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Keine Entwarnung für Kaschmir

Geologie. - Zwei Tage nach dem verheerenden Erdbeben in Süd-Asien wird das Ausmaß der Katastrophe immer erschreckender. Allein in Pakistan kamen nach offiziellen Schätzungen vermutlich rund 40.000 Menschen ums Leben, etwa ebenso viele wurden verletzt. Experten hatten allerdings lange mit einem schweren Beben gerechnet.

Von Dagmar Röhrlich | 10.10.2005
    Es ist eine ungeheure Kollision, die sich da seit Jahrmillionen zwischen dem indischen Subkontinent und dem massigen Block von Eurasien abspielt. Mit vier bis fünf Zentimetern pro Jahr drängt die indische Platte nach Norden, rammt sich nach Eurasien hinein, und ganz ähnlich wie bei einem Autocrash gibt es auch hier eine Knautschzone: nämlich die höchsten Gebirge der Welt. In diesem Bogen von Himalaya, Hindukusch, Pamir und Karakorum ist die Erde besonders aktiv. Unvorstellbar hohe Spannungen bauen sich auf, die sich immer wieder in gefährlichen Erdbeben entladen. Magnitude 8 und mehr ist möglich. Allein im vergangenen Jahrhundert ereigneten sich entlang der Kollisionszone vier solcher Megabeben.

    Das Schlimmste ist, dass keine Entwarnung gegeben werden kann. Oft bedeuten Beben dieser Größenordnung, dass sich die tektonische Lage an einer Störung wieder entspannt. Für diese Knautschzone zwischen den beiden Platten gilt das nicht. Seit Jahren beobachten Geophysiker, dass sich die Spannungen im Untergrund höher und höher aufbauen. Sie warnen, dass sehr große Beben nur eine Frage der Zeit sind. Das Ereignis vom vergangenen Samstag war nicht stark genug, um den Stress zu entspannen, erklärt der Seismologe Roger Bilham von der University of Colorado. Vielmehr sei das nur ein Weckruf für Indien und Pakistan gewesen vor dem, was sich da zusammenbraut. Und er erklärt, dass sich die beiden Länder ihrem gemeinsamen Feind stellen müssten.

    Ob dieser Appell allerdings die Verantwortlichen wachrüttelt, ist fraglich. Obwohl die Gefahr seit Jahrzehnten bekannt ist, geschieht nichts. Die Forderungen von Experten nach erdbebensicheren Bauen bleiben unbeachtet. Mehrgeschossige Bauten und selbst öffentliche Gebäude wie Schulen werden aus Lehmziegeln errichtet. Wenn es bebt, begraben sie die Menschen unter sich. Auch moderne Betonhäuser sind zusammengefallen, ähnlich wie bei den Beben vor einigen Jahren in der Türkei und in Griechenland. Pfusch am Bau kann in seismisch aktiven Gebieten tödlich sein. Was jetzt an Gebäuden neu errichtet wird, müsste den Beben besser widerstehen, hoffen Ingenieure. Das Beispiel Japan zeigt, was erdbebensicheres Bauen erreichen kann.