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Keine Klimawende in Sicht

Klimaforschung. - Fast alle Staaten verpflichteten sich vertraglich, ihre Treibhausgas-Emissionen zu senken. Wie erfolgreich sie bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes sind, zeigen Erhebungen des UNO-Klimasekretariats in Bonn: die aktuellen Zahlen liefern keinen Grund zu Optimismus.

Von Volker Mrasek | 17.11.2008
    Es sind die jüngsten offiziellen Treibhausgas-Daten, die das Klimasekretariat der Vereinten Nationen heute in Bonn präsentierte. Doch da es viel Zeit kostet, solche Statistiken auszuwerten, stammen die Daten nicht aus diesem Jahr, sondern aus 2006: "Wir haben hier einen Schnappschuss der Welt, ein Jahr nach Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls," so Ivo de Boer heute Mittag, der Exekutiv-Sekretär der UN-Klima-Rahmenkonvention. Dieser Schnappschuss zeigt die Industriestaaten keineswegs von ihrer besten Seite, sondern auf einem gefährlichen Kurs. Nur wenige Länder haben ihre Emissionen zuletzt wirklich zurückgefahren ...

    "Die aktuellen Daten zeigen uns, dass die Emissionstrends besorgniserregend bleiben. Im Zeitraum seit 1990 ist der Ausstoß von Treibhausgasen zwar insgesamt um fünf Prozent zurückgegangen. Das gilt für die 41 Industrie- und früheren Ostblockländer unter den Vertragsstaaten der Klima-Rahmenkonvention. Doch seit dem Jahr 2000 steigen ihre Emissionen deutlich."

    Der Zuwachs lag bei 2,3 Prozent seit der Jahrhundertwende, so die Daten für 2006. Von einer Drosselung der Emissionen, wie sie Klimaforscher dringend empfehlen, kann also nicht im Entferntesten die Rede sein. Der Ausstoß von schädlichen Klimagasen legte im Gegenteil kräftig zu. Es ist nicht so, dass die Industrieländer vor dem Jahr 2000 ambitionierten Klimaschutz betrieben und ihre Bemühungen danach stoppten. Laut Ivo de Boer profitierten sie von einem anderen Effekt:

    "Das hatte vor allem mit dem Zusammenbruch der Wirtschaft in Osteuropa in den 90er Jahren zu tun. Seither sind die Emissionen sowohl in den Industrie- wie auch in den früheren Ostblockstaaten gestiegen."

    Genauere Zahlen dazu hatte heute Sergej Kononov parat, der verantwortliche Daten-Manager im Bonner Klima-Sekretariat:

    "Im Moment erleben die früheren Ostblockländer ein starkes wirtschaftliches Wachstum. Das sorgt für einen beträchtlichen Aufwärtstrend bei den Emissionen. In den westlichen Industrieländern war der Treibhausgasausstoß 2006 sogar etwas niedriger als 2005 - in Osteuropa aber um drei Prozent höher."

    Seit der Jahrhundertwende haben Russland, die Ukraine, Rumänien und die anderen Länder der Region ihre gemeinsamen Emissionen sogar um über sieben Prozent gesteigert – die westlichen Industriestaaten dagegen nur um zwei Prozent. Das heißt: Beim Treibhausgas-Zuwachs entwickelt der frühere Ostblock inzwischen fast schon eine Dynamik wie China und Indien. Nicht einmal Europa scheint auf dem richtigen Klimakurs zu sein. Spätestens 2012 müssen die Emissionen der älteren EU-Staaten um acht Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen. Vor zwei Jahren waren aber erst 2,7 Prozent erreicht. Deutschlands Emissionsbilanz sieht da besser aus: schon minus 18,5 Prozent von 21, die es in spätestens vier Jahren sein sollen. Er sei dennoch zuversichtlich, dass die Industriestaaten ihre gemeinsame Kyoto-Verpfichtung erfüllen, sagte Ivo de Boer heute in Bonn. Wobei der UN-Klimadiplomat zweierlei weiß: Das Ziel ist mit minus fünf Prozent nicht sehr ambitioniert, und zur Not können sich säumige Kyoto-Vertragsstaaten ja Kohlendioxid-Zertifikate im Emissionshandel besorgen.