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Kein Sex mit Schülern auch für Vertretungslehrer

2011 wurde ein Vertretungslehrer in Rheinland-Pfalz vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer 14-jährigen Schülerin freigesprochen. Nach geltendem Recht war das Mädchen nämlich nicht seine Schutzbefohlene. Zwei Bundesländer wollen diese Regelung reformiert sehen.

Von Ludger Fittkau | 15.11.2012
    Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen ist strafbar. Minderjährige Auszubildende dürfen nicht durch ihren Meister, oder Schüler nicht durch ihren Klassenlehrer sexuell ausgenutzt werden. Das regelt der Paragraf 174 des Strafgesetzbuches. Was er bisher nicht eindeutig regelt, ist die Frage: Macht sich außer dem Klassenlehrer auch ein Vertretungslehrer strafbar, wenn er etwa auf einer Klassenfahrt einspringt und dabei eine sexuelle Beziehung zu einer 14-Jährigen eingeht, die er nicht regelmäßig unterrichtet? Diese Frage beschäftigte in den vergangenen Monaten Jochen Hartloff, den rheinland-pfälzischen Justizminister:

    "An einer Schule oder anderen Einrichtungen haben wir ein besonderes Verhältnis, dass da Kinder anvertraut sind dem Lehrpersonal und dieses Vertrauen nicht ausgenutzt werden darf. Und deshalb gibt es da Regelungen, die finden sich insbesondere im Paragraf 174. Und dazu gibt es wiederum Rechtsprechung und diese Rechtsprechung besagt, es muss ein besonderes Obhutsverhältnis bestehen, ich vereinfache das jetzt ein bisschen. Dieses Obhutsverhältnis ist zum Beispiel bei einem Klassenlehrer gegeben, nicht aber, wenn einer zum Beispiel eine Arbeitsgemeinschaft leitet oder wenn er nur Vertretungsunterricht hat. Und das ist vielleicht von der Interpretation her ein wenig weltenfern."

    Weltenfern: So hat nach Meinung des rheinland-pfälzischen Justizministers das Oberlandesgericht Koblenz agiert, als es 2011 einen Vertretungslehrer freigesprochen hat, der Sex mit einer 14-Jährigen hatte. Das Urteil führte zu öffentlichen Protesten. Auch die rheinland-pfälzische CDU-Opposition forderte schnelles Handeln der rot-grünen Landesregierung. Axel Wilke, Unions-Obmann im Justizausschuss des Mainzer Landtages, forderte ...

    " ... dass eben das Bedürfnis der Bevölkerung aufgegriffen wird, das sich so etwas nicht wiederholen kann, und man überlegt, was strafrechtlich möglich ist, dass es nicht noch mal zu so einem Freispruch kommt."

    Das rheinland-pfälzische Justizministerium handelte. Es führte zu diesem Thema zunächst Anfang des Jahres bei allen Landesjustizverwaltungen eine Umfrage durch. Im Juni 2012 beschloss dann die Länder-Justizministerkonferenz einstimmig, mögliche neue gesetzliche Regelungen im Strafrecht durch eine Arbeitsgruppe prüfen zu lassen. Diese untersuchte, wie sexueller Missbrauch in Betreuungs- und Abhängigkeitsverhältnissen über die bisherigen Regelungen hinaus unter Strafe gestellt werden kann.

    Das Ergebnis ist nun die Gesetzesinitiative, die der sozialdemokratische rheinland-pfälzische Justizminister Jochen Hartloff heute bei der Justizministerkonferenz in Berlin gemeinsam mit Bayern auf den Weg bringen will. Hartloff will Jugendliche an Schulen und in Heimen in Zweifelsfällen besser vor Übergriffen schützen, ohne ihnen die sexuelle Selbstbestimmung generell abzusprechen:

    "Ich möchte nicht an das Recht der sexuellen Selbstbestimmung ran. Ich halte da diese grundsätzlichen Entscheidungen, die man in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts mit einer Neuordnung im Strafrecht vorgenommen hat, für vernünftig. Es ist lediglich aus der Erfahrung verschiedener Fälle ein Stück Präzisierung notwenig, damit manche nicht die Gesetze ausnutzen können, weil sie ganz genau wissen, wo vielleicht Lücken sind und wo sie nicht erfasst sind. Dieser Eindruck drängt sich bei manchen Fällen, auch wenn es nicht viele sind, auf. Und da ist es Aufgabe des Gesetzgebers, solche Lücken zu schließen."

    Rheinland-Pfalz und Bayern werden heute einen konkreten Formulierungsvorschlag für eine Gesetzesänderung vorlegen. Der rheinland-pfälzische Justizminister Jochen Hartloff will zunächst die anderen Länderminister mit ins Boot bekommen:

    "Dann ist der zweite Schritt, wir müssen den Bundesgesetzgeber überzeugen, das heißt, die Bundesjustizministerin und das Parlament in Berlin, dass eine bundesgesetzliche Änderung kommt. Ich wäre aber auch bereit, eine Bundesratsinitiative zu dem Punkt ganz konkret zu starten."