Jörg Biesler: Der Ministerpräsident ist schon gewählt in Baden-Württemberg, heute Nachmittag werden die Ministerinnen und Minister der grün-roten Landesregierung vereidigt. Eine davon ist die neue Kultusministerin, Gabriele Warminski-Leitheußer, zuvor schon Schulbürgermeisterin in Mannheim. Guten Tag, Frau Warminski-Leitheußer!
Gabriele Warminski-Leitheußer: Guten Tag, Herr Biesler!
Biesler: In den Porträts, die man über Sie lesen kann, wird groß geschrieben, dass Sie eine sozialdemokratische Bildungskarriere hätten, als Arbeiterkind zum Studienabschluss, spielt das für Ihre Arbeit als Kultusministerin eine Rolle?
Warminski-Leitheußer: Nun, es spielt natürlich eine Rolle, welche Überzeugungen sich im Laufe meines politischen Lebens entwickelt haben, und es ist für mich natürlich auch eine Antriebsfeder, was ich selber erlebt habe bei meinem Bildungsaufstieg. Ich weiß genau, welche Hindernisse Kinder überwinden müssen, die aus bildungsfernen Schichten kommen und die dann doch den Sprung wagen in ein Studium. Und das ist eine Erfahrung, die ich habe und die mich sicherlich auch geprägt hat.
Biesler: Die auch das Schulsystem in Baden-Württemberg in Zukunft prägen wird?
Warminski-Leitheußer: Das Schulsystem in Baden-Württemberg hat ja leider zumindest einen Fehler, bei allen Stärken, die auch durchaus vorhanden sind, nämlich dass der Zusammenhang zwischen dem Geldbeutel der Eltern und dem tatsächlichen Bildungserfolg der Kinder besonders groß ist. Und ja, das ist sicherlich richtig, ich möchte dafür sorgen, dass alle Kinder in Baden-Württemberg gleichermaßen gute Bildungschancen haben.
Biesler: Ja, es ist klar, dass sich was verändern wird in Baden-Württemberg, Sie sind seit 1953 die erste Sozialdemokratin im Kultusministerium, da wird es Veränderungen geben. Die Schulen in Baden-Württemberg allerdings haben auch schon eine Menge Veränderungen und Experimente hinter sich und sind sicherlich auch ein bisschen nervös, was jetzt auf sie zukommt. Was wird das denn sein?
Warminski-Leitheußer: Wichtig ist: keine Experimente, keine ideologischen Streitereien über eine Schulstrukturreform. Ich möchte, dass die Schulen, bei dem, was sie ja ohnehin sich vorgenommen haben, nämlich Kinder individuell zu unterstützen, dass den Schulen dabei geholfen wird. Meine Erfahrungen sind, dass die Lehrerinnen und Lehrer sehr engagiert sind. Die wissen ganz genau, was ihre Kinder brauchen, was die Schüler brauchen, und die fühlen sich oftmals nicht in der Lage, die notwendige Unterstützung zu leisten, weil sie zu wenig Ressourcen haben - zu wenig Personal, zu wenig Unterstützung von außen. Und darauf kommt es mir an. Das System Schule - das haben Sie gerade zu Recht gesagt - hat mittlerweile so viel Strukturreform hinter sich, dass den Beteiligten schon fast schwindelig ist dabei. Wir wollen ganz im Gegenteil Ruhe ins System bringen, indem wir zwei Dinge deutlich garantieren: Es wird keine Veränderung, keine Strukturveränderung geben, beispielsweise im Zusammenhang mit der Gemeinschaftsschule, gegen den Willen von Schulträger, Lehrerschaft und Eltern, wir geben lediglich die Möglichkeit, diese neuen Wege zu denken und dann auch zu verwirklichen. Und wir werden ganz gezielt durch bessere Ausstattung und durch bessere personelle und sächliche Ausstattung die Schulen dabei unterstützen, dass sie ihre SchülerInnen besser individuell fördern können. Das sind die zentralen Punkte.
Biesler: Bevor wir noch mal die Gretchenfinanzierungsfrage ansprechen, eine Baustelle sei noch genannt: die Werkrealschule nämlich, also eigentlich eine Art Hauptschule, die eine Besonderheit in Baden-Württemberg ist, zur mittleren Reife führen kann, aber doch in der Vergangenheit auch vor allem zur Verwirrung geführt hat unter Schülern und Lehrern. Wie gehen Sie damit um?
Warminski-Leitheußer: Wir werden die Werkrealschule weiterentwickeln, und zwar ganz konkret werden wir die Werkrealschulen von der ja im Grunde genommen untragbaren Bürde befreien, dass sie mit den beruflichen Schulen verpflichtend kooperieren müssen. Es hat sich in der Praxis herausgestellt, dass weder die beruflichen Schulen noch die Werkrealschulen in der Lage sind, diese Mammutaufgabe zu stemmen, deshalb werden wir die Werkrealschule von dieser Pflicht befreien. Und wir werden den Werkrealschulen die Möglichkeit geben, sich so weiterzuentwickeln, dass sie einen tatsächlichen regulären mittleren Schulabschluss, sprich Realschulabschluss anbieten können. Der jetzige Werkrealschulabschluss ist ja leider nicht gleichbedeutend mit einem Realschulabschluss.
Biesler: Gemeinschaftsschulen, haben Sie gesagt, werden möglich sein, also längeres gemeinsames Lernen. Sie haben dafür sogar schon Unterstützung aus der mittelständischen Wirtschaft bekommen, die das sehr begrüßt hat, und die CDU-Regierung bislang dafür kritisiert hat, dass sie nicht längst schon Schritte in dieser Richtung unternommen hat. Ganztagsschulen werden sicherlich auch eine größere Rolle spielen als in der Vergangenheit in Zukunft, mit Ihnen als Kultusministerin - es gibt ja sowieso immer schon zu wenig Lehrer. Sie haben jetzt gesagt, Sie wollen die Betreuung noch verbessern - wie wird denn das finanzierbar sein?
Warminski-Leitheußer: Wir haben ganz klar formuliert, was wir sofort für umsetzbar und finanzierbar halten. Der erste Punkt ist die Aufstockung der Krankheitsreserve, der sogenannten Krankheitsreserve, das heißt Lehrer, die einspringen können, wenn Lehrer erkrankt sind. Diese Reserve wollen wir um bis zu 400 Stellen aufstocken. Und der andere Punkt, der bisher auch schon als Zahl festgeschrieben ist, das sind 1500 zusätzliche Lehrerstellen für die Ganztagsschulen, die dann sicherlich im Rahmen des weiteren Anstiegs der Ganztagsschulen dann also zusätzlich hinzukommen. Es ist vollkommen klar, dass zusätzliche Lehrerstellen Geld kosten, da führt gar kein Weg dran vorbei, und meine erste Aufgabe wird es sein, dass ich mir die Bedarfsplanung sehr genau angucke, die Lehrerbedarfsplanung - es gibt ja durchaus unterschiedliche Aussagen darüber, wie die Kapazitäten denn wirklich sind -, und dann werde ich als Kultusministerin zusammen mit dem Finanzminister Schritte vereinbaren, mit denen wir dann auch realistisch die Qualität an der Schule verbessern können.
Biesler: Ein erster Ausblick auf die zukünftige Schulpolitik in Baden-Württemberg von der designierten Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer, heute Nachmittag wird sie vereidigt. Vielen Dank dafür!
Warminski-Leitheußer: Bitte sehr!
Gabriele Warminski-Leitheußer: Guten Tag, Herr Biesler!
Biesler: In den Porträts, die man über Sie lesen kann, wird groß geschrieben, dass Sie eine sozialdemokratische Bildungskarriere hätten, als Arbeiterkind zum Studienabschluss, spielt das für Ihre Arbeit als Kultusministerin eine Rolle?
Warminski-Leitheußer: Nun, es spielt natürlich eine Rolle, welche Überzeugungen sich im Laufe meines politischen Lebens entwickelt haben, und es ist für mich natürlich auch eine Antriebsfeder, was ich selber erlebt habe bei meinem Bildungsaufstieg. Ich weiß genau, welche Hindernisse Kinder überwinden müssen, die aus bildungsfernen Schichten kommen und die dann doch den Sprung wagen in ein Studium. Und das ist eine Erfahrung, die ich habe und die mich sicherlich auch geprägt hat.
Biesler: Die auch das Schulsystem in Baden-Württemberg in Zukunft prägen wird?
Warminski-Leitheußer: Das Schulsystem in Baden-Württemberg hat ja leider zumindest einen Fehler, bei allen Stärken, die auch durchaus vorhanden sind, nämlich dass der Zusammenhang zwischen dem Geldbeutel der Eltern und dem tatsächlichen Bildungserfolg der Kinder besonders groß ist. Und ja, das ist sicherlich richtig, ich möchte dafür sorgen, dass alle Kinder in Baden-Württemberg gleichermaßen gute Bildungschancen haben.
Biesler: Ja, es ist klar, dass sich was verändern wird in Baden-Württemberg, Sie sind seit 1953 die erste Sozialdemokratin im Kultusministerium, da wird es Veränderungen geben. Die Schulen in Baden-Württemberg allerdings haben auch schon eine Menge Veränderungen und Experimente hinter sich und sind sicherlich auch ein bisschen nervös, was jetzt auf sie zukommt. Was wird das denn sein?
Warminski-Leitheußer: Wichtig ist: keine Experimente, keine ideologischen Streitereien über eine Schulstrukturreform. Ich möchte, dass die Schulen, bei dem, was sie ja ohnehin sich vorgenommen haben, nämlich Kinder individuell zu unterstützen, dass den Schulen dabei geholfen wird. Meine Erfahrungen sind, dass die Lehrerinnen und Lehrer sehr engagiert sind. Die wissen ganz genau, was ihre Kinder brauchen, was die Schüler brauchen, und die fühlen sich oftmals nicht in der Lage, die notwendige Unterstützung zu leisten, weil sie zu wenig Ressourcen haben - zu wenig Personal, zu wenig Unterstützung von außen. Und darauf kommt es mir an. Das System Schule - das haben Sie gerade zu Recht gesagt - hat mittlerweile so viel Strukturreform hinter sich, dass den Beteiligten schon fast schwindelig ist dabei. Wir wollen ganz im Gegenteil Ruhe ins System bringen, indem wir zwei Dinge deutlich garantieren: Es wird keine Veränderung, keine Strukturveränderung geben, beispielsweise im Zusammenhang mit der Gemeinschaftsschule, gegen den Willen von Schulträger, Lehrerschaft und Eltern, wir geben lediglich die Möglichkeit, diese neuen Wege zu denken und dann auch zu verwirklichen. Und wir werden ganz gezielt durch bessere Ausstattung und durch bessere personelle und sächliche Ausstattung die Schulen dabei unterstützen, dass sie ihre SchülerInnen besser individuell fördern können. Das sind die zentralen Punkte.
Biesler: Bevor wir noch mal die Gretchenfinanzierungsfrage ansprechen, eine Baustelle sei noch genannt: die Werkrealschule nämlich, also eigentlich eine Art Hauptschule, die eine Besonderheit in Baden-Württemberg ist, zur mittleren Reife führen kann, aber doch in der Vergangenheit auch vor allem zur Verwirrung geführt hat unter Schülern und Lehrern. Wie gehen Sie damit um?
Warminski-Leitheußer: Wir werden die Werkrealschule weiterentwickeln, und zwar ganz konkret werden wir die Werkrealschulen von der ja im Grunde genommen untragbaren Bürde befreien, dass sie mit den beruflichen Schulen verpflichtend kooperieren müssen. Es hat sich in der Praxis herausgestellt, dass weder die beruflichen Schulen noch die Werkrealschulen in der Lage sind, diese Mammutaufgabe zu stemmen, deshalb werden wir die Werkrealschule von dieser Pflicht befreien. Und wir werden den Werkrealschulen die Möglichkeit geben, sich so weiterzuentwickeln, dass sie einen tatsächlichen regulären mittleren Schulabschluss, sprich Realschulabschluss anbieten können. Der jetzige Werkrealschulabschluss ist ja leider nicht gleichbedeutend mit einem Realschulabschluss.
Biesler: Gemeinschaftsschulen, haben Sie gesagt, werden möglich sein, also längeres gemeinsames Lernen. Sie haben dafür sogar schon Unterstützung aus der mittelständischen Wirtschaft bekommen, die das sehr begrüßt hat, und die CDU-Regierung bislang dafür kritisiert hat, dass sie nicht längst schon Schritte in dieser Richtung unternommen hat. Ganztagsschulen werden sicherlich auch eine größere Rolle spielen als in der Vergangenheit in Zukunft, mit Ihnen als Kultusministerin - es gibt ja sowieso immer schon zu wenig Lehrer. Sie haben jetzt gesagt, Sie wollen die Betreuung noch verbessern - wie wird denn das finanzierbar sein?
Warminski-Leitheußer: Wir haben ganz klar formuliert, was wir sofort für umsetzbar und finanzierbar halten. Der erste Punkt ist die Aufstockung der Krankheitsreserve, der sogenannten Krankheitsreserve, das heißt Lehrer, die einspringen können, wenn Lehrer erkrankt sind. Diese Reserve wollen wir um bis zu 400 Stellen aufstocken. Und der andere Punkt, der bisher auch schon als Zahl festgeschrieben ist, das sind 1500 zusätzliche Lehrerstellen für die Ganztagsschulen, die dann sicherlich im Rahmen des weiteren Anstiegs der Ganztagsschulen dann also zusätzlich hinzukommen. Es ist vollkommen klar, dass zusätzliche Lehrerstellen Geld kosten, da führt gar kein Weg dran vorbei, und meine erste Aufgabe wird es sein, dass ich mir die Bedarfsplanung sehr genau angucke, die Lehrerbedarfsplanung - es gibt ja durchaus unterschiedliche Aussagen darüber, wie die Kapazitäten denn wirklich sind -, und dann werde ich als Kultusministerin zusammen mit dem Finanzminister Schritte vereinbaren, mit denen wir dann auch realistisch die Qualität an der Schule verbessern können.
Biesler: Ein erster Ausblick auf die zukünftige Schulpolitik in Baden-Württemberg von der designierten Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer, heute Nachmittag wird sie vereidigt. Vielen Dank dafür!
Warminski-Leitheußer: Bitte sehr!