Vor der Schlossmauer steht sie: schief, rostbraun und massiv - eine Stahlplatte. Auf dem Betonsockel brennt eine rote Grabkerze. Walter Hilgarth hat sie entzündet. Wann immer er etwas in der Gemeinde Alkhoven, Ortsteil Hartheim zu erledigen hat, besucht er das Denkmal seines Vaters Leopold Hilgarth und dessen Mitstreiters Ignaz Schuhmann.
"Ignaz Schuhmann stammt ja hier aus dem Haus schräg gegenüber, und beide sind am 9.1.1945 wegen Widerstandes gegen das NS-Regime enthauptet worden, und es freut mich heute, dass es 2002 doch noch geschafft wurde, dass dieses Fallbeil als Mahnmal hier steht und von der Gemeinde Alkhoven gesponsert wurde."
Hier hatten die beiden Widerstandskämpfer 1943 die ersten Schmähschriften mit Kohle auf die Schlossmauer geschrieben: "Österreicher! Hitler hat den Krieg begonnen, Hitlers Sturz wird ihn beenden!"
"Schuhmann und mein Vater haben sich eben getraut, hier vehement, soweit es ihnen möglich war, darauf hinzuweisen, hier hinter diesen Mauern passiert Mord. Sie waren sozusagen die einzigen und haben den Mut gehabt."
Der 66-jährige Walter Hilgarth kann jetzt stolz sein auf seinen Vater, und dafür hat er lange gekämpft. Sein Heimatort Alkhoven hat es ihm nicht leicht gemacht, ihm, dem Sohn eines Widerstandskämpfers. Kindheitserinnerungen kommen hoch - Erinnerungen an eine Rauferei nach einem Fußballspiel.
"Und die sind dann auf mich los gegangen und einer hat gemeint, des is eh ein Bua von einem Kriegsverbrecher, hauts en nieder so auf gut Lausbubenart. Und ich hab mir diesen Mitschüler, der um einen Kopf größer war, hab ich vor Wut so verdroschen, dass mich meine Schulfreunde abgehalten haben; weil die Ausdrucksweise meines Mitschülers hat mich gekränkt, das Wort, Sohn eines Kriegsverbrechers, das war fürchterlich."
Walter Hilgarth wohnt heute mit seiner Frau in der Kreisstadt Eferding, zirka zehn Kilometer von seinem Heimatort entfernt. Auf dem Küchentisch seines schmucken Einfamilienhauses breitet er Unterlagen und Dokumente aus. Nachdem er lange Zeit keine Antworten auf seine Fragen bekam, begann er selbst zu recherchieren. Als Beamter im Bezirksgericht Eferding fand er erste Hinweise.
"Plötzlich hatte ich einen Akt in der Hand: minderjährige Kinder Hilgarth, erst der Walter, das bin ich usw. und da fand ich ein Blatt Papier wo drauf stand was wir zurückerhielten aus dem Wäschebestand meines Vaters, und da war auch die zerbrochene Brille dabei. Das war so: Ich hab mehrmals mit meiner Mutter geredet, was der Papa gesehen hat mit der Brille. Und sie hat wieder alles verworfen, sie hat verschwiegen alles. Als Erinnerungsstück hat sie es aufgehoben. Heut weiß ich was gemeint war, ne. Ich mein, was er wirklich gesehen hat durch die Brilln, nix hat er gesehn, aber eins hat er wahrscheinlich gesehn, ein freies demokratisches Österreich."
Walter Hilgarth steigen die Tränen in die Augen, wenn er daran denkt. Seine Nachforschungen führten ihn 1996 bis in Berliner Bundesarchiv, wo er die Gerichtsakte seines Vaters einsehen konnte.
"Und hab dann freudig am selben Abend meine Frau angerufen und hab gesagt: Du, jetzt weiß i endlich, i bin Sohn eines Opfers und nicht eines Täters."
Leopold Hilgarth, Eisenbahner und Sozialdemokrat, war der politische Kopf der kleinen Alkhovener Widerstandsgruppe. Er schrieb Flugblätter gegen das Hitler-Regime, der Bauernsohn Ignaz Schuhmann druckte und verteilte sie.
"Ja, wenn i dran denk, dass bei der Moskauer Deklaration 1943 bereits von den Alliierten ausgehandelt wurde, wenn Österreich nachweisen kann, dass es Personen gibt, die nachweislich gegen das Regime gearbeitet haben, dann wird Österreich nach dem Krieg frei, dann hat er den österreichischen Staatsvertrag mit seiner Sterbeurkunde herbeigeführt. So gesehen bin ich stolz, nicht."
Manchmal radelt Walther Hilgarth mit dem Fahrrad zur Donau, vorbei an seinem Geburtsort Gstocket in den Donauauen, wo der Alkhovener Widerstand begann. Am Donauufer rastet er für eine Augenblick, an jener Stelle, wo Knochen und Asche der Mordopfer von Hartheim in die Donau gekippt wurden.
"Hier ist ein Gedenkstein angebracht, der darauf hinweist, dass zwischen 1940 und 1944 etwa 30.000 behinderte Menschen in Hartheim ums Leben gekommen sind. Das Wasser löschte die Spuren, die das Gedächtnis bewahrt."
Die Mahnmale wider das Vergessen, der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim, sind ihm letztendlich zu einem Ort der Versöhnung geworden, auch mit seinem Heimatdorf.
"Mir ist sicher wichtig, dass hier eine gewisse Aufklärung von Seiten der Gemeinde auch kommt, sie hat ja schlussendlich das Denkmal errichten lassen und dass hier die Bevölkerung von Alkhoven und Hartheim besser aufgeklärt wird."
Eine letzte Rehabilitation war er sich und seinem Vater noch schuldig. Unlängst ließ er das Todesurteil gegen seinen Vater aufheben. Sechzig Jahre nach Kriegsende ist er nun de jure vor dem österreichischen Gesetz kein Kriegsverbrecher mehr.
"Zur Aufhebung des Todesurteils muss ich eines noch sagen, dass heuer im Jahr 2005, im Gedenkjahr, der österreichische Nationalrat ein Gesetz beschlossen hat, wonach alle Urteile gegen Widerstandskämpfer als null und nichtig gelten, jetzt!"
"Ignaz Schuhmann stammt ja hier aus dem Haus schräg gegenüber, und beide sind am 9.1.1945 wegen Widerstandes gegen das NS-Regime enthauptet worden, und es freut mich heute, dass es 2002 doch noch geschafft wurde, dass dieses Fallbeil als Mahnmal hier steht und von der Gemeinde Alkhoven gesponsert wurde."
Hier hatten die beiden Widerstandskämpfer 1943 die ersten Schmähschriften mit Kohle auf die Schlossmauer geschrieben: "Österreicher! Hitler hat den Krieg begonnen, Hitlers Sturz wird ihn beenden!"
"Schuhmann und mein Vater haben sich eben getraut, hier vehement, soweit es ihnen möglich war, darauf hinzuweisen, hier hinter diesen Mauern passiert Mord. Sie waren sozusagen die einzigen und haben den Mut gehabt."
Der 66-jährige Walter Hilgarth kann jetzt stolz sein auf seinen Vater, und dafür hat er lange gekämpft. Sein Heimatort Alkhoven hat es ihm nicht leicht gemacht, ihm, dem Sohn eines Widerstandskämpfers. Kindheitserinnerungen kommen hoch - Erinnerungen an eine Rauferei nach einem Fußballspiel.
"Und die sind dann auf mich los gegangen und einer hat gemeint, des is eh ein Bua von einem Kriegsverbrecher, hauts en nieder so auf gut Lausbubenart. Und ich hab mir diesen Mitschüler, der um einen Kopf größer war, hab ich vor Wut so verdroschen, dass mich meine Schulfreunde abgehalten haben; weil die Ausdrucksweise meines Mitschülers hat mich gekränkt, das Wort, Sohn eines Kriegsverbrechers, das war fürchterlich."
Walter Hilgarth wohnt heute mit seiner Frau in der Kreisstadt Eferding, zirka zehn Kilometer von seinem Heimatort entfernt. Auf dem Küchentisch seines schmucken Einfamilienhauses breitet er Unterlagen und Dokumente aus. Nachdem er lange Zeit keine Antworten auf seine Fragen bekam, begann er selbst zu recherchieren. Als Beamter im Bezirksgericht Eferding fand er erste Hinweise.
"Plötzlich hatte ich einen Akt in der Hand: minderjährige Kinder Hilgarth, erst der Walter, das bin ich usw. und da fand ich ein Blatt Papier wo drauf stand was wir zurückerhielten aus dem Wäschebestand meines Vaters, und da war auch die zerbrochene Brille dabei. Das war so: Ich hab mehrmals mit meiner Mutter geredet, was der Papa gesehen hat mit der Brille. Und sie hat wieder alles verworfen, sie hat verschwiegen alles. Als Erinnerungsstück hat sie es aufgehoben. Heut weiß ich was gemeint war, ne. Ich mein, was er wirklich gesehen hat durch die Brilln, nix hat er gesehn, aber eins hat er wahrscheinlich gesehn, ein freies demokratisches Österreich."
Walter Hilgarth steigen die Tränen in die Augen, wenn er daran denkt. Seine Nachforschungen führten ihn 1996 bis in Berliner Bundesarchiv, wo er die Gerichtsakte seines Vaters einsehen konnte.
"Und hab dann freudig am selben Abend meine Frau angerufen und hab gesagt: Du, jetzt weiß i endlich, i bin Sohn eines Opfers und nicht eines Täters."
Leopold Hilgarth, Eisenbahner und Sozialdemokrat, war der politische Kopf der kleinen Alkhovener Widerstandsgruppe. Er schrieb Flugblätter gegen das Hitler-Regime, der Bauernsohn Ignaz Schuhmann druckte und verteilte sie.
"Ja, wenn i dran denk, dass bei der Moskauer Deklaration 1943 bereits von den Alliierten ausgehandelt wurde, wenn Österreich nachweisen kann, dass es Personen gibt, die nachweislich gegen das Regime gearbeitet haben, dann wird Österreich nach dem Krieg frei, dann hat er den österreichischen Staatsvertrag mit seiner Sterbeurkunde herbeigeführt. So gesehen bin ich stolz, nicht."
Manchmal radelt Walther Hilgarth mit dem Fahrrad zur Donau, vorbei an seinem Geburtsort Gstocket in den Donauauen, wo der Alkhovener Widerstand begann. Am Donauufer rastet er für eine Augenblick, an jener Stelle, wo Knochen und Asche der Mordopfer von Hartheim in die Donau gekippt wurden.
"Hier ist ein Gedenkstein angebracht, der darauf hinweist, dass zwischen 1940 und 1944 etwa 30.000 behinderte Menschen in Hartheim ums Leben gekommen sind. Das Wasser löschte die Spuren, die das Gedächtnis bewahrt."
Die Mahnmale wider das Vergessen, der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim, sind ihm letztendlich zu einem Ort der Versöhnung geworden, auch mit seinem Heimatdorf.
"Mir ist sicher wichtig, dass hier eine gewisse Aufklärung von Seiten der Gemeinde auch kommt, sie hat ja schlussendlich das Denkmal errichten lassen und dass hier die Bevölkerung von Alkhoven und Hartheim besser aufgeklärt wird."
Eine letzte Rehabilitation war er sich und seinem Vater noch schuldig. Unlängst ließ er das Todesurteil gegen seinen Vater aufheben. Sechzig Jahre nach Kriegsende ist er nun de jure vor dem österreichischen Gesetz kein Kriegsverbrecher mehr.
"Zur Aufhebung des Todesurteils muss ich eines noch sagen, dass heuer im Jahr 2005, im Gedenkjahr, der österreichische Nationalrat ein Gesetz beschlossen hat, wonach alle Urteile gegen Widerstandskämpfer als null und nichtig gelten, jetzt!"