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Keine Kooperationen mit Rüstungsunternehmen

Studierende der Universität Göttingen setzen sich zurzeit für eine flächendeckende Einführung der sogenannten "Zivilklausel" an deutschen Hochschulen ein. Forschung zu militärischen Zwecken und Drittmitteln aus der Rüstungsindustrie wäre damit in Zukunft ein Riegel vorgeschoben.

Von Susanne Schrammar | 30.04.2012
    "Wenn in diesen Bereichen geforscht wird, dann passiert das nicht ohne Grund, dann will man Konflikte auch militärisch lösen. Wir wenden uns dagegen, wir wollen friedliche, zivile Lösungsmöglichkeiten haben, ohne dass gleich aufeinander geschossen wird, und hier erhoffen wir auch ein klares Signal vom Präsidium, das in diese Richtung geht, dass die Uni Göttingen auch sich verpflichtet, nur noch zivil zu forschen."

    Und deshalb fordern Vincent Lindner und seine Mitstreiter vom links geprägten Asta der Georg-August-Universität Göttingen eine Zivilklausel in der Grundordnung der Hochschule. Mit einem solchen Passus würden sich die Wissenschaftler selbst auferlegen, keine Forschung zu betreiben, die militärischen oder sicherheitsrelevanten Zwecken dient. Auch Drittmittel aus der Rüstungsindustrie oder Forschungsgelder vom Bundesministerium für Verteidigung wären damit ein Riegel vorgeschoben. Stattdessen soll – wie beispielsweise auch an Hochschulen in Oldenburg, Dortmund oder Bremen, das Grundprinzip der friedlichen Forschung in Göttingen gelten. Nach Informationen des Asta sind in den vergangenen zehn Jahren Forschungsgelder in Höhe von 1,6 Millionen Euro aus dem Verteidigungsministerium an die Universität Göttingen geflossen, sagt Christian Barz vom Asta-Referat für politische Bildung.

    "Konkrete Projekte wissen wir, dass es in der Virologie etwas gab und ansonsten in der Mathematik und Physik. Was jetzt noch aus Rüstungsindustrie oder für Wehrforschung verwendet wurde, das ist uns derzeit nicht bekannt, da viele Forschungsbereiche auch nicht öffentlich einsehbar sind und das Ganze relativ untransparent abläuft."

    Mit einer übermorgen startenden Aktionswoche im Rahmen der bundesweiten Initiative "Hochschule für den Frieden – Ja zur Zivilklausel" will der Göttinger Asta die Studierenden auf die Problematik aufmerksam machen: Veranstaltet wird unter anderem ein Workshop über Anwerbestrategien der Bundeswehr, gezeigt wird der Dokumentarfilm "Deadly Dust" über den Einsatz von Uranmunition im Krieg, und an einer Podiumsdiskussion zum Für und Wider einer solchen Zivilklausel nimmt auch die Präsidentin der Universität Göttingen Ulrike Beisiegel teil. Beisiegel ist seit Jahrzehnten selbst aktiv in der Friedensforschung und begrüßt das Engagement der Studierenden. Einer Friedensklausel in der Grundordnung der Universität – der zwei Drittel des Hochschulsenats zustimmen müssten – steht die Präsidentin zwar offen gegenüber, nicht jedoch in einer bindenden Form.

    "Man muss natürlich die Klausel so formulieren, dass sie nicht der Freiheit der Forschung widerspricht, und dazu gibt es ja diverse Gesetzestexte und Überlegungen, und ich glaube, in einem Rahmen, wo man es sozusagen auffordernd und nicht verbindlich macht – denn wir können ja unseren Kolleginnen und Kollegen nicht vorschlagen, was sie forschen – halte ich das für eine gute Sache, die der Zivilgesellschaft und dem Frieden in der Welt dienen kann."

    Unter der Regierung Schröder gab es in Niedersachsen neun Jahre lang sogar eine Zivilklausel im Landeshochschulgesetz. Der Passus wurde 2002 jedoch von der SPD unter anderem mit dem Hinweis auf die Forschungsfreiheit gestrichen. Eine Gesetzesinitiative der Linken im niedersächsischen Landtag zur Wiedereinführung wurde 2009 von allen anderen Fraktionen im Plenum abgelehnt. Auch die derzeitige schwarz-gelbe Landesregierung in Niedersachsen verweist auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit und eine mangelnde Trennschärfe bei der Anwendbarkeit der Forschungsergebnisse. Christian Stichternath, Sprecher des niedersächsischen Wissenschaftsministeriums.

    "Denn wo fängt – gerade bei der Grundlagenforschung – militärische Forschung an, wo hört zivile Forschung auf? Man kann aber für Niedersachsen auch sagen, dass vonseiten des Landes nie Fördergeld in militärische oder sicherheitsrelevante Projekte gegangen ist und von daher auch in der Praxis nicht die Rede davon sein kann, dass wir dort eine Problematik haben oder bekommen könnten."

    Eine wirklich verpflichtende Klausel könne nur durch Druck von unten erwirkt werden, glaubt Christian Barz vom Göttinger Asta und hofft auf den Zuspruch weiterer Hochschulen. In Zeiten, wo Drittmittel und Sponsorengelder eine immer größere Rolle für die Finanzierung der Forschung spielten, sei ein kritisches Bewusstsein umso wichtiger. In Göttingen wird sich in den nächsten Monaten entscheiden, ob der Friedenspassus in die Grundordnung aufgenommen wird.

    "Wir haben vor, eine Onlinepetition an die Studierenden zu schicken und hoffen natürlich auf viele Unterzeichner und Unterzeichnerinnen, und wir werden weiter im Dialog stehen mit der Universitätspräsidentin und hoffen dann, die Zivilklausel in die Grundordnung aufnehmen zu können."