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Keine menschliche Besiedlung vor der Toba-Katastrophe

Vor etwa 74.000 Jahren brach der Supervulkan Toba auf Sumatra aus. Die Frage, ob unsere Vorfahren bereits vor diesem Ereignis Sumatra besiedelten, wird unter Experten kontrovers diskutiert. Ja, meinten Forscher vor sechs Jahren im Magazin "Science", nein, sagen nun andere Wissenschaftler in "PNAS".

Von Michael Stang | 11.06.2013
    Die ganze Debatte sei eine Art wissenschaftliche Schlacht zwischen Oxford und Cambridge, vergleichbar mit der berühmten Ruderregatta, so Paul Mellars, Professor für Archäologie der University of Cambridge. Das traditionelle Rennen der Achter zwischen den beiden renommiertesten englischen Universitäten wurde erstmals 1829 ausgetragen. Bei dem nun ausgetragenen fachlichen Streit wird nicht weniger hart gerungen. Aber der Reihe nach.

    2007 berichteten Archäologen aus Oxford im Fachmagazin "Science", wie sich der Ausbruch des indonesischen Vulkans Toba vor rund 74.000 Jahren auf eine altsteinzeitliche Siedlung in Indien ausgewirkt hatte. Die Forscher hatten die Fundstelle Jwalapuram untersucht, die unter einer mehr als zweieinhalb Meter dicken Ascheschicht begraben war. Unterhalb und oberhalb der Ascheschicht entdeckten die Archäologen Werkzeuge, die sich ihrer Meinung nach kaum unterschieden. Die Archäologen folgerten, dass alle Werkzeuge von Homo sapiens stammen und diese dort folglich die Katastrophe überlebt hatten.

    Diese neue Theorie widersprach der gängigen Lehrmeinung. Zudem basierte sie auf nur einer Fundstätte. Die alte, seit Jahrzehnten bestehende Theorie stützte sich dagegen auf Daten aus ganz Asien. Paul Mellars war daher weiter von der alten Theorie überzeugt. So fühlte er sich von seinen Oxforder Kollegen herausgefordert und trug alle Informationen und Beweise zusammen.

    "Und mit diesem Artikel wollten wir nun diese falsche Theorie von 2007 endgültig widerlegen, also dass Vertreter von Homo sapiens bereits vor dem Ausbruchs des Toba vor 74.000 Jahren von Afrika aus nach Indien gekommen waren."

    Um Klarheit zu schaffen, untersuchte Paul Mellars alte und neue archäologische Funde aus Indien, sowohl Werkzeuge als auch Schmuckstücke, die aus der Zeit vor dem Vulkanausbruch stammen und jene, die erst nach der Katastrophe dorthin kamen. Zudem analysierte der britische Forscher mit Kollegen aus England und Portugal die genetischen Veränderungen heutiger Bewohner Asiens, Europas und Afrikas, um auch auf molekularbiologischer Ebene Wanderungsbewegungen zeitlich und räumlich nachvollziehen zu können. Dabei sahen sie, dass Vertreter von Homo sapiens frühestens vor 60.000 Jahren nach Indien gekommen sein können.

    "Und wir haben eindeutige archäologische Beweise aus Indien, dass es dort vor knapp 50.000 Jahren einen dramatischen Wandel in der Technologie gab, weil bestimmte Werkzeuge plötzlich erstmals auftauchen."

    Dabei handelt es sich um moderne Steinwerkzeuge und mit Symbolen verzierte Gegenstände, wie ausgefeilte Klingen oder Eierschalen mit feinen Gravuren, die eindeutig von Homo sapiens stammen. Diese Technologien haben sich in Ostafrika entwickelt und sind von dort aus erst nach Asien gelangt.

    "Sowohl die archäologischen Beweise als auch die aus der Genetik passen perfekt zusammen. Beide besagen, dass vor 60.000 Jahren eine kleine Population über das rote Meer an den Küstenlinien entlang über die Arabische Halbinsel bis nach Indien vor rund 50.000 Jahren gekommen ist."

    Damit ist für Paul Mellars klar, dass Vertreter von Homo sapiens erst lange Zeit nach dem Ausbruch des Vulkans dauerhaft nach Indien gekommen sind. Somit sind jene Menschen, die vor der Katastrophe in Indien lebten, alle ausgestorben. Dies lasse eine frühere Besiedlung Südasiens unserer Vorfahren "bestenfalls höchst unwahrscheinlich erscheinen", erklärt Paul Mellars in britischem Understatement. Damit sieht er auch das Kräfteverhältnis zwischen Oxford und seinem Cambridge wieder ein wenig gerade gerückt. Denn die 159. Auflage der traditionellen Ruderregatta zwischen den beiden Universitäten hatte Oxford erst vor wenigen Wochen dieses Jahr für sich entschieden.