"Phasenweise war sie ganz normal, aber dann bekam sie ihre Schübe und ist total ausgeflippt."
Milena, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte, erzählt vom Leben mit ihrer psychisch kranken Mutter. Im Alter von neun oder zehn Jahren wurde dem Kind allmählich klar, dass etwas mit ihr nicht stimmte:
"Das war manchmal ziemlich peinlich, wenn sie in einer manischen Phase ihr Oberteil hochzog, nackt am See stand, und geschrieen hat: "Siehst Du, dein Mann findet mich doch heiß". Oder einfach nur ihre Klamotten: So rennt halt eine Mutter nicht rum; mit Minirock und knallrosa Lippenstift."
"Schizoaffektive Psychose" diagnostizierten die Ärzte später - ein Wechselbad aus manisch-depressiven Gefühlen und Schizophrenie. Milena fühlte sich in solchen Phasen oft hilflos und hatte große Angst:
"Oft war es so, dass sie nachts nicht geschlafen hat und laut Musik hörte oder total psychotisch wurde und ihre Arme nicht mehr haben wollte. In der Zeit habe ich mich einfach in mein Zimmer verkrochen, mich unter der Decke versteckt und gewartet bis alles wieder vorbei ist."
Wenn die Psychose durchbrach, geriet das Kind auch in durchaus gefährliche Situationen, etwa wenn sie als 10-Jährige ins Steuer greifen musste, um das Auto auf die richtige Fahrbahnseite zu lenken oder:
"Sie bekam auch so Hyperventilationsanfälle auf der Autobahn und ich musste dann aussteigen und ein Auto anhalten, um meine Mutter ins Krankenhaus zu bringen.
Das muss man sich mal vorstellen, ich stand dann als Kind ungeschützt an einer stark befahrenen Autobahn herum."
Milena weiß heute manchmal nicht mehr, wie sie das alles überstanden hat; vor allem die in den Krankheitsphasen ständig drohende Willkür und Unsicherheit.
"Wenn die Psychose wieder anfing, hat sie mich ganz oft angeschrieen und mir vorgeworfen, dass ich an allem schuld sei und dass sie nur wegen mir ein solches Leben führen müsse und dass sie jetzt endlich ihr eigentliches, wahres Ich zeigen könne. Oder wir sind in Urlaub gefahren und ich musste allein quer durch Europa zurückfahren, um meine Mathe-Klausur schreiben zu können, weil sich meine Mutter einfach weigerte, mit mir zurückzufahren."
Es gab auch Zeiten, da war ihre Mutter ganz normal, eine liebevolle und fürsorgliche Frau, die sich um den Haushalt und Schulalltag ihrer Tochter kümmerte - aber bald wieder das Gegenteil:
"Mutter da, Mutter weg, Mutter da, Mutter weg und man wusste halt nicht warum und dann dachte man natürlich, man ist selber schuld."
Selbstzweifel waren die Folge. Aus Milenas heutiger Sicht war der undurchschaubare "Gefühlswust", der da als Kind auf sie einstürmte und den sie überhaupt nicht einordnen konnte, das Schwierigste und ...
"Eltern sind ja die Bezugspersonen Nummer Eins im Leben, deswegen will man auch nicht wahrhaben, dass mit diesen Bezugspersonen etwas nicht stimmt, weil man ja als Kind dann keinen Boden mehr unter den Füßen hat."
Hilfe von außen bekam sie nicht - Nur sehr sporadisch von Freunden oder dem Lebensgefährten ihrer Mutter. Nachbarn sahen weg, Lehrer hakten zu wenig nach und die Großmutter verdrängte die Krankheit ihrer Tochter. Trotz allem schaffte Milena das Abitur und ist heute Studentin. " Wie man sieht, hab ich's überlebt", sagt sie nicht ohne Bitterkeit. Als sie mit 14 von der Mutter aus der Wohnung geworfen wurde, kam sie in eine vom Jugendamt betreute Wohngruppe und begann eine Therapie. Die hat ihr geholfen, Wunden zu heilen. Aber die Narben sind geblieben.
"Wenn es mir schlecht geht, falle ich schneller in ein "schwarzes Loch", als andere. Und ich bin manchmal tierisch sauer auf meine Mutter, weil sie - auch wenn es ihr besser geht - nicht mit mir darüber sprechen möchte, was damals passiert ist."
Milena, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte, erzählt vom Leben mit ihrer psychisch kranken Mutter. Im Alter von neun oder zehn Jahren wurde dem Kind allmählich klar, dass etwas mit ihr nicht stimmte:
"Das war manchmal ziemlich peinlich, wenn sie in einer manischen Phase ihr Oberteil hochzog, nackt am See stand, und geschrieen hat: "Siehst Du, dein Mann findet mich doch heiß". Oder einfach nur ihre Klamotten: So rennt halt eine Mutter nicht rum; mit Minirock und knallrosa Lippenstift."
"Schizoaffektive Psychose" diagnostizierten die Ärzte später - ein Wechselbad aus manisch-depressiven Gefühlen und Schizophrenie. Milena fühlte sich in solchen Phasen oft hilflos und hatte große Angst:
"Oft war es so, dass sie nachts nicht geschlafen hat und laut Musik hörte oder total psychotisch wurde und ihre Arme nicht mehr haben wollte. In der Zeit habe ich mich einfach in mein Zimmer verkrochen, mich unter der Decke versteckt und gewartet bis alles wieder vorbei ist."
Wenn die Psychose durchbrach, geriet das Kind auch in durchaus gefährliche Situationen, etwa wenn sie als 10-Jährige ins Steuer greifen musste, um das Auto auf die richtige Fahrbahnseite zu lenken oder:
"Sie bekam auch so Hyperventilationsanfälle auf der Autobahn und ich musste dann aussteigen und ein Auto anhalten, um meine Mutter ins Krankenhaus zu bringen.
Das muss man sich mal vorstellen, ich stand dann als Kind ungeschützt an einer stark befahrenen Autobahn herum."
Milena weiß heute manchmal nicht mehr, wie sie das alles überstanden hat; vor allem die in den Krankheitsphasen ständig drohende Willkür und Unsicherheit.
"Wenn die Psychose wieder anfing, hat sie mich ganz oft angeschrieen und mir vorgeworfen, dass ich an allem schuld sei und dass sie nur wegen mir ein solches Leben führen müsse und dass sie jetzt endlich ihr eigentliches, wahres Ich zeigen könne. Oder wir sind in Urlaub gefahren und ich musste allein quer durch Europa zurückfahren, um meine Mathe-Klausur schreiben zu können, weil sich meine Mutter einfach weigerte, mit mir zurückzufahren."
Es gab auch Zeiten, da war ihre Mutter ganz normal, eine liebevolle und fürsorgliche Frau, die sich um den Haushalt und Schulalltag ihrer Tochter kümmerte - aber bald wieder das Gegenteil:
"Mutter da, Mutter weg, Mutter da, Mutter weg und man wusste halt nicht warum und dann dachte man natürlich, man ist selber schuld."
Selbstzweifel waren die Folge. Aus Milenas heutiger Sicht war der undurchschaubare "Gefühlswust", der da als Kind auf sie einstürmte und den sie überhaupt nicht einordnen konnte, das Schwierigste und ...
"Eltern sind ja die Bezugspersonen Nummer Eins im Leben, deswegen will man auch nicht wahrhaben, dass mit diesen Bezugspersonen etwas nicht stimmt, weil man ja als Kind dann keinen Boden mehr unter den Füßen hat."
Hilfe von außen bekam sie nicht - Nur sehr sporadisch von Freunden oder dem Lebensgefährten ihrer Mutter. Nachbarn sahen weg, Lehrer hakten zu wenig nach und die Großmutter verdrängte die Krankheit ihrer Tochter. Trotz allem schaffte Milena das Abitur und ist heute Studentin. " Wie man sieht, hab ich's überlebt", sagt sie nicht ohne Bitterkeit. Als sie mit 14 von der Mutter aus der Wohnung geworfen wurde, kam sie in eine vom Jugendamt betreute Wohngruppe und begann eine Therapie. Die hat ihr geholfen, Wunden zu heilen. Aber die Narben sind geblieben.
"Wenn es mir schlecht geht, falle ich schneller in ein "schwarzes Loch", als andere. Und ich bin manchmal tierisch sauer auf meine Mutter, weil sie - auch wenn es ihr besser geht - nicht mit mir darüber sprechen möchte, was damals passiert ist."