Dschamil Nazari betreibt seit fast dreißig Jahren eine kleine Buchhandlung für schöngeistige Literatur in der Innenstadt von Damaskus. Eine Ausbildung zum Buchhändler hat er nie gemacht, denn die gibt es nicht in der arabischen Welt. Wichtig sei die Erfahrung und die Liebe zum Beruf, so Dschamil Nazari:
Der Beruf des Buchhändlers erfordert einen gewissen Grad an Bildung. Niemand kann eine Buchhandlung eröffnen, ohne ein gewisses Niveau an Bildung zu haben. Und es ist notwendig, dass der Buchhändler seine Arbeit liebt. Er muss die Verlagskataloge studieren, er muss die Titel und Preise kennen, muss sich um den Import kümmern, er muss die nationalen und internationalen Autoren kennen und vor allem: Er muss wissen, was die Kunden mögen, denn sonst bleibt er auf seinen Büchern sitzen.
Doch auch wenn Dschamil Nazari mittlerweile die Wünsche seiner Kunden kennt, so muss er auch oft passen. Denn besonders bei Neuerscheinungen sind Buchhändler in der arabischen Welt oft überfordert: Wenn ein Buch von einem Verlag neu herausgegeben wird, so erfährt der Buchhändler es meistens als letzter. Seine einzige Quelle sind die unzähligen Kataloge der Verlage. Anzeigen oder Besprechungen von neu erschienenen Büchern in lokalen Tageszeitungen sind selten. Verlagsvertreter, die in regelmäßigen Abständen die Buchhändler aufsuchen und dabei Neuerscheinungen ankündigen, gibt es gar nicht. Syrische Buchhändler arbeiten zudem ohne Computer und schreiben den Bestand ihrer Bücher noch rührend altmodisch in Heften auf.
In der libanesischen Hauptstadt Beirut ist man dagegen schon weiter: Hier arbeiten die meisten Buchhandlungen seit einigen Jahren mit Computerprogrammen. Doch auf der Suche nach einem Buch geben sie nur den Bestand der eigenen Buchhandlung an; bestellen kann man Bücher darüber nicht. In Deutschland gängige Buchkataloge wie das VLB oder Libri existieren in der arabischen Welt nicht, da die Bücher nicht erfasst werden. Und vor große Schwierigkeiten sehen sich die arabischen Buchhändler vor allem dann gestellt, wenn ein Kunde ein Buch aus einem anderen arabischen Land haben möchte: Ein Buch aus Ägypten beispielsweise erreicht Beirut oder Damaskus aufgrund der Zollbestimmungen und der schwierigen Vertriebswege frühestens in zwei Monaten – wenn überhaupt. Daher hat sich in der arabischen Welt eine Besonderheit herausgebildet: Die Buchmessen, die einmal im Jahr in den großen Hauptstädten stattfinden, und dabei einem riesigen Bücherbazar gleichen, so der deutsche Islamwissenschaftler Stefan Winkler:
In jedem Land gibt es eine große zentrale Buchmesse, da gehen die Leute einmal im Jahr hin und die geben dann jeweils ihr Jahresbudget aus für Bücher. Und dort, auf der Büchermesse in Kairo zum Beispiel, finden sie dann auch die Bücher aus Syrien, Jordanien, aus Marokko und so weiter.
In der arabischen Welt gibt es ein Sprichwort: "Bücher werden in Ägypten geschrieben, im Libanon gedruckt und im Irak gelesen." Die libanesische Druckkunst ist seit Jahrzehnten anerkannt in der Region des Nahen Ostens. Doch auch in dem einstigen Land der Dichter und Denker am Mittelmeer herrscht momentan - wie in der übrigen arabischen Welt - eine Krise der Lesekultur. Die meisten Buchhandlungen in Beirut bieten zwar ein exklusives Angebot, werden aber kaum besucht. Für Rana Idriss, Leiterin des größten libanesischen Verlages für Belletristik, Dar al-Adab in Beirut, liegen die Gründe hierfür vor allem in einer mangelnden Leseförderung:
Dies ist ein großes Problem. Es gibt bei uns keine öffentlichen Büchereien. Die Regierung hat kein Geld dafür, Bücher zu kaufen und sie einer Bücherei zur Verfügung zu stellen. Es gibt einige private Büchereien, aber die sind so klein, dass sie gar nicht auffallen. Und es gibt auch keine finanziellen Hilfen seitens des Staates für die Verlage, so dass diese die Bücher billiger verkaufen könnten und sie damit der Allgemeinheit besser zugänglich wären. Im Gegenteil, der Staat belegt uns noch mit hohen Steuern.
Bei einem so schlechten Leseverhalten kann ein Autor nicht von seiner Kunst allein leben:
Auf gar keinen Fall. Im Gegenteil: Er braucht einen zweiten Job. Zum Beispiel Elias Khoury, mit zehn veröffentlichten Romanen einer der bekanntesten Autoren in der arabischen Welt, der sich sehr gut verkauft. Doch auch er kann von seiner Kunst nicht leben. Er arbeitet außerdem als Journalist bei einer libanesischen Zeitung, er gibt Unterricht an der Universität und macht andere Dinge. Genauso ergeht es anderen bekannten Autoren: Sie haben alle noch einen zweiten Job, um überleben zu können.
Zum Beruf des Schriftstellers gehört in der arabischen Welt viel Idealismus, wenn nicht einmal die großen Autoren ihren Lebensunterhalt davon bestreiten können. Viele unbekannte Autoren zahlen zunächst aus eigener Tasche dafür, dass ihre Bücher überhaupt gedruckt werden. Die Honorare richten sich entweder nach der Seitenzahl oder nach der Anzahl der verkauften Exemplare, so der syrische Übersetzer und Literaturwissenschaftler Nabil Haffar:
Also, eine Auflage wird sehr hoch geschätzt, wenn die an die 3000 Exemplare kommt, bei einem sehr guten Roman. Bei einem Lyrikband höchstens 500-1000 Exemplare. Also, nämlich, man muss einen Vergleich machen zwischen dem Einkommen des Einzelnen und den Verkaufspreisen der Bücher. Also, ich persönlich, in vier Monaten gehe ich in Rente, also, das heißt, ich habe das höchste Gehalt im Staat, ich habe seit fünf Jahren aufgehört, Bücher zu kaufen, ich kann nicht mehr das machen.
Bei all diesen Problemen wundert man sich nicht, dass die arabische Welt in einer Krise der Lesekultur steckt. Und fragt sich, wie Verlage überleben können:
Verlage, die religiöse Literatur herausgeben, können sehr gut von ihrer Arbeit leben. Auch wir können gut von unserer Arbeit leben. Ich zum Beispiel kann nur als Verlegerin arbeiten und brauche keine zweite Arbeit nebenbei. Im Gegenteil, ich arbeite vierzehn Stunden am Tag und verdiene gut. Und dann gibt es Verleger, die Millionäre werden, mit großen Villen und Grundstücken. Doch die Mehrzahl die Verleger haben eher ein mittelmäßiges Einkommen und kommen über die Runden.
Der Beruf des Buchhändlers erfordert einen gewissen Grad an Bildung. Niemand kann eine Buchhandlung eröffnen, ohne ein gewisses Niveau an Bildung zu haben. Und es ist notwendig, dass der Buchhändler seine Arbeit liebt. Er muss die Verlagskataloge studieren, er muss die Titel und Preise kennen, muss sich um den Import kümmern, er muss die nationalen und internationalen Autoren kennen und vor allem: Er muss wissen, was die Kunden mögen, denn sonst bleibt er auf seinen Büchern sitzen.
Doch auch wenn Dschamil Nazari mittlerweile die Wünsche seiner Kunden kennt, so muss er auch oft passen. Denn besonders bei Neuerscheinungen sind Buchhändler in der arabischen Welt oft überfordert: Wenn ein Buch von einem Verlag neu herausgegeben wird, so erfährt der Buchhändler es meistens als letzter. Seine einzige Quelle sind die unzähligen Kataloge der Verlage. Anzeigen oder Besprechungen von neu erschienenen Büchern in lokalen Tageszeitungen sind selten. Verlagsvertreter, die in regelmäßigen Abständen die Buchhändler aufsuchen und dabei Neuerscheinungen ankündigen, gibt es gar nicht. Syrische Buchhändler arbeiten zudem ohne Computer und schreiben den Bestand ihrer Bücher noch rührend altmodisch in Heften auf.
In der libanesischen Hauptstadt Beirut ist man dagegen schon weiter: Hier arbeiten die meisten Buchhandlungen seit einigen Jahren mit Computerprogrammen. Doch auf der Suche nach einem Buch geben sie nur den Bestand der eigenen Buchhandlung an; bestellen kann man Bücher darüber nicht. In Deutschland gängige Buchkataloge wie das VLB oder Libri existieren in der arabischen Welt nicht, da die Bücher nicht erfasst werden. Und vor große Schwierigkeiten sehen sich die arabischen Buchhändler vor allem dann gestellt, wenn ein Kunde ein Buch aus einem anderen arabischen Land haben möchte: Ein Buch aus Ägypten beispielsweise erreicht Beirut oder Damaskus aufgrund der Zollbestimmungen und der schwierigen Vertriebswege frühestens in zwei Monaten – wenn überhaupt. Daher hat sich in der arabischen Welt eine Besonderheit herausgebildet: Die Buchmessen, die einmal im Jahr in den großen Hauptstädten stattfinden, und dabei einem riesigen Bücherbazar gleichen, so der deutsche Islamwissenschaftler Stefan Winkler:
In jedem Land gibt es eine große zentrale Buchmesse, da gehen die Leute einmal im Jahr hin und die geben dann jeweils ihr Jahresbudget aus für Bücher. Und dort, auf der Büchermesse in Kairo zum Beispiel, finden sie dann auch die Bücher aus Syrien, Jordanien, aus Marokko und so weiter.
In der arabischen Welt gibt es ein Sprichwort: "Bücher werden in Ägypten geschrieben, im Libanon gedruckt und im Irak gelesen." Die libanesische Druckkunst ist seit Jahrzehnten anerkannt in der Region des Nahen Ostens. Doch auch in dem einstigen Land der Dichter und Denker am Mittelmeer herrscht momentan - wie in der übrigen arabischen Welt - eine Krise der Lesekultur. Die meisten Buchhandlungen in Beirut bieten zwar ein exklusives Angebot, werden aber kaum besucht. Für Rana Idriss, Leiterin des größten libanesischen Verlages für Belletristik, Dar al-Adab in Beirut, liegen die Gründe hierfür vor allem in einer mangelnden Leseförderung:
Dies ist ein großes Problem. Es gibt bei uns keine öffentlichen Büchereien. Die Regierung hat kein Geld dafür, Bücher zu kaufen und sie einer Bücherei zur Verfügung zu stellen. Es gibt einige private Büchereien, aber die sind so klein, dass sie gar nicht auffallen. Und es gibt auch keine finanziellen Hilfen seitens des Staates für die Verlage, so dass diese die Bücher billiger verkaufen könnten und sie damit der Allgemeinheit besser zugänglich wären. Im Gegenteil, der Staat belegt uns noch mit hohen Steuern.
Bei einem so schlechten Leseverhalten kann ein Autor nicht von seiner Kunst allein leben:
Auf gar keinen Fall. Im Gegenteil: Er braucht einen zweiten Job. Zum Beispiel Elias Khoury, mit zehn veröffentlichten Romanen einer der bekanntesten Autoren in der arabischen Welt, der sich sehr gut verkauft. Doch auch er kann von seiner Kunst nicht leben. Er arbeitet außerdem als Journalist bei einer libanesischen Zeitung, er gibt Unterricht an der Universität und macht andere Dinge. Genauso ergeht es anderen bekannten Autoren: Sie haben alle noch einen zweiten Job, um überleben zu können.
Zum Beruf des Schriftstellers gehört in der arabischen Welt viel Idealismus, wenn nicht einmal die großen Autoren ihren Lebensunterhalt davon bestreiten können. Viele unbekannte Autoren zahlen zunächst aus eigener Tasche dafür, dass ihre Bücher überhaupt gedruckt werden. Die Honorare richten sich entweder nach der Seitenzahl oder nach der Anzahl der verkauften Exemplare, so der syrische Übersetzer und Literaturwissenschaftler Nabil Haffar:
Also, eine Auflage wird sehr hoch geschätzt, wenn die an die 3000 Exemplare kommt, bei einem sehr guten Roman. Bei einem Lyrikband höchstens 500-1000 Exemplare. Also, nämlich, man muss einen Vergleich machen zwischen dem Einkommen des Einzelnen und den Verkaufspreisen der Bücher. Also, ich persönlich, in vier Monaten gehe ich in Rente, also, das heißt, ich habe das höchste Gehalt im Staat, ich habe seit fünf Jahren aufgehört, Bücher zu kaufen, ich kann nicht mehr das machen.
Bei all diesen Problemen wundert man sich nicht, dass die arabische Welt in einer Krise der Lesekultur steckt. Und fragt sich, wie Verlage überleben können:
Verlage, die religiöse Literatur herausgeben, können sehr gut von ihrer Arbeit leben. Auch wir können gut von unserer Arbeit leben. Ich zum Beispiel kann nur als Verlegerin arbeiten und brauche keine zweite Arbeit nebenbei. Im Gegenteil, ich arbeite vierzehn Stunden am Tag und verdiene gut. Und dann gibt es Verleger, die Millionäre werden, mit großen Villen und Grundstücken. Doch die Mehrzahl die Verleger haben eher ein mittelmäßiges Einkommen und kommen über die Runden.