie ein Staubsauger. Was der macht, ist, dass er eine Masse von etwa zwölf Kilogramm auf- und abbewegt, und das kann man dann kontrolliert tun mit einer bestimmten Frequenz, mit einer bestimmten Amplitude, so kann man das Brückendeck hier kontrolliert anregen."

    Nur ein paar Sekunden dauert es, und die ganze Modellbrücke fängt an zu schwingen – wie eine echte Schrägseilbrücke von oftmals mehreren 100 Metern Länge. Dort spielt aber der Wind die größte Rolle und sorgt für die meisten und gefährlichsten Schwingungen. Weber:

    "Man muss sich vorstellen, eine Brücke überbrückt ja so ein V-förmiges Tal in der Regel, der Wind kommt ja kanalisiert senkrecht auf die Brücke. Wenn der Wind senkrecht auf die Brücke kommt, also in horizontaler Richtung bläst, dann schwingen die Seile auf und ab, also die Seile schwingen nicht in der Windrichtung, sondern senkrecht zur Windrichtung, und zwar, weil der Wind an den Seilen Wirbel ablöst, einmal oben und einmal unten an dem Seil, und das gibt dann diese Auf- und Abbewegung."

    Um das zu verhindern, hat Felix Weber gemeinsam mit Ingenieuren der Münchner Firma Maurer Söhne einen Brückendämpfer entwickelt, der sich der Stärke der Schwingung anpasst. Wie an der Modellbrücke besteht er aus einem dicken Metallzylinder, der nur wenige Zentimeter über der Fahrbahnhöhe das Seil umhüllt. Äusserlich ganz unscheinbar. In seinem Inneren befinden sich Kolben, ölgefüllte Zylinder, und eine ganze Menge Elektronik. Weber:

    "Bei den Dämpfern, die wir auf den Brücken installieren, handelt es sich um so genannte magnetorheologische Fluiddämpfer. Das sind Dämpfer, die nicht nur ein Öl im Zylinder haben, sondern das Öl beinhaltet noch magnetisierbare Teilchen. Dadurch ist es möglich, mit einem Magnetfeld die Dämpfungskraft oder diese Widerstandskraft der Dämpfer zu regeln."

    Der Trick dabei: Wenn ein Magnetfeld anliegt, bilden die magnetisierbaren Teilchen Ketten, und das Öl verklumpt. Je mehr Kräfte nun an der Brücke zerren, umso stärker wird das Magnetfeld und umso zäher das Öl. Dadurch bewegen sich die Kolben in dem Dämpfer schwerer, dem Druck von außen wird mehr Widerstand entgegengesetzt. Das alles passiert automatisch und etwa 100 Mal pro Sekunde. Um die neue Technik zu testen, hat Felix Weber ein 228 Meter langes Brückenseil, wie es bei der chinesischen Sutong-Brücke zum Einsatz kommt, in einem ein Meter tiefen Betongraben gespannt und mit drei von den neuen Dämpfern bestückt. Dann haben sich die Ingenieure im Takt des Metronoms auf das schwere Seil gestützt und es mit Muskelkraft in Schwingung gebracht. Weber:

    "Da hat eigentlich alles so funktioniert, wie wir uns das erhofft hatten: unabhängig vom Ort, wo der Dämpfer am Seil angebracht ist, unabhängig von der Amplitude, wie stark wir das Seil angeregt haben, und unabhängig von der Schwingungsform war die Dämpfung immer etwa gleich groß. Und der Wirkungsgrad von dem Dämpfungssystem war mit etwa 80 Prozent relativ hoch."

    Noch in diesem Jahr sollen die neuen Dämpfer an den besonders gefährdeten sechs längsten Seilen der Sutong-Brücke eingebaut werden. Für die anderen Seile sollen vorerst herkömmliche Dämpfer genügen. Mit einer Distanz von 1080 Metern zwischen den zwei Pfeilern wird sie dann die größte Schrägseilbrücke der Welt sein.