Freitag, 19. April 2024

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'Kennedy/Harrell - Duos for Violin & Cello'

Für die EMI haben sich der Geiger Nigel Kennedy und der Cellist Lynn Harrell zusammengetan. Harrell ist ein großer Vertreter seines Instruments. Über Nigel Kennedy gehen die Ansichten weit auseinander; jedenfalls hält sich hartnäckig der Verdacht, er habe weiland nur deswegen eine eigene übrigens ziemlich konfuse Kadenz zum Brahms-Konzert gespielt, weil ihm die Joachim-Kadenz schlicht zu schwer war. Die CD trägt groß den Titel "Kennedy/Harrell" und klein die Unterzeile "Duos for Violin & Cello". Es geht um zwei Originalkompositionen, nämlich die Sonate von Maurice Ravel und das ausladende, 25 Minuten währende Duo von Zoltán Kodály, und um zwei Bearbeitungen, nämlich um die Passacaglia aus Händels g-moll-Cembalosuite und die zweistimmige Invention Nr. 6 in E-dur von Bach. Die Ravel-Sonate ist ein grandioser Essay über die Möglichkeiten, mit sparsamster Besetzung eine Überfülle von Klangreiz zu realisieren. Hier ist der Cellist Lynn Harrell in seinem Element. Er muß freilich auch sozusagen den Part des Pianisten Maurice Ravel übernehmen. Demgegenüber spielt Nigel Kennedy geradezu schmerzhaft geradeaus, ohne Raffinesse; nur gelegentlich brettert er mit dem Bogen über die Saiten, als spielten Tonhöhe und Tonqualität nur eine untergeordnete Rolle. In Kodálys Duo entdeckt Nigel Kennedy, vor allem im dritten Satz, gewissermaßen den Zigeuner in sich, nicht immer ganz tonrein. Über weite Strecken hat er hier ja auch Zeit, die Finger zu sortieren; die fehlt dann im abschließenden Presto, und da tut's dann wieder ein bißchen weh. Schon erstaunlich, was so eine Geige alles aushält. Die Händelsche Passacaglia ist, so wie sie von Johan Halvorsen für Violine und Violoncello bearbeitet wurde, ein haariges, sozusagen ein bogenhaariges Stück. Da erreicht Kennedy die Qualitäten der berühmten Sängerin Foster Jenkins; aber man kann sich ja mit einiger Übung auf den Cellisten Lynn Harrell konzentrieren. * Musikbeispiel: G. F. Händel (bearb.: Johan Halvorsen) - Passacaglia für Violine und Violoncello

Norbert Ely | 04.06.2000