Novy: Sie haben eben dargelegt, wie die Logik des Leistungssports unerbittlich auf Doping zutreibt. Aber was ist denn Ihre Alternative? Hier geht es ja ums Grundsätzliche, es geht auch um Moral. Was Sie jetzt sagen, das klingt, als sollte man die Dämme brechen lassen, weil die Macht des Faktischen das gebietet. Meinen Sie das?
Pawelzik: Nein, man muss jetzt die Argumente, die gegen Doping sprechen, einmal unter die Lupe nehmen. Das erste Argument lautet immer, Doping schadet den Athleten. Das ist absolut nicht haltbar. Ein sozusagen medizinisch uninformiertes Doping kann natürlich erheblich schädlich sein. Aber wenn man einfach mal daran denkt, dass Sie nach einem komplizierten Beinbruch und langer Immobilität erheblichen Muskelverlust erleiden, und dass man ihn ganz selbstverständlich mit anabolen Stereoiden, das sind genau die Mittel, um die es meistens geht, hilft, in kürzerer Zeit mit Physiotherapie wieder Muskeln aufzubauen. An dem Beispiel können Sie sehen, dass die anabolen Stereoiden per se nicht besonders schädlich sein können.
Novy: Wie ja auch so manches andere, was die Medizin verschreibt. Aber was ist mit der Unfairness, wenn sich der Athlet über den anderen steigern kann durch Medikamente?
Pawelzik: Vielleicht noch eine ganz kleine Bemerkung. Der Sport selber ist in vielen Fällen in hohem Maße schädlich, das wollte ich an dieser Stelle noch einfügen. Das Fairplay-Argument ist in dem Moment hinfällig, wenn das Dopingverbot fällt oder aber, wenn die Mehrzahl ohnehin dopt. Übrig bleibt das einzig wirklich interessante und gleichzeitig vage Argument, das auf den Ethos des Sports hinauswill.
Novy: Also die grundsätzliche Grenze?
Pawelzik: Genau. Sport, so wäre die Idee, ist gut für unsere Gesinnung und Zivilisation, und man sollte diesen Sportgedanken nicht zur Disposition stellen.
Novy: Als Idee?
Pawelzik:Als Idee. Und da würde ich sagen, die herrschende Idee, die herrschende Praxis hat das schon lange ab absurdum geführt. Ich habe nichts dagegen, die Idee wiederzubeleben. Nur, wenn man das täte würde die Gladiatorenvariante des modernen Leistungssports zur Disposition stehen. Da muss man sich einfach klar machen, dass das enorme wirtschaftliche Interessen sind, die dahinter hängen. Da wäre ich sehr skeptisch, ob das gelänge, so dass ich unter dem Strich sagen würde, es ist allemal fairer, das Doping in einer medizinisch kontrollierten Form zu erlauben. Vor allem dann, wenn man es den Unterprivilegierten dieser Erde auch ermöglicht, auf diese Weise an der Konkurrenz an fairer Form teilzunehmen.
Novy: Vielleicht wäre ja eine Extra-Olympiade, für jeden eine mit und eine ohne Doping die Lösung. Das war Markus Pawelzik über Doping und Doppelmoral.