Berlin, Rotes Rathaus gestern Abend. Nach sieben Stunden Koalitionsverhandlungen treten SPD und CDU vor die Presse, verkünden die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Stadtentwicklung und Verkehr.
"Ein Punkt der viel in der Diskussion ist, ist die Bürgerbeteiligung, die Partizipation, hier haben wir uns darauf verständigt, dass wir grundsätzlich der Meinung sind, dass die Bürger stärker beteiligt werden sollen."
Christian Gäbler von der SPD redet und redet: über den Weiterbau der Stadtautobahn 100 - daran war rot-grün gescheitert oder über besseren Schutz für Fußgänger. Darüber, dass die Koalitionäre etwas gegen die Verwahrlosung des öffentlichen Raums tun wollen.
Je länger Gäblers Statement dauert, umso mehr rollt sein CDU-Kollege Bernd Krömer mit den Augen, klopft mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte. Nach einer Viertelstunde ist der Sozialdemokrat fertig, jetzt darf sein Gegenpart von der CDU.
"Wie gut die Atmosphäre in den Gesprächen ist, können Sie daran sehen, dass ich mich nicht eingemischt habe, obwohl Herr Gäbler schon das ganze Papier vorgelesen hat."
Grinsen im Saal. Ja, die Koalitionsverhandlungen haben an diesem Tag länger gedauert als geplant. Ja, einige Punkte wurden auf Freitag vertagt, nicht in allen Fragen konnte man einen Kompromiss aushandeln. Aber grundsätzlich gilt: SPD und CDU kommen gut miteinander aus - besser als alle Beteiligten zuvor dachten. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit:
"Ich hab den Eindruck, beide Seiten gehen sehr konstruktiv miteinander um, da geht es nicht um Streit um des Streites willen oder abhaken, wer setzt sich in dem Punkt durch und wer in dem anderen, sondern es wird gerungen um die beste Sachentscheidung, und darum geht's."
Dabei war die CDU für Wowereit nur zweite Wahl - zunächst verhandelte die SPD mit den Grünen. Doch der Streit um die Stadtautobahn, eine nur knappe rot-grüne Mehrheit im Abgeordnetenhaus und zuletzt auch fehlendes Vertrauen ließ dieses Bündnis - noch bevor es geschmiedet war - scheitern. Trotz der menschlichen Nähe, sagt Berlins SPD-Landeschef Michael Müller ein wenig bedauernd.
"Man kennt sich über viele Jahre und man ist mit einigen auch freundschaftlich gut verbunden und so ist es mit der CDU nicht. Aber ein bisschen Distanz kann ja manchmal auch ganz gut sein. Gerade, wenn man professionell zusammenarbeiten will. Sehr viel Nähe schafft ja auch oft viel Konflikt und ist dann eben ganz besonders enttäuscht vom Gesprächspartner, wenn etwas nicht so klappt wie man will, wie man selbst es erwartet, gerade, wenn man sich sehr nahe steht. Also, diese Distanz, die es durchaus zur CDU gibt, schadet überhaupt nicht."
Die SPD hatte eine lange Liste von Vorbehalten: Die Berliner CDU sei noch die alte Partei der muffigen Hinterzimmer, der Bezirksfürsten, die CDU von Klaus Landowsky, der Berlin einen veritablen Bankenskandal eingebrockt hat, an dem die Stadt finanziell immer noch zu knabbern hat. Eine altmodische, nicht metropolentaugliche Partei. Doch die Christdemokraten haben sich erneuert - stellen die Sozialdemokraten jetzt - etwas überrascht - fest.
"Es gibt mit Sicherheit auch noch die alten Strukturen, die man eben von der alten Berliner CDU kennt. Aber es gibt eben auch neue Köpfe, neue Gesprächspartner, neue Ansprechpartner für uns."
Ein wichtiger neuer Gesprächspartner sitzt jetzt auf einem dunkelbraunen Ledersofa im Foyer der Werbeagentur Scholz & Friends - am Hackeschen Markt.
"Ich bin sozusagen der klassische Quereinsteiger in der Politik."
Thomas Heilmann, Mitgründer von Scholz & Friends. Seine Anteile an der Werbeagentur hat er verkauft, ist aber noch Untermieter in dem supermodernen, im Frühjahr eröffneten Gebäude. Eine Rolltreppe führt in das Foyer mit dem Glasdach, die Atmosphäre eine Mischung aus Flughafenlounge und Club. Die dunkelbraunen Ledersofas laden ein, sich zurücksinken zu lassen, doch der 47-Jährige bleibt auf der Kante sitzen. Immer auf dem Sprung.
"Ich bin ehrenamtlich Politiker, ich mache das nebenbei. Und ich finde das sehr wichtig, dass viele Menschen sich engagieren."
Thomas Heilmann ist seit zwei Jahren stellvertretender Landesvorsitzender der Berliner CDU. Von jetzt auf gleich wurde er gewählt, ohne Ochsentour durch die Ortsvereine. Er berät den Landesvorsitzenden Frank Henkel, hat den Online-Auftritt der Partei modernisiert und die Kampagne "100 Lösungen für Berlin" auf die Beine gestellt. Bürgerinnen und Bürger konnten der CDU online mitteilen, welche sie für die wichtigsten Probleme der Stadt halten - die Christdemokraten haben 100 herausgefiltert und Lösungsvorschläge veröffentlicht.
"Das was daran jetzt letztendlich neu war, dass wir die Leute nicht nur persönlich oder über das Telefon befragt haben sondern auch über das Internet. Das halte ich für richtig und zielführend. Aber so sensationell ist das nun auch wieder nicht."
Thomas Heilmann gibt sich bescheiden - aus gutem Grund. Denn als Quereinsteiger und Vertreter einer liberalen Großstadt-CDU hat der Millionär und unverheiratete vierfache Vater nicht nur Freunde in der eigenen Partei. Einige neiden ihm seinen schnellen Aufstieg, finden ihn zu großspurig. Heilmann ist finanziell abgesichert, braucht keinen Senatorenposten. Die Verhandlungen nimmt er deshalb sportlich-spielerisch. Das sei wie eine Firmenfusion.
"Da gibt es auch nächtelange Sitzungen und ganz am Schluss kommt irgendein Anwalt und sagt, aber in der Klausel, Paragraf 17, Absatz vier müssen wir noch einmal rumschrauben. Und alle denken, ach Gott, das muss man jetzt nicht morgens um zwei machen. Also, so ist das auch. Ich habe manches wiedererkannt und das ist auch ehrlich gesagt sehr zwischenmenschlich."
SPD und CDU sind im Zeitplan, am nächsten Mittwoch soll der Koalitionsvertrag stehen. Über Ressortzuschnitte und die Besetzung der Senatorenposten wird zum Schluss entschieden. Am 24. November möchte Klaus Wowereit sich vom Abgeordnetenhaus erneut zum Regierenden Bürgermeister wählen lassen.
"Ich glaube, es gibt eine große Bereitschaft, zu sagen, also jetzt sind wir fünf Jahre Partner mutmaßlich, jetzt muss ich den Partner nehmen wie er ist."
"Also, es ist nach wie vor keine Liebesheirat, aber ich glaube, wir werden sehr gut zusammenarbeiten können."
"Ein Punkt der viel in der Diskussion ist, ist die Bürgerbeteiligung, die Partizipation, hier haben wir uns darauf verständigt, dass wir grundsätzlich der Meinung sind, dass die Bürger stärker beteiligt werden sollen."
Christian Gäbler von der SPD redet und redet: über den Weiterbau der Stadtautobahn 100 - daran war rot-grün gescheitert oder über besseren Schutz für Fußgänger. Darüber, dass die Koalitionäre etwas gegen die Verwahrlosung des öffentlichen Raums tun wollen.
Je länger Gäblers Statement dauert, umso mehr rollt sein CDU-Kollege Bernd Krömer mit den Augen, klopft mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte. Nach einer Viertelstunde ist der Sozialdemokrat fertig, jetzt darf sein Gegenpart von der CDU.
"Wie gut die Atmosphäre in den Gesprächen ist, können Sie daran sehen, dass ich mich nicht eingemischt habe, obwohl Herr Gäbler schon das ganze Papier vorgelesen hat."
Grinsen im Saal. Ja, die Koalitionsverhandlungen haben an diesem Tag länger gedauert als geplant. Ja, einige Punkte wurden auf Freitag vertagt, nicht in allen Fragen konnte man einen Kompromiss aushandeln. Aber grundsätzlich gilt: SPD und CDU kommen gut miteinander aus - besser als alle Beteiligten zuvor dachten. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit:
"Ich hab den Eindruck, beide Seiten gehen sehr konstruktiv miteinander um, da geht es nicht um Streit um des Streites willen oder abhaken, wer setzt sich in dem Punkt durch und wer in dem anderen, sondern es wird gerungen um die beste Sachentscheidung, und darum geht's."
Dabei war die CDU für Wowereit nur zweite Wahl - zunächst verhandelte die SPD mit den Grünen. Doch der Streit um die Stadtautobahn, eine nur knappe rot-grüne Mehrheit im Abgeordnetenhaus und zuletzt auch fehlendes Vertrauen ließ dieses Bündnis - noch bevor es geschmiedet war - scheitern. Trotz der menschlichen Nähe, sagt Berlins SPD-Landeschef Michael Müller ein wenig bedauernd.
"Man kennt sich über viele Jahre und man ist mit einigen auch freundschaftlich gut verbunden und so ist es mit der CDU nicht. Aber ein bisschen Distanz kann ja manchmal auch ganz gut sein. Gerade, wenn man professionell zusammenarbeiten will. Sehr viel Nähe schafft ja auch oft viel Konflikt und ist dann eben ganz besonders enttäuscht vom Gesprächspartner, wenn etwas nicht so klappt wie man will, wie man selbst es erwartet, gerade, wenn man sich sehr nahe steht. Also, diese Distanz, die es durchaus zur CDU gibt, schadet überhaupt nicht."
Die SPD hatte eine lange Liste von Vorbehalten: Die Berliner CDU sei noch die alte Partei der muffigen Hinterzimmer, der Bezirksfürsten, die CDU von Klaus Landowsky, der Berlin einen veritablen Bankenskandal eingebrockt hat, an dem die Stadt finanziell immer noch zu knabbern hat. Eine altmodische, nicht metropolentaugliche Partei. Doch die Christdemokraten haben sich erneuert - stellen die Sozialdemokraten jetzt - etwas überrascht - fest.
"Es gibt mit Sicherheit auch noch die alten Strukturen, die man eben von der alten Berliner CDU kennt. Aber es gibt eben auch neue Köpfe, neue Gesprächspartner, neue Ansprechpartner für uns."
Ein wichtiger neuer Gesprächspartner sitzt jetzt auf einem dunkelbraunen Ledersofa im Foyer der Werbeagentur Scholz & Friends - am Hackeschen Markt.
"Ich bin sozusagen der klassische Quereinsteiger in der Politik."
Thomas Heilmann, Mitgründer von Scholz & Friends. Seine Anteile an der Werbeagentur hat er verkauft, ist aber noch Untermieter in dem supermodernen, im Frühjahr eröffneten Gebäude. Eine Rolltreppe führt in das Foyer mit dem Glasdach, die Atmosphäre eine Mischung aus Flughafenlounge und Club. Die dunkelbraunen Ledersofas laden ein, sich zurücksinken zu lassen, doch der 47-Jährige bleibt auf der Kante sitzen. Immer auf dem Sprung.
"Ich bin ehrenamtlich Politiker, ich mache das nebenbei. Und ich finde das sehr wichtig, dass viele Menschen sich engagieren."
Thomas Heilmann ist seit zwei Jahren stellvertretender Landesvorsitzender der Berliner CDU. Von jetzt auf gleich wurde er gewählt, ohne Ochsentour durch die Ortsvereine. Er berät den Landesvorsitzenden Frank Henkel, hat den Online-Auftritt der Partei modernisiert und die Kampagne "100 Lösungen für Berlin" auf die Beine gestellt. Bürgerinnen und Bürger konnten der CDU online mitteilen, welche sie für die wichtigsten Probleme der Stadt halten - die Christdemokraten haben 100 herausgefiltert und Lösungsvorschläge veröffentlicht.
"Das was daran jetzt letztendlich neu war, dass wir die Leute nicht nur persönlich oder über das Telefon befragt haben sondern auch über das Internet. Das halte ich für richtig und zielführend. Aber so sensationell ist das nun auch wieder nicht."
Thomas Heilmann gibt sich bescheiden - aus gutem Grund. Denn als Quereinsteiger und Vertreter einer liberalen Großstadt-CDU hat der Millionär und unverheiratete vierfache Vater nicht nur Freunde in der eigenen Partei. Einige neiden ihm seinen schnellen Aufstieg, finden ihn zu großspurig. Heilmann ist finanziell abgesichert, braucht keinen Senatorenposten. Die Verhandlungen nimmt er deshalb sportlich-spielerisch. Das sei wie eine Firmenfusion.
"Da gibt es auch nächtelange Sitzungen und ganz am Schluss kommt irgendein Anwalt und sagt, aber in der Klausel, Paragraf 17, Absatz vier müssen wir noch einmal rumschrauben. Und alle denken, ach Gott, das muss man jetzt nicht morgens um zwei machen. Also, so ist das auch. Ich habe manches wiedererkannt und das ist auch ehrlich gesagt sehr zwischenmenschlich."
SPD und CDU sind im Zeitplan, am nächsten Mittwoch soll der Koalitionsvertrag stehen. Über Ressortzuschnitte und die Besetzung der Senatorenposten wird zum Schluss entschieden. Am 24. November möchte Klaus Wowereit sich vom Abgeordnetenhaus erneut zum Regierenden Bürgermeister wählen lassen.
"Ich glaube, es gibt eine große Bereitschaft, zu sagen, also jetzt sind wir fünf Jahre Partner mutmaßlich, jetzt muss ich den Partner nehmen wie er ist."
"Also, es ist nach wie vor keine Liebesheirat, aber ich glaube, wir werden sehr gut zusammenarbeiten können."