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Keine Namen und Interviews Dietmar Bartsch

Die Chancen von Dietmar Bartsch, Parteichef der Linken zu werden, sind gesteigen. Zu Personalspekulationen will er sich allerdings nicht äußern. Die Lage für die Partei ist auf jeden Fall ernst: Das wird auch auf einem Parteiabend in Sachsen-Anhalt deutlich.

Von Verena Kemna | 12.04.2012
    Etwa 50 Männer und Frauen haben sich an diesem Abend versammelt. Längst wissen auch die Parteimitglieder im Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt, dass Gesine Lötzsch sich überraschend von der Parteispitze zurückgezogen hat. Der Auftritt von Fraktionsvize Dietmar Bartsch ist seit Langem geplant. Auch sein Thema steht lange fest: Es geht um politische und strategische Herausforderungen der Linken vor dem Bundesparteitag im Juni. Dort will der Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern sich zum Parteivorsitzenden wählen lassen. Mit dem Rücktritt der Ostdeutschen Lötzsch sind seine Chancen gestiegen. Fehlt nur die Frau an seiner Seite. Der Name Sahra Wagenknecht wird hoch gehandelt, auch bei der Parteibasis in Sachsen-Anhalt. Dietmar Bartsch wird später am Abend mit vielen Worten nichts zu Personalspekulationen sagen:

    "Ich habe mein Angebot im November als inhaltliches Angebot unterbreitet, weil ich glaube, dass ein weiter so nicht mehr gut ist. Das wird es ja definitiv nicht mehr geben. Ich gebe über kein Medium Empfehlungen ab, insbesondere nicht an Frau Wagenknecht."

    Wer jedoch in die Gesichter der Anwesenden blickt, kann leicht sehen, dass die Lage der Partei ernst ist. Die meisten sehen bedrückt aus, wissen, dass die Linke dringend einen Aufschwung braucht. Auch Peter Trensch, Ortsvorsitzender in Bernburg, ist besorgt. Nach jüngsten Meinungsumfragen liegt seine Partei in der Wählergunst bei gerade einmal fünf Prozent. Und schon im Mai sind Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

    "Es ist nicht gut, wenn die Linken sich so zerreißen, die Medien stürzen sich dann auch stark drauf."

    Fast alle im Raum sind über 60. Die meisten sind sich einig: Die Linke muss wieder näher an den Bürger. Auch Lokalpolitiker Friedrich Schütz meint, dass vieles im Argen liegt.

    "Wir brauchen einerseits ein Programm, in dem wir ausdrücken, was wir wollen. Wir brauchen aber auch ganz konkrete Vorstellungen darüber, wie wir das umsetzen."

    Dann kommt er an in der Provinz, der Vizechef der Bundestagsfraktion und vielleicht auch der künftige Parteivorsitzende, Dietmar Bartsch. Viele im Raum kennt er noch aus PDS-Zeiten. Er lächelt freundlich ins Publikum. Der Mann aus Mecklenburg-Vorpommern, dem viele politische Fähigkeiten nachgesagt werden, erinnert an die Begeisterung und das persönliche Engagement derer, die die Partei vor fast 20 Jahren aufgebaut haben. Niemand stört sich daran, dass das Mikrofon nicht funktioniert, alle hören gespannt zu. Der hochgewachsene 54-Jährige sitzt auf einer provisorischen Bühne, die Beine verdeckt von einer roten Fahne, die über dem Tisch hängt.

    "Wenn irgendwer uns damals gesagt hätte, wir kämpfen in Nordrhein-Westfalen ernsthaft um den Einzug ins Parlament, das hätte niemand geglaubt. Das alles haben wir geschafft in den 20 Jahren. Und wir müssen genau dahin zurückkommen, dass irgendwann die Menschen an den Stand zu uns kommen und sagen: Das habt ihr gut gemacht."

    An den Themen, so Bartsch, könne es jedenfalls nicht liegen, dass die Umfragewerte derart im Keller sind; um dann fast eine Stunde lang über Mindestrente, Mindestlohn, Millionärssteuer und demokratischen Sozialismus zu referieren.

    "Was notwendig ist, ist eine stringente geradlinige Kommunikation auf wenige Themen, das war das Erfolgsrezept von 2009. Mit der Gegnerschaft gegen Hartz IV. Da war das glaubwürdig, dass wir im Bundestagswahlkampf mit vier Themen punkten konnten."

    Zur aktuellen Personaldebatte, gar zu den Führungsqualitäten der zurückgetretenen Gesine Lötzsch äußert er sich nicht. Dietmar Bartsch winkt auf entsprechende Fragen energisch ab. Er will weder Namen nennen noch Interviews geben. Stattdessen wiederholt er mehrmals, dass erst der Parteitag im Juni über die neue Führungsspitze entscheidet. Eine Kampagne mit klaren Botschaften fordert er jetzt schon. Personell und inhaltlich muss der Parteitag in Göttingen ein Zeichen setzen. Umfragewerte um die elf Prozent wie früher sind derzeit für die Linken nur eine Utopie.

    "Das wird eine Mörderanstrengung, da will ich Sie und Euch um Unterstützung bitten. Göttingen muss den Aufbruch bringen, sonst vergeigen wir eine historische Chance, eine Partei links von der SPD zu etablieren."

    Nach eineinhalb Stunden, Stühle rücken und eiliger Aufbruch, nur wenige wollen sich zu den Spekulationen um die neue Parteiführung äußern. Auch kein schlechtes Wort über die zurückgetretene Gesine Lötzsch. Klaus Magenheimer, Fraktionsvorsitzender der Linken im nahe gelegenen Staßfurt, weiß nur, was die neue Parteispitze ausstrahlen sollte.

    "Konstruktive, kämpferische Menschen, die nicht um Befindlichkeiten ringen, sondern um politische Angebote."

    Dietmar Bartsch jedenfalls, der ja seine Kandidatur bereits bekannt gegeben hat, wäre bei der Basis in Bernburg in Sachsen-Anhalt ein gern gesehener Parteichef.

    "Weil er wirklich das Zeug dazu hat und eben wirklich an der Realität auch arbeitet."

    Der Linke aus Mecklenburg-Vorpommern ist an diesem Abend der klare Favorit. Den linken Übervater Lafontaine wünschen sich die meisten ostdeutschen Parteimitglieder als Strippenzieher im Hintergrund.

    "Ob es nun unbedingt Altpolitiker Lafontaine sein muss, weiß ich nicht. Ich bin für Sahra Wagenknecht, aber sie muss natürlich kandidieren. Ob sie das jetzt schon will, weiß ich nicht."

    Sahra Wagenknecht an der Seite von Dietmar Bartsch – für dieses Parteimitglied wäre es die optimale Lösung. Nur, der Fraktionsvize hörte den Wunsch der Basis nicht, er war zu diesem Zeitpunkt schon längst wieder weg.

    Das Personalkarussell beginnt sich zu drehen - Nach dem Rücktritt von Lötzsch entbrennt eine Debatte um die künftige Führung der Linkspartei *