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Kein Staats- und auch sonst kein Ziel?

Der Deutsche Kulturrat hat pünktlich zum Bundestagswahlkampf sein ursprünglich als Buch erschienenes Kompendium "Kulturpolitik der Parteien" als kostenlosen Internetdownload zweitverwertet. 35 Autoren, die meisten Politiker, äußern sich über ihr Verständnis von Kulturpolitik.

Von Frank Hessenland | 01.07.2009
    "Kulturpolitik ist ein Feld, wo bis jetzt das Lavieren zählt", so sagt es der Geschäftsführer des Deutscher Kulturrats, Olaf Zimmermann. Somit beantwortet er alle weiteren Fragen zur Qualität der Beiträge seines 170 Seiten starken Bändchens Kulturpolitik der Parteien (PDF). Dort versammeln sich zwar 35 Heroen der bundesdeutschen Politik von Christian Wulff, Frank Walter Steinmeier, Oskar Lafontaine, bis hin zu den gestürzten Helden Erwin Huber, Micha Glos und Kurt Beck. Doch sie äußern sich alle gleichermaßen nebulös: Bislang ist Kulturpolitik ein Mischling aus Symbolpolitik und Sonntagsrede. Beispiele: Christian Wulff (CDU) beispielsweise klopft mit starker Hand auf den Grundsatz:

    "Wir bekennen uns zur Leitkultur in Deutschland. Sie umfasst die Grundwerte des Grundgesetzes und die Verantwortung aus unserer Geschichte."

    Das liest sich gut, doch was ist gemeint? Ein echter, deutscher Liedermachermichel singt nur reinen, deutschen Grundgesetzgesang? Die Monologe von Franz Moor und Richard III werden gestrichen, da sie nicht grundgesetzkompatibel sind? Art. 5 GG gebietet totale Kunstfreiheit und taugt somit nicht als Richtschnur einer deutschen Leitkultur, wie sie von der CDU vorgestellt wird. Schade. Die CSU in Bayern macht es sich leichter: Bei ihr bedeutet Leitkultur nicht Grundgesetzsingen, sondern nur eines:

    "Bayern! des samma mia, mia samma mia des samma mia."

    Bischof Huber, nein, Schmarrn: Erwin Huber - kennt den noch wer? -, hat das in der Zeitschrift politik und kultur philosophisch so ausgedrückt:

    "Die Menschen wollen keine heimatlosen Globalisierungsnomaden sein! Deshalb hat die CSU immer betont: Kulturelle Identität ist mehr als ein Verfassungskonsens. Die Sprache, Geschichte, Traditionen und die christlich-abendländischen Werte bilden die deutsche Leitkultur."

    Ärgerlicherweise ist diese Haltung eine, mit der andere deutsche Parteien gar nicht so viel zu tun haben wollen. Die FDP zum Beispiel möchte allem Anschein nach Kulturvorreiter werden, indem sie Kultur schon zum Frühstück einführt und nicht erst hernach beim Bierzeltsaufen abfeiert. Guido Westerwelle schreibt daher in "politik und kultur":

    "Ein ... wichtiger Baustein im vielfältigen Engagement der Liberalen sind die Kulturfrühstücke, die die FDP-Bundestagsfraktion regelmäßig in allen Regionen der Bundesrepublik ausrichtet ... (Ein) Highlight in der Reihe der Kulturfrühstücke war... in Schmidts Tivoli in Hamburg mit Sky du Mont und Harald Falckenberg."

    Die SPD und die Grünen hingegen haben ihre Stellungen in der Kulturpolitik geräumt. Unter Kanzler Gerhard Schröder schufen sie noch einen Kulturstaatsminister, einen Kulturausschuss, reformierten das Stiftungsgesetz, gründeten die Kulturstiftung des Bundes. Heute leiteten sie keine der Institutionen mehr und sind nun so still, dass sie nur knapp über der Wahrnehmbarkeitsgrenze zu existieren scheinen. Frank Walter Steinmeier erhöht immerhin die Gelder für Goethe-Institute und Auslandsschulen, die zuvor Joschka Fischer gestrichen hatte. Die böse Stiefschwesterpartei, die seit einem Jahr die Gespenster Oskar und Gregor umgehen lässt in Europa, die SED/PDS/WASG/Linke, will hingegen die Kultur als Agitpropbühne funktionalisieren, schreibt Oskar Lafontaine.

    "DIE LINKE ist bereit, konkrete politische Aktionen mit Künstlerinnen und Künstlern zu unternehmen. Warum zum Beispiel nicht bei einem Stück wie der 'Mutter Courage' Politiker der Linken mit den Schauspielern zusammenbringen und über den Krieg diskutieren lassen und hierzu auch den Bundesverteidigungsminister einladen?"

    Dass Kulturpolitik auf Bundesebene derzeit mehr ein Lavieren, ein Labern von Kultur in der Politik ist, als ein Umgehen mit konkreten Problemen, das stört auch den Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann. Natürlich, sagt er, hätten die Parteien Stellung nehmen können zu den handfesten, aktuellen Fragen der Kulturpolitik: Stichwort Kulturflatrate: Wie wird der Urheberschutz neu organisiert? Stichwort: Gatt-Vereinbarungen: Wackeln die Theatersubventionen durch internationale Freihandelsverpflichtungen? Stichwort: soziale Sicherung: Wie geht es weiter mit der Künstlersozialkasse? Zimmermann schickt diese Fragen an die Parteien und hofft auf Antworten vor der Wahl. Verbessern wird sich die Debattenkultur aber nur mit der Einrichtung eines Bundeskulturministeriums, sagt er.