Carsten Probst: Ja, um es mal so zu sagen, die Ankündigung vom Deutschen Historischen Museum klang ja eigentlich sehr spannend. Ich habe mir da in meiner Naivität eigentlich so etwas vorgestellt, dass in fast subtiler Art und Weise nachvollzogen wird, wie gewissermaßen Staatsmacht und Privatleben irgendwie in der DDR ja doch über Jahrzehnte zusammengekommen oder eben nicht zusammengekommen sind und wie gewissermaßen die beiden Sphären, so stark gegensätzlich sie waren, sich doch irgendwie berührt haben, und zwar nicht nur in symbolischen Gesten, sondern im ganz normalen Alltagsleben, im Denken der Leute, die vielleicht beides zugleich gedacht haben, Privatleben und irgendwie auch die Pflichterfüllung gegenüber dem Staat.
Das als Konstruktion wäre spannend gewesen. Leider funktioniert diese Ausstellung so überhaupt nicht. Es ist eine ziemlich uninspirierte und letztlich auch von der intellektuellen Aufarbeitung, von der Thesenhaftigkeit ja vollkommen grobklötzige Ausstellung geworden, die eigentlich keinem, ja, weiter ambitionierten Geschichtsdeutungsanspruch gerecht wird.
Um das mit einem Beispiel zu nennen, die Kuratoren dieser Ausstellung gehen von der Hauptthese aus, dass DDR-Staatsmacht und DDR-Privatleben, sozusagen der einfache Mensch auf der Straße, komplette Gegensätze waren seit dem Volksaufstand am 17. Juni 1953. Dass sich dann gewissermaßen eine so genannte innere Mauer zwischen Staat und Bevölkerung gebildet hat, die dann in der Wirtschaftskrise Ende der fünfziger Jahre, Anfang der sechziger Jahre zusätzlich durch die äußere Mauer, also die Berliner Mauer, aufrecht erhalten werden und geschützt werden musste, und das habe sich dann in einem großen Showdown zunächst am 9. Oktober, wohl gemerkt, mit den ersten Leipziger Demonstrationen entladen, als dann sozusagen die innere Mauer zusammengebrochen sei und dann eben auch in der Folge einen Monat später die äußere Mauer.
Das ist so in etwa das Geschichtsbild, das hier kolportiert wird, das Volk als unterdrückte Masse, die nur im Privatleben noch ein kleines Glück fanden, während die Staatsmacht irgendwie immer nur versuchte zu drangsalieren. So war das ja nun aber irgendwie doch nicht, und das ist vom intellektuellen Anspruch ein bisschen enttäuschend.
Novy: Es überrascht deswegen, weil ja in der Ankündigung zu lesen ist, die Grenzverläufe und staatlicher Einflussnahme und Ideologie einerseits und individuelle Lebensgestaltung andererseits sollen aufgezeigt werden, und damit wollte sich das Deutsche Historische Museum, wie ich auch hier lese, in die Debatte um die historische Bewertung der DDR einschalten. Geschieht das denn irgendwie?
Probst: Natürlich geschieht das durch so eine Ausstellung automatisch, weil dadurch eigentlich so eine sehr offizielle bundesrepublikanische Geschichtsschreibung nach 1990 noch einmal festgeschrieben wird, dass gewissermaßen der 9. November so eine Art Erlösung war für die DDR-Bürger, was zum einen sicherlich ja auch stimmt, denn es gab ja gewissermaßen sehr viele intime Eingriffe der Staatsgewalt in das Privatleben der Bürger, aber andererseits wird ja doch auch gerade bei dem Sammlungsbestand von vielen Bürgern, der 1990 an das Deutsche Historische Museum gegeben wurde, immer wieder deutlich gemacht, dass die Leute es deswegen ans Deutsche Historische Museum gegeben haben, weil die DDR ein Stück ihres Lebens und weil sie sich zu einem Gutsteil mit der DDR identifiziert haben, eben nicht alles nur schlecht war in der DDR.
Das wird hier konzeptuell vollkommen über den Haufen geworfen, weil das gesamte Privatleben, das auf einer Etage dann komplett ausgebreitet wird mit so Alltagsgegenständen, mit Schrankwänden, die nur mit Beziehungen zu haben waren, mit den Trabis und so weiter und so fort, nur ein Schutzraum der Freiheit gewesen sei. Das aber lässt vollkommen außer Acht, dass in diesem Schutzraum durchaus eine große Affirmation, auch eine Liebe gewissermaßen zur Heimat DDR bestanden hat, die gar nicht unbedingt eine politische Aussage enthalten musste.
Novy: Dasselbe gilt ja auch für die Arbeitswelt, der in der Ausstellung ja auch ein eigener Bereich gewidmet ist.
Probst: Diese beiden Bereiche sind getrennt. Arbeitswelt und Privatwelt sind auf Stockwerken gegeneinander abgesetzt, und in dieser Arbeitswelt gilt im Prinzip der Überwachungsstaat sehr stark, der durch Normen, durch Arbeitsregeln, durch Brigaden, durch Kollektive sehr stark das Verhalten des einzelnen normiert, während im Privatleben eben in der zweiten Etage dann eine gewisse Freiheit herrscht.
Dieser Gegensatz bestand so aber auch nicht, denn viele Leute haben sich natürlich über ihre Arbeit identifiziert und bedauerten gerade nach der Wende, dass dieser Zusammenhalt innerhalb von Arbeitskollektiven unter Kollegen ja auch weggefallen ist, dass es keine Solidarität mehr unter Kollegen gab, sondern dass jeder nur noch für sich selbst sozusagen eintritt. Also es gibt, wenn man das zusammenfassen möchte, überhaupt keine kulturelle Betrachtungsweise, sondern eine sehr streng normierte Betrachtungsweise, die von einem Gut-Böse-Schema ausgeht. Ich denke, diese Sicht der Dinge hat sich eigentlich schon längst überlebt, und das verwundert im höchsten Maß, dass das Deutsche Historische Museum sich das noch mal antut.
Novy: Sagen Sie doch mal zum Schluss ein bisschen über den optischen Wert der Ausstellung. Was ist denn eigentlich zu sehen, wie muss man sie sich eigentlich vorstellen, wie sie gebaut ist?
Probst: Es ist natürlich schon so, dass dieser neue Anbau des Deutschen Historischen Museums, wirklich eine grandiose Bunkerarchitektur bildet, und in gewissem Sinne passt das natürlich. Man sieht große DDR-Symbolik, man sieht Marx-Büsten, man sieht Stalinstatuen, den, wie gesagt, unvermeidlichen Trabi und die kleinen Gegenstände, die Klorollen aus dem Palast der Republik, das alles aber in einer unglaublich schummrigen bunkerhaften Atmosphäre, die sozusagen eigentlich abschreckend anmutet.
Das als Konstruktion wäre spannend gewesen. Leider funktioniert diese Ausstellung so überhaupt nicht. Es ist eine ziemlich uninspirierte und letztlich auch von der intellektuellen Aufarbeitung, von der Thesenhaftigkeit ja vollkommen grobklötzige Ausstellung geworden, die eigentlich keinem, ja, weiter ambitionierten Geschichtsdeutungsanspruch gerecht wird.
Um das mit einem Beispiel zu nennen, die Kuratoren dieser Ausstellung gehen von der Hauptthese aus, dass DDR-Staatsmacht und DDR-Privatleben, sozusagen der einfache Mensch auf der Straße, komplette Gegensätze waren seit dem Volksaufstand am 17. Juni 1953. Dass sich dann gewissermaßen eine so genannte innere Mauer zwischen Staat und Bevölkerung gebildet hat, die dann in der Wirtschaftskrise Ende der fünfziger Jahre, Anfang der sechziger Jahre zusätzlich durch die äußere Mauer, also die Berliner Mauer, aufrecht erhalten werden und geschützt werden musste, und das habe sich dann in einem großen Showdown zunächst am 9. Oktober, wohl gemerkt, mit den ersten Leipziger Demonstrationen entladen, als dann sozusagen die innere Mauer zusammengebrochen sei und dann eben auch in der Folge einen Monat später die äußere Mauer.
Das ist so in etwa das Geschichtsbild, das hier kolportiert wird, das Volk als unterdrückte Masse, die nur im Privatleben noch ein kleines Glück fanden, während die Staatsmacht irgendwie immer nur versuchte zu drangsalieren. So war das ja nun aber irgendwie doch nicht, und das ist vom intellektuellen Anspruch ein bisschen enttäuschend.
Novy: Es überrascht deswegen, weil ja in der Ankündigung zu lesen ist, die Grenzverläufe und staatlicher Einflussnahme und Ideologie einerseits und individuelle Lebensgestaltung andererseits sollen aufgezeigt werden, und damit wollte sich das Deutsche Historische Museum, wie ich auch hier lese, in die Debatte um die historische Bewertung der DDR einschalten. Geschieht das denn irgendwie?
Probst: Natürlich geschieht das durch so eine Ausstellung automatisch, weil dadurch eigentlich so eine sehr offizielle bundesrepublikanische Geschichtsschreibung nach 1990 noch einmal festgeschrieben wird, dass gewissermaßen der 9. November so eine Art Erlösung war für die DDR-Bürger, was zum einen sicherlich ja auch stimmt, denn es gab ja gewissermaßen sehr viele intime Eingriffe der Staatsgewalt in das Privatleben der Bürger, aber andererseits wird ja doch auch gerade bei dem Sammlungsbestand von vielen Bürgern, der 1990 an das Deutsche Historische Museum gegeben wurde, immer wieder deutlich gemacht, dass die Leute es deswegen ans Deutsche Historische Museum gegeben haben, weil die DDR ein Stück ihres Lebens und weil sie sich zu einem Gutsteil mit der DDR identifiziert haben, eben nicht alles nur schlecht war in der DDR.
Das wird hier konzeptuell vollkommen über den Haufen geworfen, weil das gesamte Privatleben, das auf einer Etage dann komplett ausgebreitet wird mit so Alltagsgegenständen, mit Schrankwänden, die nur mit Beziehungen zu haben waren, mit den Trabis und so weiter und so fort, nur ein Schutzraum der Freiheit gewesen sei. Das aber lässt vollkommen außer Acht, dass in diesem Schutzraum durchaus eine große Affirmation, auch eine Liebe gewissermaßen zur Heimat DDR bestanden hat, die gar nicht unbedingt eine politische Aussage enthalten musste.
Novy: Dasselbe gilt ja auch für die Arbeitswelt, der in der Ausstellung ja auch ein eigener Bereich gewidmet ist.
Probst: Diese beiden Bereiche sind getrennt. Arbeitswelt und Privatwelt sind auf Stockwerken gegeneinander abgesetzt, und in dieser Arbeitswelt gilt im Prinzip der Überwachungsstaat sehr stark, der durch Normen, durch Arbeitsregeln, durch Brigaden, durch Kollektive sehr stark das Verhalten des einzelnen normiert, während im Privatleben eben in der zweiten Etage dann eine gewisse Freiheit herrscht.
Dieser Gegensatz bestand so aber auch nicht, denn viele Leute haben sich natürlich über ihre Arbeit identifiziert und bedauerten gerade nach der Wende, dass dieser Zusammenhalt innerhalb von Arbeitskollektiven unter Kollegen ja auch weggefallen ist, dass es keine Solidarität mehr unter Kollegen gab, sondern dass jeder nur noch für sich selbst sozusagen eintritt. Also es gibt, wenn man das zusammenfassen möchte, überhaupt keine kulturelle Betrachtungsweise, sondern eine sehr streng normierte Betrachtungsweise, die von einem Gut-Böse-Schema ausgeht. Ich denke, diese Sicht der Dinge hat sich eigentlich schon längst überlebt, und das verwundert im höchsten Maß, dass das Deutsche Historische Museum sich das noch mal antut.
Novy: Sagen Sie doch mal zum Schluss ein bisschen über den optischen Wert der Ausstellung. Was ist denn eigentlich zu sehen, wie muss man sie sich eigentlich vorstellen, wie sie gebaut ist?
Probst: Es ist natürlich schon so, dass dieser neue Anbau des Deutschen Historischen Museums, wirklich eine grandiose Bunkerarchitektur bildet, und in gewissem Sinne passt das natürlich. Man sieht große DDR-Symbolik, man sieht Marx-Büsten, man sieht Stalinstatuen, den, wie gesagt, unvermeidlichen Trabi und die kleinen Gegenstände, die Klorollen aus dem Palast der Republik, das alles aber in einer unglaublich schummrigen bunkerhaften Atmosphäre, die sozusagen eigentlich abschreckend anmutet.