Samstag, 27. April 2024

Archiv


Keine auf einen Streich

Biologie. - Warum ist es eigentlich so schwer, eine Fliege mit der Hand zu fangen oder mit einer Fliegenklatsche zu erwischen? Hat das lästige Insekt einen sechsten Sinn oder spürt es rechtzeitig den feinen Lufthauch des Angreifers? US-Biologen fanden jetzt des Rätsels Lösung.

Von Monika Seynsche | 26.09.2008
    Wenn Michael Dickinson anfängt, über Fliegen zu reden, gerät er binnen eines Satzes ins Schwärmen.

    "Ich weiß, für die meisten Menschen sind Fliegen nichts anderes als nervige kleine Kreaturen, aber meiner Ansicht nach sind es fantastische winzige Maschinen. Sie sind die wohl ausgefeiltesten Fluggeräte der Welt, aber zugleich können sie auch noch alles, was andere Tiere auch tun, Nahrung suchen, Partner finden, sich fortpflanzen – und das alles mit einem Gehirn das nicht größer ist als ein Mohnsamen! Das ist doch wirklich erstaunlich. Für mich ist es eine der größten intellektuellen Herausforderungen überhaupt zu verstehen, wie Fliegen funktionieren."

    Zusammen mit seiner Kollegin Gwyneth Card hat der Forscher vom California Institute of Technology in Pasadena deshalb versucht, 147 Fruchtfliegen zu erschlagen.

    "Erst mal müssen Sie die Fliegen davon überzeugen, dass sie auf eine kleine offene Plattform hinauslaufen. Die ist durchsichtig, so dass Sie die Fliegen auch von unten beobachten können und genau sehen, was die Beine machen."

    Dann ließen die Forscher eine elektronische Fliegenklatsche auf die kleinen Probanden herabsausen und beobachteten mit Hilfe von Hochgeschwindigkeitskameras, wie die Fliegen auf die Gefahr reagierten – zerteilt in 5400 Bilder, die die Kameras pro Sekunde schossen.

    "Wir hatten vermutet, dass die Fliegen einfach kopflos in die Luft springen, wenn sie die Fliegenklatsche sehen, aber sie sind viel cooler. Sie überlegen erst mal, woher die Klatsche genau kommt und vollführen dann ein geradezu gymnastisches Manöver mit ihren Beinen und ihrem Körper so dass, wenn sie dann losspringen, sie sich selbst in die entgegen gesetzte Richtung der Fliegenklatsche katapultieren. Ein so vorausschauendes motorisches Verhalten erwartet man eigentlich eher bei Wirbeltieren, aber Fliegen machen es genauso."

    Die Fliegen vollführten ihr gymnastisches Manöver auch dann, wenn die Forscher einen Windschutz über ihnen einbauten, so dass die Tiere den Luftzug der herannahenden Fliegenklatsche nicht mehr wahrnehmen konnten. Ihnen reicht es also, die Gefahr zu sehen. Den meisten jedenfalls. 17 Tiere sahen in der herabsausenden Fliegenklatsche offensichtlich keine Gefahr und blieben einfach sitzen. Fliegen sind klein, verfügen weder über einen effektiven Panzer noch über Gift und dienen vielen anderen Tieren als Nahrung. Dass sie unter diesen Bedingungen einen ausgeklügelten Fluchtmechanismus entwickelt haben, ist nicht gerade überraschend. Das muss auch Michael Dickinson zugeben.

    "Aber ihr Fluchtverhalten ist viel komplizierter als wir gedacht hätten, und nur sichtbar durch diese Hochgeschwindigkeitskameras. Denn die ganze Reaktion spielt sich innerhalb von einer Zehntelsekunde ab, also innerhalb eines einzigen menschlichen Lidschlags."

    Die schnellsten je bei Menschen gemessenen Reaktionszeiten liegen bei etwa einer viertel Sekunde. Wir reagieren also nicht einmal halb so schnell wie eine Fliege.

    "Wir wollen jetzt untersuchen, wie die Schaltkreise im Fliegengehirn funktionieren, die dafür verantwortlich sind, dass das Bild der herannahenden Fliegenklatsche umgesetzt wird in dieses komplexe Bewegungsmuster der Beine."