Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Keine Vogelgrippeviren im Trinkwasser

Medizin. - Die Vogelgrippeviren vom auch für den Menschen gefährlichen Typ H5N1 breitet sich immer weiter aus. Die EU-Gesundheitsminister haben auf ihrer Sitzung in Wien bekräftigt, dass für Menschen so lange keine Gefahr besteht, wie der direkte Kontakt zu den erkrankten Vögeln unterbleibt. Zwar gibt es Viren, die sich über das Wasser verbreiten, doch noch hat sich das Influenzavirus diesen Weg nicht erschlossen.

Von Hellmuth Nordwig | 24.02.2006
    Vor fünfzig Jahren erkrankten in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi fast 30.000 Menschen an Hepatitis, deren Erreger aus dem Wasserhahn kamen. Auch sonst tauchen immer wieder Viren im Trinkwasser auf und lösen Epidemien aus, sagt Dr. Gundula Jäger, Virologin an der Universität München.

    "Das ist schon lange bekannt, und man kennt epidemische Ausbrüche von Hepatitis A und Hepatitis E. Inzwischen hat man auch weitere Viren im Trinkwasser gefunden, zum Beispiel die Noroviren."

    Gerade die Hepatitis-Viren überleben im Wasser lange Zeit. Für die bisher aufgetretenen Influenza-Viren des Menschen trifft das aber nicht zu, sie sind im Wasser relativ instabil. Dazu kommt, dass sie nicht mit dem Stuhl ausgeschieden werden; die Influenza des Menschen überträgt sich nur durch Tröpfcheninfektion, also vor allem durch Anhusten. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand ist eine Übertragung über das Trinkwasser also nicht denkbar, sagt ein Sprecher des Umweltbundesamts auf Anfrage, und das bestätigt auch Gundula Jäger.

    "Es gibt, soweit ich die Literatur kenne, keinerlei Nachweis, dass Trinkwasser Infektionen verursacht hat, auch wenn es immer wieder Spekulationen gibt. Es gibt nicht einmal gute Daten, dass es nachgewiesen worden ist."

    "Nicht nachgewiesen" ist natürlich nicht gleichbedeutend mit "nicht vorhanden". Hätten Influenza-Viren im Trinkwasser aber jemals eine Rolle gespielt, dann wäre das vermutlich aufgefallen. Jäger:

    "Die typische Situation, wenn etwas über Trinkwasser übertragen wird, ist eigentlich, dass es dann zu einem epidemischen Ausbruch kommt. Genau das sehen wir bei der Influenza typischerweise nicht. Das heißt, wir sehen nicht an einem Tag in verschiedenen Haushalten ganz viele Infektionen. Und das würde man eigentlich erwarten."

    All das gilt, wie erwähnt, nur für die Influenza-Viren des Menschen, die bisher aufgetreten sind. Von der Vogelgrippe ist dagegen sehr wohl bekannt, dass die Viren im Wasser vorkommen und über das Wasser von einem Tier auf das andere übertragen werden. Landwirte sollten deshalb zurzeit keinesfalls Tiere mit Wasser tränken, das mit Vogelkot verunreinigt sein könnte. Aber, so Jäger:

    "Die Tatsache, dass bevorzugt Wasservögel die Vogelgrippe haben und über die Exkremente das Virus absetzen, heißt noch lange nicht, dass es im Trinkwasser vorkommt. Es kommt ja sehr darauf an, wo das Trinkwasser gewonnen wird."

    In Deutschland zumeist aus Grundwasser, das durch den Boden gefiltert und dadurch auch von Viren gereinigt wird. Vor allem in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wird aber Trinkwasser auch aus Talsperren gewonnen, und da ist eine Verunreinigung mit dem Influenza-Virus von Vögeln denkbar. Wegen der großen Verdünnung ist es dennoch unwahrscheinlich, dass die für eine Infektion erforderliche Virusmenge, mindestens eine Milliarde Vogelgrippe-Viren, bis in den Wasserhahn gelangt. Zum Vergleich: Bei der menschlichen Influenza reichen bereits zehn Viren, um eine Infektion auszulösen. Bleibt die Frage: Was passiert, wenn aus den Viren von Vögeln und Menschen ein neuer Erreger entsteht? Sollten die Wasserversorger für diesen Fall jetzt schon vorbeugen? Die Virologin Gundula Jäger:

    "Nur wenn nachgewiesen wird, dass wirklich ein Infektionsrisiko davon ausgeht, lohnt sich so etwas. Wobei die Entfernung von Viren aus Trinkwasser relativ komplex ist, also das geht nicht so einfach."

    Denn die üblichen Methoden zur Entfernung von Keimen zerstören Viren nicht zuverlässig. Weder UV-Strahlung noch die Behandlung mit Chlor oder Ozon bieten einen hundertprozentigen Schutz. Wirksam sind spezielle Ultrafilter, wie sie beispielsweise in einigen Wasserwerken in den Niederlanden eingesetzt werden, aber nicht in Deutschland. Bleibt eine einfache Möglichkeit: Auch Abkochen zerstört Viren innerhalb einer Minute - jedenfalls diejenigen, die bisher aufgetreten sind.