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Keine Spur von Nachhaltigkeit
Wegwerf-Kultur bei Billigklamotten

Die Mode ist nur ein Brandbeschleuniger im angeheizten Konsumfeuer Westeuropas: Billige T-Shirts für eine Saison – ja manchmal auch nur für eine Wäsche. Dass die Kleidungsstücke unter katastrophalen Bedingungen produziert werden, scheint egal zu sein. Dabei hatte doch die Bundesregierung in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, die Rahmenbedingungen für den nachhaltigen Konsum zu verbessern.

Von Benjamin Hammer | 13.07.2015
    Etwa 20 Arbeiterinnen konzentrieren sich an einem langen Tisch auf ihre Nähmaschinen.
    Näherinnen in einer Fabrik im ostchinesischen Huaibei (dpa / picture alliance / Xie Zhengyi)
    Eine Diskussion über nachhaltigen Konsum? Nach einer der dramatischsten politischen Nächte, die Europa in letzter Zeit gesehen hat? Die anwesenden Regierungsvertreter trommelten heute um Aufmerksamkeit, gingen in die Offensive. Ulrich Kelber zum Beispiel, Parlamentarischer Staatssekretär der SPD für den Verbraucherschutz.
    "Weil wir eben glauben, dass diese Themen trotz ja sehr aktueller und brisanter tagespolitischer Themen, man denke nur an die Nacht oder natürlich auch an das Flüchtlingsthema, durchaus Konjunktur in der politischen Debatte haben, und diese Konjunktur sollte auch genutzt werden."
    Schon in der Koalitionsvereinbarung hatte sich die Bundesregierung vorgenommen, die Rahmenbedingungen für nachhaltigen Konsum zu verbessern. Das Ziel ist dabei nicht, dass ein neuer Biosupermarkt hier und da eröffnet, dass eine kleine Gruppe von Kunden zum Bauernhof auf dem Land zum Einkauf fährt. Die Bundesregierung will alle Verbraucher zum Umschwung bewegen. Aber: Das ist gar nicht so einfach. Barbara Hendricks, Bundesumweltministerin.
    "Fast zwei Drittel stimmen der Aussage zu, dass die Umwelt langfristig nur dann geschützt werden kann, wenn alle ressourcenschonend konsumieren. Wenn sich allerdings jeder einmal selbstkritisch hinterfragt, dann wissen wir, dass der Abstand zwischen den guten Absichten und den tatsächlichen Entscheidungen für nachhaltige Produktalternativen doch häufig groß ist."
    Ein Grund für die Zurückhaltung könnte sein, dass sich die Verbraucher beim Konsum nur schwer zurechtfinden. So räumt selbst die Bundesregierung ein: Es gibt zu viele verschiedene Siegel für Nachhaltigkeit. Barbara Hendricks.
    "Daran wollen wir mit dem Programm etwas ändern, zum Beispiel mit Produktkennzeichnungen, die Kundeninformationen, Kaufentscheidungen erleichtern. Mit dem Projekt „Qualitätscheck Siegelklarheit" und mit der Stärkung unseres Vertrauenslabels "Blauer Engel". Nachhaltige Produkte sollen nicht länger die Ausnahme bleiben, sondern zur Regel werden. Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis von Produzenten und Konsumenten für Produkte."
    Auch in den von Deutschland geprägten Beschlüssen des G7-Gipfels von Elmau fand sich das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung wieder. Das Thema hatte Angela Merkel schon vor Jahren zur Chefinnensache gemacht. Der sogenannte Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung ist im Kanzleramt angesiedelt. Anfang Juni fasste er einen Beschluss zum nachhaltigen Konsum. Politikfelder, so der Ausschuss, müssten in Zukunft enger zusammenarbeiten. Also etwa die Unternehmens- und Verbraucherpolitik. Und: Es müsse in Zukunft statistisch überprüfbar sein, wie nachhaltig der Konsum der deutschen Bevölkerung sei.
    "Wir haben gerade den Entwurf für ein nationales Programm für nachhaltigen Konsum erarbeitet. Er befindet sich momentan in der Ressortabstimmung und soll dann als Programm der Bundesregierung beschlossen werden."
    Und: "Jeder muss sich das in Zukunft leisten können", sagt die Ministerin, wohl wissend, dass nachhaltiger Konsum aktuell noch ziemlich teuer sein kann. Viele Beschlüsse, viele Bekenntnisse, die sich, so hofft die Ministerin, auf das Konsumverhalten der Verbraucher durschlagen werden. Ob das gelingt, ist noch unklar. In einem Papier der Bundesregierung heißt es: Verordnen lässt sich nachhaltiger Konsum nicht.