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Keine Angst vor dem neuen Geschmack

Rund achteinhalb Kilogramm Schokolade isst jeder Deutsche laut Statistik pro Jahr, Tendenz steigend. Vor allem qualitativ hochwertige Sorten erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, also Sorten mit einem hohen Kakaogehalt. Doch zum Beispiel bei der Firma Herza in Norderstedt bei Hamburg prüfen Geschmackstester auch immer wieder neue Kreationen.

Von Britta Freith | 12.06.2006
    Acht kleine Silbertabletts stehen auf dem weißen Tisch im schlichten Konferenzraum des Schokoladen- und Süßwarenherstellers Herza. Vor ihnen sitzen acht Mitarbeiter der Firma und warten auf das Signal zuzugreifen. Denn auf den Tabletts liegen neun unbekannte Schoko-Kreationen, die Sandra Kohlenberg zusammen mit ihrer Kollegin Bodil Trellert entwickelt hat.

    "Also mit Marzipan-Mohn oben links geht es los. Dann kommt die Fruchtschokolade, dann kommt die Cranberry-Gelette, Lebkuchenstern, dann der Trüffelkirschgelee, dann die Vollmilchplätzchen, Ingwerstäbchen ist das Bestreute, und der dragierte Pfeffer. Ich würde sagen: Einfach loslegen, verkosten, kurze Notiz machen - und hinterher können wir drüber schnacken."

    Die richtige Reihenfolge beim Verkosten ist wichtig, damit die intensiveren Aromen nicht die zarten überdecken. Nicht professionelle Produkttester, sondern ein Team aus Verkauf und Produktion entscheidet bei Herza, welche Produkte es vielleicht einmal bis zum Kunden schaffen. Normalerweise sind das höchstens zehn Prozent der hier getesteten Pralinen und Schokoladen. Christian Laucht aus der Auftragsbearbeitung beurteilt nach einem vorsichtigen Bissen die Kreation mit Mohn.

    "Also erstmal grundsätzlich der erste Eindruck, und dann nimmt man das irgendwie so für sich auseinander: Was gefällt mir daran besonders? Oder was könnte mir daran doch nicht gefallen? Geschmäcker, Textur, dann kommt immer noch das Aussehen dazu: Das Auge isst auch mit. Den Gesamteindruck.""

    Konzentrierte Stille, Bleistifte kratzen auf den Zetteln. Dann kommt Leben ins Verkosten:

    "Jetzt mal was Extremes."

    "Oh, Jesus! Überraschend auf jeden Fall."

    "Ist das bunter Pfeffer? Roter? Ist aber relativ mild, nicht?"

    "Jaja, so in Eis ist das vielleicht eine spannende Sache. Ansonsten wüsste ich nicht, wo man das einsetzen sollte."

    Wir haben jetzt noch grünen Pfeffer, den wollen wir noch mal dragieren lassen mit weißer Milchcreme, der ist ein bisschen milder. Ja, mal gucken."

    Neue Ideen müssen her, denn der Markt ist auch bei Süßwaren sehr kurzlebig geworden, sagt Betriebsleiter Andreas Broocks. Neben ausgefallenen Geschmacksrichtungen spielen auch hochwertige Bitterschokoladen eine immer größere Rolle.

    "Ja, das ist nicht nur der Ruf nach Qualität: Ganz entscheidend ist der Gesundheitsaspekt dabei auch. Mittlerweile hat man ja erkannt, dass Kakao auch einen gewissen Gesundheitswert hat, und je höher der Anteil ist, desto höher natürlich auch dieser Wert. Und desto geringer, das ist der Umkehrschluss, desto geringer ist der Zuckergehalt."

    Wellness heißt ein Trend n aktuelle Schokoladenvariationen gibt es daher auch mit Aloe Vera, Cranberry oder grünem Tee. Bei Schokoladen mit Chili oder Pfeffer greift die Industrie auf den Ursprung der Schokoladenzeit zurück: Bereits ihre Erfinder, die Maya und Inka, setzten diese Zutaten ein. Der Markt ist allerdings eher klein, sagt Brooks.

    "Die Zutaten sind natürlich auch entsprechend hochwertig und zum Teil teuer, und die Losgrößen sind gering, das ist so eine Nische im Confiserie-Fachhandel, würde ich sagen."

    Anregungen für neue Pralinen, Tafeln oder Müsli-Beimischungen gibt auch die Zulieferindustrie, sagt Produktentwicklerin Sandra Kohlenberg.

    "Man braucht keine Angst haben, dass man irgendwas nicht bekommt: Hier war Lemon-Mint-Aroma zum Beispiel, Glühwein-Aroma, Granatapfel-Vitality-Aroma. Also, die Aromenfirmen lassen sich auch schon eine Menge einfallen, dass man mal wieder eine neue Idee hat. Manchmal ist es auch einfach: Bei jemandem auf die Internetseite gehen und gucken, was es da für Geschmäcker gibt, und dann kann man da ein bisschen was machen."

    Auf alle Fälle braucht man für diesen Job Kreativität - und manchmal viel Mut beim Probieren.

    "Manchmal kommen mir Ideen zuhause beim Kochen oder so, und dann denk ich: 'Vielleicht kann man das auch mal mit Schokolade machen.' Und dann haben wir das halt mit der Tomate mal ausprobiert. Weil ich dachte: 'Mensch, Tomate ist ja vielleicht auch mal ein Trend# Und Tomaten sind ja auch gesund, sind ja auch viele Sachen drin, die antioxidativ wirken - aber es war geschmacklich nicht ausreichend."

    Bereits in Griffweite von Sandra Kohlenberg steht ein Olivenöl-Pulver. Sobald etwas Zeit ist, will sie damit die nächsten Schokoladenversuche beginnen.