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Kein zweites Gorleben

Eigentlich war Horni Plana, mitten im Dreiländereck zwischen Tschechien, Österreich und Deutschland, ein beliebter Ferienort. Jetzt aber befürchten die Einheimischen das Ende der Idylle: Ein Atommüllendlager soll gebaut werden.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    Mittagszeit in Horni Plana, vor dem Supermarkt des 2000-Einwohner-Städtchens kläfft ohne Unterlass ein Terrier. Zwei Geschäfte weiter warten die Händler auf Kundschaft, aber niemand will Taucherbrillen oder Schwimmringe für den nahegelegenen Badesee kaufen. Dabei ist Horni Plana, mitten im Dreiländereck zwischen Tschechien, Österreich und Deutschland ein beliebter Ferienort. Jetzt aber befürchten die Einheimischen, ein Atommüllendlager vor die Nase gesetzt zu bekommen:

    "Das ist zwar ein Militärgelände da drüben, aber es gibt dort geschützte Vogelarten und Blumen, das würde alles vernichtet. Ich werde bei der nächsten Wahl eine Partei wählen, die gegen das Endlager eintritt."

    "Hier Atommüll hinter dem Haus zu haben, ist mit Sicherheit nichts Angenehmes. Das gefällt uns gar nicht. Ich habe dazu auch bereits eine Petition unterschrieben."

    Nicht einmal 30 Kilometer entfernt liegt auch die bei Touristen so beliebte Stadt Cesky Krumlov, die zum Weltkulturerbe der Unesco zählt. 20 Jahre hat der Staat uns eingebläut, wir sollten in Horni Plana auf den Tourismus setzen, erzählt Bürgermeister Jiri Hulka, und jetzt das: Atommüll mitten im Böhmerwald.

    "Ein geschütztes Gebiet wie den Böhmerwald für ein Atommüllendlager ins Auge zu fassen, das ist grotesk. Bei Gorleben würde doch auch niemand an ein Ausflugsziel denken. Jeder verbindet den Ort mit Atommüll."

    Bis vor kurzem wollten private Investoren noch neue Ferienwohnungen in der Gegend bauen, erzählt der Bürgermeister, Pläne, die sie nun erst einmal gestoppt hätten. Dass die Regierung der betroffenen Gemeinde im Falle eines Baus finanzielle Entschädigung verspricht, beruhigt im Rathaus niemanden. Eine ganze Stadt fühlt sich schlecht behandelt. Aus den Medien habe man von den Plänen erfahren müssen, empört sich Jiri Hulka. Eine Kritik, die in Prag durchaus auf Verständnis stößt. Dana Drabova ist Leiterin des landesweiten Amtes für Reaktorsicherheit:

    "Da hat der Staat zu Beginn Fehler gemacht, die jetzt offenbar schwer wieder gutzumachen sind. Entweder fand gar kein Austausch mit den Bürgern statt oder die Behörden sind derart aufgetreten, als seien die Gemeinden keine Partner. Das war ungeschickt."

    Neben Horni Plana sind für das Endlager noch sieben andere Orte im Gespräch, das zuständige Amt hat dort sogar schon einmal Bodenproben entnommen. Der Unmut der lokalen Bevölkerung war jedoch so groß, dass die Behörden erst einmal alle Untersuchungen einstellten und stattdessen zwei Militärgelände als Standort vorschlugen, unter anderem Boletice, nur wenige Kilometer von Horni Plana entfernt. Die tschechische Anti-AKW-Bewegung Calla plant jetzt, vor den Parlaments-Neuwahlen im Oktober im ganzen Land verstärkt Aktionen. Doch leicht haben die Gegner es nicht in einem Land wie Tschechien, wo die meisten Menschen für Atomkraft sind. Die Anti-AKW-Aktivistin Hana Gabrielova klingt zwar überzeugt, aber wenig kämpferisch:

    "Wir sind nicht gegen Endlager, denn es ist klar, dass man den Atommüll irgendwo lagern muss. Wir sind gegen Atomkraft an sich. Es ist nämlich nicht einzusehen, warum jeder, der in diesem Land ein Haus bauen will, die Frage der Abfallentsorgung klären muss. Temelin wurde aber erlaubt, obwohl genau diese Frage offen ist."

    Nach mehreren Störfällen gilt das Kernkraftwerk Temelin vor allem in Österreich und Deutschland als Risiko. Das geplante Atommüllendlager sorgt dort nun für neue Verstimmungen. Konkretere Pläne zum weiteren Verfahren werden allerdings erst nach den Neuwahlen im Herbst auf den Tisch kommen, und auch dann ist der Zeitplan langfristig: Frühestens 2015 soll entschieden werden, ob ein Endlager gebaut wird, die Fertigstellung könnte sich dann bis zum Jahr 2065 hinziehen. Doch die Diskussion ist in Tschechien bereits in vollem Gange.