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Kein Sieg gegen ''MAYA''

Informationstechnologie. - Im Film "Wargames" aus dem Jahre 1983 rettet das Spiel Tic-Tac-Toe, auf Deutsch ''Drei gewinnt'', am Ende die Welt: Nach einer Weile erkennt der Supercomputer ''Joshua'' nämlich, dass ein Sieg nicht möglich ist, wenn beide Seiten optimal spielen. Die Erkenntnis überträgt ''Joshua''" in buchstäblich letzter Sekunde auf sein gerade ablaufendes Hauptprogramm ''Globaler thermonuklearer Krieg''. Auch gegen ''MAYA'' kann man nicht gewinnen, sondern im besten Fall ein Unentschieden erreichen. Amerikanische Wissenschaftler haben aus DNA-Molekülen einen perfekt Tic-Tac-Toe spielenden Automaten konstruiert und in der neuesten Ausgabe von ''Nature Biotechnology'' vorgestellt.

18.08.2003
    Von Michael Gessat

    Ein Blatt Papier und zwei Stifte, und schon kann das Spiel beginnen: Abwechselnd markieren die Gegner, der eine mit einem Kreis, der andere mit einem Kreuz jeweils eines von den drei mal drei Feldern der Spielfläche. Wer als erster drei Markierungen in einer Reihe -senkrecht, waagrecht oder diagonal- geschafft hat, hat gewonnen. Gegen den DNA-Automaten, den Milan Stojanovic von der New Yorker Columbia University und Darko Stefanovic von der Universität von New Mexico ersonnen haben, ist das Ganze etwas aufwendiger. Das Spielfeld besteht aus einer Anordnung von drei mal drei Schalen, in denen sich eine jeweils speziell modifizierte Mischung aus einzelsträngigen DNA-Molekülen befindet. MAYA beginnt stets, dann zieht der menschliche Spieler, indem er einen von acht kurzen DNS-Strängen in die Schalen hinzugibt – jedem Feld ist ein Strang zugeordnet. Und etwa 15 Minuten später zeigt der Automat seinen Antwortzug durch erhöhte Floureszenz in einer Schale an, das Feld leuchtet unter einem Detektor auf.

    Mein Kollege von der Universität New Mexico, der auch Koautor der Veröffentlichung ist, und ich dachten schon eine ganze Weile darüber nach, welche Art von netter Demonstration wir für das neuartige Biocomputermodell finden könnten, an dem wir arbeiteten. Ich stolperte zufällig über ein Buch, in dem es um das Entwickeln von neuronalen Netzwerken ging, und das erste Beispiel war Tic-Tac-Toe. Ich las ein bisschen und es wurde klar, dass Tic-Tac-Toe ein traditionelles Ziel für jeden neuen paradigmatischen Ansatz auf dem Computersektor ist. Das erste Spiel, das auf modernen Computern gespielt wurde, war Tic-Tac-Toe. Somit war es auch für uns eine naheliegende Wahl für eine erste Demonstration.

    ...berichtet Milan Stojanovic. Die perfekte Tic-Tac-Toe-Strategie lässt sich in einem Entscheidungsbaum darstellen: Wenn der Gegner einen bestimmten Zug macht, dann muss ein bestimmter anderer Zug folgen, will man nicht sofort verlieren. Solche vollständig bekannten Wenn-Dann-Entscheidungsbäume lassen sich durch eine Anordnung von logischen Gattern nachbilden. Die quasi eingebaute Komplettlösung liefert die richtige Entscheidung ohne weiteren Rechenaufwand, und insofern bezeichnen die Autoren selbst MAYA auch nicht als Computer, sondern als Automaten: Das fünfzehnminütige scheinbare "Nachdenken" ist lediglich die notwendige biochemische Reaktionszeit. Das eigentlich Interessante an MAYA sind die Bauteile: Logische Gatter auf molekularer Ebene herzustellen, das ist die neuartige Idee der beiden Wissenschaftler. Stojanovic und sein Kollege konstruieren sie, indem sie zu der Grundform eines DNA-Enzyms ein- oder ausschaltbare Kontrollstrukturen hinzufügen. Und je nach Schaltzustand der Kontrollelemente wird dann die enzymatische Funktion des Grundmoleküls entweder gehemmt oder zugelassen:

    Unser Ansatz unterscheidet sich stark von den DNA-Computer-Konzepten, die bislang verfolgt wurden. Unsere Vorgehensweise ist vielmehr der Entwicklung von elektronischen Schaltungen sehr ähnlich, wo man logische Gatter in komplexen Schaltkreisen anordnet. Wir versuchen, das gleiche mit Molekülen zu machen, sie so anzuordnen, dass sie komplexe Entscheidungen treffen können. Im Gegensatz zur Elektronik ist unser Eingangssignal, unser Input, nicht Strom, sondern ein Molekül, und unser Output, die Ausgabe der Schaltung, ist ebenfalls ein verändertes Molekül oder eine enzymatische Reaktion. Hier bei unserer Veröffentlichung war das eine erhöhte Fluoreszenz der Lösung.

    Da jeweils ein Ausgangssignal wiederum Eingangssignal für andere Elemente sein kann, sind für die Zukunft Schaltkaskaden und kompliziert geregelte Netzwerke denkbar: Das Funktionsprinzip ähnelt dem Stoffwechsel von Lebewesen. Und genau hier, im lebenden Organismus könnten die künstlichen Molekülschaltkreise irgendwann zum Einsatz kommen:

    Wir hoffen, dass diese Moleküle in der Zukunft -und ich muss betonen, in einer fernen Zukunft- einmal als Kontrollelemente für Nanomaschinen im lebenden Organismus dienen könnten, dass sie Entscheidungen treffen könnten: Etwa sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen oder einen Wirkstoff freizusetzen.