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Keiner liebt sie, keiner gibt sie

Mit der digitalen Signatur sollte auch der lang ersehnte Durchbruch im E-Commerce kommen und selbst umständliche Behördengänge auf Minuten schnelle Cyber-Besuche im Amt schrumpfen. Aber die digitale Signatur liegt im komatösen Dornröschenschlaf, so das Credo einer Wissenschaftspressekonferenz zur elektronischen Unterschrift, die vergangene Woche in Bonn stattfand.

Sascha Ott |
    Der Abstieg vom Wunderkind zum Sorgenkind dauerte für die Digitale Signatur gut ein Jahr. Als der Bundestag im Mai vor einem Jahr die Zulassung erteilte, schien der Weg frei für eine allgemeine Verbreitung der elektronischen Unterschrift. Bis heute wird diese Möglichkeit der sicheren Datenübertragung aber im Geschäftsleben kaum verwendet. Das zeigte auch die 9.Sicherheitsstudie der Zeitschrift für Kommunikations- und EDV-Sicherheit und des Wirtschaftsprüfungs-Unternehmens KPMG. Dazu Projektleiter Norbert Luckhardt: "Es wird momentan in den großen Unternehmen in Deutschland die digitale Signatur noch sehr zurückhaltend eingesetzt. Und das gilt besonders für die hochwertigen gesetzeskonformen Signaturen." So setzten beispielsweise nur 25 Prozent der Unternehmen in der Kommunikation von Geschäft zu Geschäft überhaupt digitale Signaturen einsetzen. Auch sei bei den 260 befragten Unternehmen kaum Bereitschaft zu erkennen, die sichere digitale Unterschrift in naher Zukunft einzuführen.

    Kein Wunder, dass auch private Verbraucher bisher kaum einen Grund sehen, sich entsprechende Chip-Karte nebst Lesegerät zu kaufen. Einerseits fehlten bisher nennenswerte Einsatzmöglichkeiten für solche Ausrüstung, zum anderen hielten sich die Verbraucher noch zurück, weil sie die Kosten scheuen, betont Sabine Kockskämper von TC Trustcenter aus Hamburg: "Ungeklärt ist etwa, wer die Infrastruktur finanzieren soll. Der Bürger möchte es nicht - zusätzliche Sicherheit darf nichts kosten." Weil Nutzer, Staat und Handel diese Infrastruktur nutzen könnten, müsse eine Lösung zur Aufteilung der Kosten sowie geeignete Refinanzierungskonzepte gesucht werden.

    Das TC Trustcenter ist einer von 17 anerkannten deutschen Zertifizierungsanbietern, die für die Digitale Signatur eine wichtige Rolle spielen. Hier werden die geheimen Code-Daten ausgegeben und verwaltet. Die Deutsche Post AG verabschiedete sich vor einem Monat aus dem Betätigungsfeld – sie löst ihr Unternehmen Signtrust auf. Begründung: Der schwache Internet-Markt, ein Paradefeld für die Digitale Signatur, zwinge zu diesem Schritt, so das Unternehmen. Damit werde ein fatales Zeichen für einen ohnehin verunsicherten Markt gesetzt, meint Norbert Luckhardt: "Ich finde es schade, dass gerade der sich zurück gezogen hat, der von Anfang eigentlich versprochen hat, Anwendungen ins Feld zu führen und nicht nur Infrastruktur zu bieten." Derweil sieht die Konkurrenz das Verschwinden von Signtrust verständlicherweise von der positiven Seite: "Die Wettbewerber wurden dadurch hellhörig und überlegen sich jetzt, wie die digitale Signatur in Deutschland unterstützt werden kann", so Kockskämper

    Und tatsächlich löste der Rückzug von Signtrust eine intensive Diskussion über die Zukunft der Digitalen Signatur aus. Dabei fordern die beteiligten Parteien - Staat, Banken und Industrie - die jeweils anderen zur verstärkten Initiative auf. Aber niemand traut sich so recht zum ersten Schritt und Geld in einen unsicheren Markt zu investieren. Das Wirtschaftsministerium fordert die großen Banken zu einer Vorreiterrolle auf. Aber dort ist die Risikobereitschaft gering. Niemand möchte einen ähnlichen Flop erleben wie die Dresdner Bank mit ihrer kürzlich eingestellten Geldkarte. Wissenschaftler, aber auch das Wirtschaftsministerium fordern hingegen, der Staat müsse die Arbeit der Trustcenter als hoheitliche Aufgabe an sich ziehen. Dagegen wehren sich aber kommerzielle Anbieter wie TC Trustcenter, eine Tochter der deutschen Großbanken. Dazu Sabine Kockskämper: "Es muss nicht unbedingt eine hoheitliche Aufgabe sein, Zertifikate und digitale Identitäten zu generieren." Vielmehr solle der Staat zwischen den Beteiligten Interessengruppen moderieren. Einen solchen Runden Tisch schlug jetzt auch das Wirtschaftsministerium vorgeschlagen. Mit einem "Bündnis für E-Signaturen" soll aus dem Trauerspiel doch noch eine Erfolgsgeschichte werden.