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Keine Zwangsmitgliedschaft mehr bei Jagdgenossenschaften

Das Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das deutsche Jagdrecht eingeschränkt. Bisher waren Eigentümer von Grundstücken unter 75 Hektar automatisch Mitglied in einer Jagdgenossenschaft und mussten die Jagd auf ihrem Grundstück dulden. Doch damit ist jetzt Schluss.

Von Ludger Fittkau |
    "Wenn sie mich als Jagdpraktiker fragen, muss ich ihnen spontan sagen, ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie das in der Praxis funktionieren soll. Das ist eine Schwierigkeit, die man dann berücksichtigen müsste in der Praxis, bei der ich derzeit keine Idee habe, wie das gehändelt werden könnte."

    Martin Döscher ist kein Jagdfanatiker. Der Revierförster und Ortsbürgermeister von Börfink im Hunsrück engagiert sich gerade für die Gründung des ersten rheinland-pfälzischen Nationalparks in seinem Revier – dann dürfte hier auf mehr als 6000 Hektar Wald - und Wiesenland gar nicht mehr gejagt werden. Aber das außerhalb eines Nationalparks in den hiesigen Wäldern gejagt werden muss, um den ökologischen Kreislauf des Waldes zu erhalten daran hat Martin Döscher keinen Zweifel. Deshalb hält er das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte für keine gute Nachricht für die Buchenwälder im Hunsrück:

    "Die Jagdausübung ist denke ich in Waldbiotopen sehr wichtig, wenn einem daran gelegen ist, die natürlichen Kreisläufe in Gang zu halten, den Wald sich selbst verjüngen zu lassen, dann ist insbesondere die Bejagung der Schalenwildarten, also Rehwild und Rotwild, Schwarzwild gehört auch dazu, ist für den Wald aber eher positiv, wenn viel Schwarzwild da ist, aber Rehwild und Rotwild muss bejagt werden, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass Wilddichten auftreten, die eine natürliche Verjüngung des Waldes nicht mehr gestatten. Und aus dem Grund ist es einfach wichtig, weil natürlich Feinde dieser beiden Wildarten fehlen, durch Jagd die Wilddichte so einzuregulieren, dass der Wald gut weiter wächst."

    In Deutschland gibt es auf allen für die Jagd geeigneten Grundstücken eine Jagdpflicht, unabhängig davon, ob sie in privatem oder öffentlichem Eigentum sind. Rund 4 Millionen Grundeigentümer sind hierzulande bisher Zwangsmitglieder in 40.000 Jagdgenossenschaften, um die Jagd auf ihren Grundstücken möglich zu machen.

    Die deutschen Behörden müssen nun den Grundsatzbeschluss des Europäischen Gerichtshofs gegen die Zwangsmitgliedschaft in nationales Recht umsetzen – wie, bleibt ihnen überlassen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und der Deutsche Jagdschutzverband bedauern die Entscheidung des Europäischen Gerichtes – weisen aber darauf hin, dass die aktuelle Rechtslage bis auf Weiteres gilt. Tierschützer hingegen begründen das Urteil ausdrücklich. Dr. Matthias Schneider ist Landrat des Kreises Birkenfeld im rheinland-pfälzischen Nahe-Hunsrück-Gebiet, eine der waldreichsten Regionen des Landes. Die Auflösung der Zwangsmitgliedschaft in den Jagdgenossenschaften kann sich der CDU-Politiker nicht vorstellen:

    "Wenn einzelne Grundbesitzer dem Jagdausübungsrecht des Jägers draußen widersprechen können, ergeben sich dadurch natürlich massive Behinderungen für die Jagdausübung im Gelände. Und zudem wird es gerade in genossenschaftlichen Jagdbezirken sämtliche Jagdgenossenschaften völlig auf den Kopf stellen. Also den Abstimmungsprozessen, die dann überhaupt noch eine Jagdausübung ermöglichen, denen sehe ich mit viel Spannung entgegen. Ich kann mir das nicht vorstellen, dass das Urteil praktikabel ist."

    Gerhard Kunz, Jäger und Naturschützer aus dem benachbarten saarländischen St. Wendel hat hingegen Verständnis für Grundbesitzer, die auf ihren Parzellen keine Jagd zulassen wollen und sich deswegen gegen die Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften wehren:

    "Das sind Beschränkungen der Eigentumsrechte. Es gibt mittlerweile sehr viele Leute, die sehen in der Jagd einen Anachronismus, der in unsere Zeit nicht mehr hineinpasst. Einfach aufgrund der Tatsache, dass die Zahl der jagdbaren Tiere unheimlich zurückgegangen ist. Zum Beispiel Rebhuhn steht auf der Roten Liste, der Feldhase ist aus der Feldflur fast verschwunden, die ganze Niederwildjagd ist, kann man sagen, zum Erliegen gekommen."

    Doch Schwarz-, Rot - und Rehwild muss zum Schutz des Waldes weiterhin bejagt werden – da sind sich die Experten einig. Das europäische Urteil gegen die Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften dürfte diese Jagd jedoch künftig deutlich schwieriger machen.