"Das ist nicht wirklich eine Emigration. Wenn ich nach Frankreich gehe, dann nicht, um dort zu bleiben, sondern in erster Linie zum Studium. Ich will dort gut studieren und viel lernen, und dann das, was ich dort gelernt habe, vielleicht hierher zurück mitbringen, und hier vielleicht meinen Beruf ausüben. Im Bereich der Musik ist das alles andere als einfach. Hier in Marokko ist die Musikszene nicht gerade hoch entwickelt – besonders der Klassikbereich. Erst Mal soll es eine gute Ausbildung in Geige und Gesang werden und Musik allgemein. Dann will ich dort bleiben, um erste Arbeitserfahrungen zu machen und dann hierher zurückkommen und entweder weiter Berufserfahrung sammeln oder gleich unterrichten."
Gerade mal 17 Jahre, strahlende Augen, voller Optimismus und ein bißchen traurig, dass sie Freunde und Heimat verlassen muss. Hasnaa Bennani aus Rabat gehört zu den tausenden, die jedes Jahr Marokko verlassen – nicht auf wackeligen Booten oder in Lastwagen gepfercht, sondern ganz legal. Ziel: Ausbildung und Karriere im Ausland – und dann wieder heim – vielleicht..
Seit 2 Jahren weiß die talentierte Sängerin schon, dass sie die Musik zu ihrem Beruf machen will – in Marokko, sagt sie, geht das nicht.
"Hier gibt es nicht genügend Lehrer. Es gibt welche – Gesang lerne ich bei meiner Schwester, die Lehrerin ist und fürs Klavier habe ich einen ungarischen Lehrer, aber es gibt nicht genügend für eine richtige Berufsausbildung. Dazu muss man ins Ausland gehen. Eigentlich würde ich gerne hier bleiben, ich liebe mein Land, aber es gibt einfach keine andere Möglichkeit als das Ausland."
Hasnaa Bennani gehört zu den Privilegierten unter Marokkos Jugend: ihre Eltern haben sie für viel Geld auf die französische Schule geschickt – von dort geht der Karriereweg der allermeisten direkt nach Frankreich. Von dort zurück nach Marokko – und weil sie auf der richtigen Schule waren, auf der richtigen Uni und den richtigen Familiennamen tragen, werden sie dann in Rabat die Elite stellen.
"Aber wenn ich mit Leuten rede, die nicht bei mir auf der Schule sind, da merke ich, wie die alles hier zurücklassen wollen. Es war in erster Linie nur studieren und vor allem: fertig werden. Das Zurückkehren war natürlich im Hintergrund immer präsent, weil es hier in Marokko unter Umständen viel schöner sein könnte."
Abdelouahad El Fakhia war 20, als er nach Deutschland ging – damals musste es einfach Deutschland sein, er wollte schließlich Ingenieur werden. Jetzt sitzt er in einem Café in der Millionenstadt Casablanca. In seiner Wohnung stehen Umzugskartons – nach 20 Jahren wagt er den Sprung zurück .
"Als ich 14 Jahre alt war, hatte ich ein Fahrrad. Natürlich hat man Werkzeuge. Alle sind kaputt gegangen, bis auf ein paar wo draufstand: Made in Germany. Da ich Ingenieur sein wollte, war mir ganz eindeutig: es muss eine deutsche Universität sein und andererseits: es muss nicht Frankreich sein, weil das wäre Marokko im Exil."
Nach dem Studium hat er gleich einen Job gekriegt – und eigentlich, sagt er, wollte er gar nicht unbedingt jetzt zurück ins alte Vaterland.
"Ich wäre auch noch da geblieben, wenn es nicht dazu gekommen ist, dass sie Polen und Tschechien als Standort bevorzugen. Meine Firma ist immer noch in Köln, aber nur bis zum Jahresende, sprich: Dezember 2005 schließen die Türen. Nachdem ich erfahren habe, dass die Firma schließt, habe ich mich umgeguckt auf dem Markt und ich habe dann festgestellt, Stellen für Hochqualifizierte, gibt’s nicht viele Angebote und wenn, dann sind sie schlecht bezahlt und natürlich habe ich gesagt, also muss ich mich ein bisschen umschauen. Und wenn es dann München ist statt Köln, dann könnte es auch Dubai sein. Von daher habe ich nichts ausgeschlossen, ich habe in Deutschland, Frankreich und Marokko geschaut und in Marokko war ich sehr überrascht, dass ich doch ein sehr sehr gutes Angebot bekommen habe, viel besser als das, was ich in Deutschland hatte."
Mittlerweile ist er Deutscher geworden und muss sich erst wieder an Marokko gewöhnen.
"Ich fange hier praktisch bei Null an, nur mein Vorteil, dass ich die Landessprache kenne. Und das ist alles. Alles andere wird wirklich bei Null angefangen."
MRE nennt das offizielle Marokko Menschen wie El Fakhia – Marokkaner mit Wohnsitz im Ausland. Sie sind es, die mit ihren Überweisungen die Devisen ins Land und die Außenhandelsbilanz in Ordnung bringen. Jetzt im Sommer reisen sie millionenfach in die alte Heimat zurück. Viele von ihnen sind der Meinung: in Marokko kann man wunderbar Urlaub machen - aber leben? Besser nicht.
Doch seit es in Frankreich und Deutschland nicht mehr so rund läuft mit der Wirtschaft, kehren nicht wenige in das Land ihrer Kindheit zurück – und hoffen auf einen neuen Start.
Taufik Benbrahim zum Beispiel. Der 34-Jährige ist vor ein paar Wochen von Paderborn nach Casablanca gezogen – weil er seinen Wunschberuf in Deutschland nicht gefunden hat:
"Die meisten Leute denken immer noch, die Karriere ist im Ausland. Aber meine Überzeugung: Karriere kann man überall machen. Es liegt an die Person selbst, welche Qualifikation hat man."
Seine marokkanischen Freunde in Deutschland haben den Kopf geschüttelt, als er ihnen sagte, dass er geht.
"Die meisten haben Angst zurückzukehren und sehen, dass ich ein Risiko eingehe und dass ich sehr mutig bin. Wie kann ich das machen? Viele Leute verstehen das nicht. Wie kann ich Deutschland verlassen und nach Marokko zurück zu kehren?"
Das kanadische Konsulat in der Hauptstadt Rabat. Eine Stadtvilla mit Garten, vor dem Tor stehen hauptsächlich junge Marokkaner an – zweimal in der Woche können sie ihre Anträge auf Studium oder Emigration abgeben. Seit Jahren verschärfen die europäischen Länder die Einreisebedingungen für Marokkaner. Die armen und Verzweifelten, die besessen sind von der Idee, dass in Europa alles besser ist, die können die Europäer damit nicht von dem Versuch abhalten, irgendwie nach Frankreich oder Deutschland zu kommen.
Die anderen, die gut ausgebildeten, mit Fremdsprachenkenntnissen und gutem Abitur, die stehen hier: Kanada statt Frankreich, USA statt Deutschland: Amerika steht in der Emigrationswunschliste vieler Marokkaner ganz weit oben.
"Das ist der Traum vieler Marokkaner, aber wenn sie erst Mal da sind, dann ändert sich das schnell. Vor allem das Klima, das ist das schlimmste. Minus 30 Grad, das ist deprimierend!"
Badr Zinedine studiert seit 2 Jahren in Montreal. Weil seine Schwester da wohnt, sagt er. Im Gegensatz zu seiner Schwester will er, sobald es geht, wieder zurück. Seine Freunde sagen ihm, er sei verrückt.
"Die haben ja auch nie da drüben gelebt! Die finden, dass ich ein Glückspilz bin, weil ich ausgewandert bin. Aber wenn sie gehen würden, würden sie sehen, dass das gar nichts besonderes ist!''
Eine marokkanische Wirtschaftszeitung hat verglichen: wer mit einem ausländischen Diplom einen Job ergattert, verdient bis zu 50 Prozent mehr als jemand mit einheimischem Abschluss. Daran denkt der 27-jährige Boubker Ghandour aus Casablanca noch nicht. Er hat in Frankreich studiert und arbeitet seit zwei Jahren in Montreal in einem Forschungslabor.
"Das ist eine Frage, die wir uns alle stellen: Gehe ich zurück in mein Land, bleibe ich hier? Ich denke, jeder Mensch sucht, was für ihn das beste ist und das hängt von der Lebensqualität ab. Wenn mir also ein Land eine gewisse Lebensqualität bietet, warum nicht dort bleiben?"
Viele junge Marokkaner denken wie er, aber nur wenige sagen es. Ins Ausland gehen, das bedeutet für viele auch: raus der Enge, der Kontrolle von Familie und Nachbarn. Europa oder Kanada – das bedeutet für sie nicht nur Karriere, sondern auch: ein Traum von Freiheit.
Abdelouahad El Fakhia hat seiner Wahlheimat Deutschland erst mal den Rücken gekehrt. Aber wenn sein neues Leben in Casablanca nicht so funktioniert, hat er ein Hintertürchen: "Dann gehe ich nach Hause."
Gerade mal 17 Jahre, strahlende Augen, voller Optimismus und ein bißchen traurig, dass sie Freunde und Heimat verlassen muss. Hasnaa Bennani aus Rabat gehört zu den tausenden, die jedes Jahr Marokko verlassen – nicht auf wackeligen Booten oder in Lastwagen gepfercht, sondern ganz legal. Ziel: Ausbildung und Karriere im Ausland – und dann wieder heim – vielleicht..
Seit 2 Jahren weiß die talentierte Sängerin schon, dass sie die Musik zu ihrem Beruf machen will – in Marokko, sagt sie, geht das nicht.
"Hier gibt es nicht genügend Lehrer. Es gibt welche – Gesang lerne ich bei meiner Schwester, die Lehrerin ist und fürs Klavier habe ich einen ungarischen Lehrer, aber es gibt nicht genügend für eine richtige Berufsausbildung. Dazu muss man ins Ausland gehen. Eigentlich würde ich gerne hier bleiben, ich liebe mein Land, aber es gibt einfach keine andere Möglichkeit als das Ausland."
Hasnaa Bennani gehört zu den Privilegierten unter Marokkos Jugend: ihre Eltern haben sie für viel Geld auf die französische Schule geschickt – von dort geht der Karriereweg der allermeisten direkt nach Frankreich. Von dort zurück nach Marokko – und weil sie auf der richtigen Schule waren, auf der richtigen Uni und den richtigen Familiennamen tragen, werden sie dann in Rabat die Elite stellen.
"Aber wenn ich mit Leuten rede, die nicht bei mir auf der Schule sind, da merke ich, wie die alles hier zurücklassen wollen. Es war in erster Linie nur studieren und vor allem: fertig werden. Das Zurückkehren war natürlich im Hintergrund immer präsent, weil es hier in Marokko unter Umständen viel schöner sein könnte."
Abdelouahad El Fakhia war 20, als er nach Deutschland ging – damals musste es einfach Deutschland sein, er wollte schließlich Ingenieur werden. Jetzt sitzt er in einem Café in der Millionenstadt Casablanca. In seiner Wohnung stehen Umzugskartons – nach 20 Jahren wagt er den Sprung zurück .
"Als ich 14 Jahre alt war, hatte ich ein Fahrrad. Natürlich hat man Werkzeuge. Alle sind kaputt gegangen, bis auf ein paar wo draufstand: Made in Germany. Da ich Ingenieur sein wollte, war mir ganz eindeutig: es muss eine deutsche Universität sein und andererseits: es muss nicht Frankreich sein, weil das wäre Marokko im Exil."
Nach dem Studium hat er gleich einen Job gekriegt – und eigentlich, sagt er, wollte er gar nicht unbedingt jetzt zurück ins alte Vaterland.
"Ich wäre auch noch da geblieben, wenn es nicht dazu gekommen ist, dass sie Polen und Tschechien als Standort bevorzugen. Meine Firma ist immer noch in Köln, aber nur bis zum Jahresende, sprich: Dezember 2005 schließen die Türen. Nachdem ich erfahren habe, dass die Firma schließt, habe ich mich umgeguckt auf dem Markt und ich habe dann festgestellt, Stellen für Hochqualifizierte, gibt’s nicht viele Angebote und wenn, dann sind sie schlecht bezahlt und natürlich habe ich gesagt, also muss ich mich ein bisschen umschauen. Und wenn es dann München ist statt Köln, dann könnte es auch Dubai sein. Von daher habe ich nichts ausgeschlossen, ich habe in Deutschland, Frankreich und Marokko geschaut und in Marokko war ich sehr überrascht, dass ich doch ein sehr sehr gutes Angebot bekommen habe, viel besser als das, was ich in Deutschland hatte."
Mittlerweile ist er Deutscher geworden und muss sich erst wieder an Marokko gewöhnen.
"Ich fange hier praktisch bei Null an, nur mein Vorteil, dass ich die Landessprache kenne. Und das ist alles. Alles andere wird wirklich bei Null angefangen."
MRE nennt das offizielle Marokko Menschen wie El Fakhia – Marokkaner mit Wohnsitz im Ausland. Sie sind es, die mit ihren Überweisungen die Devisen ins Land und die Außenhandelsbilanz in Ordnung bringen. Jetzt im Sommer reisen sie millionenfach in die alte Heimat zurück. Viele von ihnen sind der Meinung: in Marokko kann man wunderbar Urlaub machen - aber leben? Besser nicht.
Doch seit es in Frankreich und Deutschland nicht mehr so rund läuft mit der Wirtschaft, kehren nicht wenige in das Land ihrer Kindheit zurück – und hoffen auf einen neuen Start.
Taufik Benbrahim zum Beispiel. Der 34-Jährige ist vor ein paar Wochen von Paderborn nach Casablanca gezogen – weil er seinen Wunschberuf in Deutschland nicht gefunden hat:
"Die meisten Leute denken immer noch, die Karriere ist im Ausland. Aber meine Überzeugung: Karriere kann man überall machen. Es liegt an die Person selbst, welche Qualifikation hat man."
Seine marokkanischen Freunde in Deutschland haben den Kopf geschüttelt, als er ihnen sagte, dass er geht.
"Die meisten haben Angst zurückzukehren und sehen, dass ich ein Risiko eingehe und dass ich sehr mutig bin. Wie kann ich das machen? Viele Leute verstehen das nicht. Wie kann ich Deutschland verlassen und nach Marokko zurück zu kehren?"
Das kanadische Konsulat in der Hauptstadt Rabat. Eine Stadtvilla mit Garten, vor dem Tor stehen hauptsächlich junge Marokkaner an – zweimal in der Woche können sie ihre Anträge auf Studium oder Emigration abgeben. Seit Jahren verschärfen die europäischen Länder die Einreisebedingungen für Marokkaner. Die armen und Verzweifelten, die besessen sind von der Idee, dass in Europa alles besser ist, die können die Europäer damit nicht von dem Versuch abhalten, irgendwie nach Frankreich oder Deutschland zu kommen.
Die anderen, die gut ausgebildeten, mit Fremdsprachenkenntnissen und gutem Abitur, die stehen hier: Kanada statt Frankreich, USA statt Deutschland: Amerika steht in der Emigrationswunschliste vieler Marokkaner ganz weit oben.
"Das ist der Traum vieler Marokkaner, aber wenn sie erst Mal da sind, dann ändert sich das schnell. Vor allem das Klima, das ist das schlimmste. Minus 30 Grad, das ist deprimierend!"
Badr Zinedine studiert seit 2 Jahren in Montreal. Weil seine Schwester da wohnt, sagt er. Im Gegensatz zu seiner Schwester will er, sobald es geht, wieder zurück. Seine Freunde sagen ihm, er sei verrückt.
"Die haben ja auch nie da drüben gelebt! Die finden, dass ich ein Glückspilz bin, weil ich ausgewandert bin. Aber wenn sie gehen würden, würden sie sehen, dass das gar nichts besonderes ist!''
Eine marokkanische Wirtschaftszeitung hat verglichen: wer mit einem ausländischen Diplom einen Job ergattert, verdient bis zu 50 Prozent mehr als jemand mit einheimischem Abschluss. Daran denkt der 27-jährige Boubker Ghandour aus Casablanca noch nicht. Er hat in Frankreich studiert und arbeitet seit zwei Jahren in Montreal in einem Forschungslabor.
"Das ist eine Frage, die wir uns alle stellen: Gehe ich zurück in mein Land, bleibe ich hier? Ich denke, jeder Mensch sucht, was für ihn das beste ist und das hängt von der Lebensqualität ab. Wenn mir also ein Land eine gewisse Lebensqualität bietet, warum nicht dort bleiben?"
Viele junge Marokkaner denken wie er, aber nur wenige sagen es. Ins Ausland gehen, das bedeutet für viele auch: raus der Enge, der Kontrolle von Familie und Nachbarn. Europa oder Kanada – das bedeutet für sie nicht nur Karriere, sondern auch: ein Traum von Freiheit.
Abdelouahad El Fakhia hat seiner Wahlheimat Deutschland erst mal den Rücken gekehrt. Aber wenn sein neues Leben in Casablanca nicht so funktioniert, hat er ein Hintertürchen: "Dann gehe ich nach Hause."