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Kernkraft für die Westentasche

Technik. – Kernkraft wird heutzutage üblicherweise nur zur Erzeugung großer Strommengen eingesetzt. Doch auch der Einsatz der Strahlung in kleineren Einheiten, etwa Batterien ist möglich. Doch diese so genannten Isotopenbatterien konnten sich nicht durchsetzten. Nun aber will ein US-Forscher das Konzept wieder aufwärmen.

Von Frank Grotelüschen | 08.09.2005
    Altmodische Brille, graues, spärliches Haar, und seine Doktorarbeit hat er im legendären Jahr 1968 abgefasst. David Emin zählt schon zu den eher älteren Semestern unter den Forschern. Auch die Idee, die den US-Physiker der Universität von New Mexico umtreibt, ist nicht ganz neu:

    "”Nach dem Manhattan-Projekt, der Entwicklung der Atombombe, dachten einige Leute darüber nach, die Kernenergie auf direktem Wege in Strom umzuwandeln. Da gab es unter anderem den Vorschlag, wie bei einer Solarzelle den Halbleiter Silizium zu verwenden. Anstatt Silizium ins Sonnenlicht zu halten, setzt man es radioaktiver Betastrahlung aus. Man spricht folgerichtig nicht von Photovoltaik, sondern von Betavoltaik.""

    Das Prinzip funktionierte, aber schnell zeigte sich ein Problem: Betastrahlung besteht aus hochenergetischen Elektronen, wenn man so will winzigen Geschossen. Und die zerstören eine Siliziumzelle in kürzester Zeit, zum Teil schon nach einem Tag. Das Problem erwies sich als nicht lösbar. Die Labors, die damals an der Sache dran waren, ließen das Thema wieder fallen. Nun meint David Emin eine Alternative gefunden zu haben: Statt Silizium will er eine besondere Form von Bor verwenden - so genannte Bor-Ikosaeder. Das sind winzige Bälle. Sie bestehen zum Beispiel aus elf Boratomen und einem Kohlenstoffatom. Über chemische Bindungen tun sich diese Ikosaeder zusammen zu einem handfesten Kristall. Emin:

    "”Wir haben die Bor-Ikosaeder mit radioaktiven Strahlen bombardiert. Und wir haben entdeckt, dass sich die dabei entstehenden Strahlenschäden ganz von selbst reparieren. Wir können diese Bor-Ikosaeder also viel stärker bestrahlen als andere Halbleitermaterialien, um mehrere 1000 Mal. Und wir finden nicht die geringsten Anzeichen für irgendwelche Strahlenschäden.""

    Im Detail passiert folgendes: Zunächst kickt die radioaktive Strahlung eines der zwölf Atome aus dem Bor-Ball heraus. Emin:

    "”Das Atom wird in Form eines geladenen Teilchens, eines positiven Ions, herauskatapultiert. Der Ball bleibt mit einer negativen Ladung zurück. Er zieht nun das positive Ion stark an. Das Ion kommt zurück wie ein Bumerang, und der Ball kann es wieder in seine Struktur einbauen. Auf diese Weise repariert sich das Material von selbst.""

    Eine Betavoltaik-Batterie auf Bor-Basis könnte wie folgt aussehen: Ein radioaktiver Strahler wie Strontium-90 sondert einen stetigen Strom aus Betastrahlung ab. Ein Kristall aus Bor absorbiert die Strahlung und wandelt deren Energie direkt in Strom um, ohne sich im Hagel der Betastrahlung zu zersetzen. Der Clou: Die Halbwertszeit von Strontium-90 beträgt 28 Jahre. Man könnte also eine Batterie bauen, die mehrere Jahrzehnte hält. Läuft also das Notebook der Zukunft mit bordeigener Atomkraft? David Emin winkt ab:

    "”Dafür liefern diese Batterien nicht genug Energie. Wir denken vielmehr an Zellen mit Leistungen von Milliwatt. Sie könnten nützlich sein für Orte, an denen man nicht mal so eben die Batterie wechseln kann: in Erdölbohrlöchern, in der Tiefsee, im Weltraum, in Wetterstationen. Und diese Batterien könnten jahrzehntelang halten.""

    Der Haken: Der Wirkungsgrad der Bor-Bälle ist noch zu klein. Zurzeit wandeln sie nur etwa sieben Prozent der radioaktiven Energie in Strom um. Dennoch, meint Emin: Die Grundlagenforschung sei weitgehend abgehakt. Jetzt liege es an den Firmen, die Idee aufzugreifen.