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Keine Chance für Schummler

Medizin. - Anabole Hormone lassen Muskeln nicht nur bei Sportlern wachsen, sondern auch beim Mastvieh, das dann wiederum mehr für den Züchter abwirft. Um modernes Doping im Stall noch zuverlässiger aufzudecken, setzen Mediziner auf ein neues Verfahren.

Von Hellmuth Nordwig |
    Weniger Fett, dafür bis zu einem Drittel mehr Muskeln: So verändert sich der Körperbau durch die Einnahme von Anabolika. Eine Versuchung, der nicht nur Sportler erliegen. In der Tiermast bedeutet mehr und zudem mageres Fleisch bares Geld für den Züchter. Doch Rind und Schwein mit Anabolika zu mästen, ist verboten, eben weil diese Substanzen auch den menschlichen Stoffwechsel beeinflussen. Deshalb werden Schlachttiere auf Anabolikaspuren getestet, sagt Heinrich Meyer, Professor für Physiologie an der TU München.

    "Bei den bisher eingesetzten Tests werden die und nur die Substanzen erfasst, die in dem analytischen System identifiziert werden können. Neue, bisher unbekannte Substanzen können nicht erfasst werden."

    Deshalb haben Heinrich Meyer und seine Mitarbeiter einen gänzlich neuartigen Test entwickelt. Er weist nicht die verbotenen Anabolika selbst nach, sondern deren Wirkung. Nämlich auf den Stoffwechsel in Geweben, die für den Einfluss der Anabolika besonders empfänglich sind: Gebärmutter, Leber und nicht zuletzt Muskelfleisch. In den Zellen dieser Gewebe sorgen die Anabolika dafür, dass eine ganze Palette von Genen verstärkt abgelesen wird.

    "Beispielsweise sind es Hormonrezeptoren, der Androgen- oder die Glucocorticoid-Rezeptoren. Oder auch andere Gene, die im Zusammenhang mit dem Zellstoffwechsel stehen, und eben auch Faktoren, die im Zusammenhang mit der Zellteilung oder dem Zelltod eine Bedeutung haben."

    Das Nachweisverfahren funktioniert nun folgendermaßen: Eine Gewebeprobe wird zerkleinert und daraus eine bestimmte Sorte Nukleinsäuren gewonnen, die so genannte Boten-RNA. Sie entsteht jeweils dann, wenn Erbinformation abgelesen wird und zeigt somit, welche Gene gerade aktiv sind. Die Forscher fahnden dabei gezielt nach den Abschnitten im Erbgut, die von Anabolika beeinflusst werden können. Ist deren Boten-RNA in einer Probe vorhanden, kann sie dort durch einen chemischen Trick vermehrt und anschließend nachgewiesen werden. Wie unter einer Lupe zeigt sich dann zweifelsfrei, dass die Aktivität bestimmter Gene ungewöhnlich hoch war – was nur durch Doping im Tierstall zu erklären ist. Jedes Gen, das in Frage kommt, wird dabei einzeln getestet.

    "Die Weiterentwicklung der Methodik, an der wir arbeiten, geht auf so genannte PCR-Arrays hinaus. Das heißt, dass wir alle interessanten Gene in einem einzigen Schritt verstärken können und damit eine Probe in einem Schritt analysieren können."

    Bisher haben die Forscher rund 40 Rinder untersucht, die mit drei verschiedenen Anabolika behandelt worden waren. Eine "Machbarkeitsstudie" nennen sie das in ihrer Veröffentlichung. Bevor daraus ein Routinetest für den Schlachthof wird, müssen die Ergebnisse noch an einer größeren Zahl von Tieren abgesichert werden. Im Prinzip würde sich das Verfahren auch zur Dopingkontrolle bei Sportlern eignen, sagt Heinrich Meyer, doch es besteht dabei ein gravierendes Hindernis:

    "Das Problem beim Menschen ist, dass wir nicht an die Gewebe direkt herankönnen, sondern mit dem Blut arbeiten müssen. Das Blut ist nicht ein primäres Zielorgan für Anabolika und die Effekte sind nicht so massiv. Wir haben auch mit Blut von Rindern erste Studien durchgeführt."

    Auch diese Ergebnisse sind ermutigend. Doch vorerst ist noch kein Dopingtest in Sicht, der die Veränderungen im Stoffwechsel der Athleten erfasst.