Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Keine große, aber glücklich machende Kunst

"Albert II." ist kein Meisterwerk: Konventionell und dramaturgisch nicht gerade komplex gestrickt, füllt die Seifenoper dennoch eine Leerstelle in der belgischen Gesellschaft. Denn sie stillt das offenkundige Bedürfnis, mehr über die Königsfamilie zu erfahren, etwa über deren Umgang mit Schicksalsschlägen.

Von Patrick Wellinski | 02.10.2013
    Königin Paola ist wütend. Ihr Ehemann, Albert II., König von Belgien, hat eine illegitime Tochter. Davon erfährt die getäuschte Königin aus einem Skandalbuch.

    "Meinst du, es ist einfach für eine Frau von ihrem Ehemann in aller Öffentlichkeit betrogen zu werden? All die Jahre habe ich für dich weiter gelächelt."

    Ein Dialog, der so wohl nie stattgefunden hat. Reale Ereignisse, fiktive Dialoge – das ist das Erfolgsrezept der fünfteiligen belgischen Fernsehserie "Albert II.". Die Macher nehmen die letzten 20 Jahre der royalen Familie ins Visier – und lassen keinen Skandal aus. Es gibt dabei nichts, was den Belgiern neu wäre. Die illegitime Tochter von Albert II., Delphine Boël, kennen sie aus den Nachrichten und aus den Boulevard-Blättern. Trotzdem versammeln sie sich fasziniert vor den Fernsehern.

    "Ich habe gehört, diese Buch wird den Ruf der königlichen Familie beschmutzen, vor allem der Mutter."

    Dass sie dies in großer Zahl machen, liegt aber nicht an der Qualität der Serie. "Albert II." ist kein Meisterwerk, eher arg konventionell und dramaturgisch nicht gerade komplex. Eine Seifenoper. Und dennoch: Sie suggeriert der belgischen Bevölkerung Reaktionen aus dem sonst so schweigsamen Königspalast, wo Privates privat bleibt. Sie füllt diese Leerstelle. Und stillt das offenkundige Bedürfnis zu erfahren, wie die Erste Familie mit Schicksalsschlägen umgeht. Besonders im Fall "Delphine Boël", zu der sich Albert II. bis heute nicht offiziell bekannt hat. Lediglich ein kryptischer Satz aus der Weihnachtsansprache 1999 gilt als Zipfelchen eines Geständnisses.

    "Die Königin und leben in einer glücklichen Ehe. Doch das war nicht immer so. Vor 30 Jahren mussten wir eine Krise überstehen."

    Delphine Boël, Jahrgang 1969, Tochter von Baronin Sybille de Sélys Longchamps, verheiratet, zwei Kinder, Beruf: Künstlerin. Sie macht Pop-Art-Gemälde, bunte Pappmaschee-Skulpturen und leicht anstößige Videoinstallationen. Ihre Werke werden ausgestellt in Miami und London, Paris und Brüssel. Keine große Kunst sagt ein Besucher einer Ausstellung in Lüttich, aber eine die glücklich macht.

    "Ich mag das. Es ist keine große Kunst, aber eine die glücklich macht."

    Glück bringende Kunst also. Ist sie vielleicht auch therapeutisch? Es ist sehr auffällig, wie stark sich alle ihre Werke mit dem Königshaus beschäftigen. In einer Talkshow wurden ihr neulich viele Fragen gestellt. Ob sie denn noch Vatergefühle für Albert II. hege, ob sie wütend sei, oder vielleicht doch eher traurig.

    " Est ce que vous sentez la Tristesse?
    - La Tristesse? Oui … Tristess."

    Tristesse also. Das trifft es vielleicht ganz gut. Denn so reißerisch und platt die Diskussion über die mögliche Vaterschaft des - nun ehemaligen - belgischen Königs mitunter auch geführt wird, so ist es im Hintergrund eben auch eine recht traurige Geschichte. Die Geschichte nämlich von Vater und Tochter, von zweien, die nicht zueinander kommen können, weil sie nicht zueinander kommen dürfen. Auch in der TV-Serie "Albert II." werden sich König und Prinzessin nicht in die Arme fallen. Da haben sich die Macher des Dramas eiskalt an die Realität gehalten. Aber manchmal blitzt in den Augen des Albertdarstellers Lucas von den Eynde etwas auf, das auf Versöhnung hindeutet. Es wird wohl dieser winzige Hoffnungsschimmer sein, der viele an den Bildschirm fesselt - vielleicht ja auch, Delphine Boel …