"Wir sind jetzt hier im Standort-Zwischenlager."
Außen gesichert durch eine zehn Meter hohe Mauer. Aufgrund neuer Terror-Szenarien wurden die atomaren Zwischenlager bundesweit nachgerüstet. Hallenschiff 2 in Biblis, fast 100 Meter lang und 20 hoch. Bestückt mit sechs Meter hohen, königsblauen Stahlzylindern - mit Kühlrippen an der Oberfläche.
Noch sind die neuen Castoren in Biblis leer. Je 19 Brennelemente passen hinein, beladen wiegt jeder Castor zehn Mittelklasseautos auf - 130 Tonnen. Nebenan im Hallenschiff 1 wurden seit 2006 beladene Castoren älteren Typs eingelagert.
Warten auf die Erlaubnis
Täglich wartet RWE-Kraftwerkschef Horst Kemmeter auf Erlaubnis, die ersten neuen Behälter in Block A zu hieven und füllen zu dürfen - mit Brennelementen aus dem dortigen Abklingbecken. Das heißt, so RWE-Entsorgungsexperte Jan Hofmeister:
"Der Castor-Behälter wird in das Becken eingelassen. Wasser ist eine super Abschirmung, aus diesem Grund werden die Brennelemente immer unter Wasser gehandhabt. Dann kommt der Behälter aus dem Becken hinaus, wird zugemacht und dann ans Standort-Zwischenlager verbracht."
Für die nächsten 40 Jahre soll er die sichere und transportgeeignete Hülle für das hoch radioaktive Material sein. Kraftwerkschef Kemmeter erläutert die Zeitplanung.
"Pro Castor brauchen wir circa zwei Wochen zur Beladung. Bei 51 Castoren sind das über 100 Wochen. Sprich, zwei Jahre hätten wir voll damit zu tun, im Schichtdienst die Brennelemente beider Blöcke in Castoren zu verpacken, und dann wären wir brennelementfrei."
Brennstofffrei 2017 - das klingt gut, bezieht sich aber nur auf die beiden Reaktorgebäude, die dann entkernt werden könnten. Im Zwischenlager Biblis wären mit insgesamt 102 alten und neuen Castoren die Kapazitäten fast ausgeschöpft. Gegen finanzielle Ausgleich würde RWE noch Behälter aus der Wiederaufarbeitung im Ausland aufnehmen. Ein Endlager für hochradioaktives Material muss erst noch gefunden werden. Die Stahlbehälter sind dafür aber nicht geeignet. "Zu viel Volumen", sagt Volker Grafen als technischer Leiter.
"Und deshalb wird man jeden Castor irgendwann wieder öffnen und das Inventar rausholen, also man wird sogar die Brennelemente auch wieder auseinanderbauen und das ehemalige Spaltinventar wird man dann in Endlagerbehälter verpacken."
Ab 2017 will RWE in Biblis mit dem eigentlichen Rückbau anfangen
Volumen zu verringern, hat wegen knapper Endlagerkapazitäten Priorität. Nicht nur beim hochradioaktiven, auch beim schwach- und mittelradioaktiven Müll. Schacht Konrad bei Salzgitter steht dafür ab 2022 zur Verfügung, frühestens. Ab 2017 will RWE in Biblis mit dem eigentlichen Rückbau anfangen, 15 Jahres soll er dauern. Demontierte Rohrleitungen und radioaktives Baumaterial will der Konzern auf Hochtouren dekontaminieren, also abwaschen oder chemisch behandeln.
Ziel ist, die gesetzlichen Grenzwerte zu unterschreiten, sodass das Material nicht mehr unters Atomgesetz fällt und daher keine aufwändige Zwischen- und Endlagerung braucht. Das heißt, so der Biblis-Chef, "dass die Gebäude freigemessen sind und keinerlei Kontamination mehr innerhalb der Gebäude zu finden ist, damit dieses Gebäude dann konventionell wie jedes andere Industrie-Gebäude auch behandelt werden kann."
Also weitergenutzt oder abgerissen und auf die normale Bauschutt-Deponie gebracht. Daran allerdings hegen der Umweltverband BUND und örtliche Bürgerinitiativen größte Zweifel. Sie halten die Grenzwerte der 15 Jahre alten Strahlenschutzverordnung für veraltet und viel zu großzügig. Dass die Betreiber den dekontaminierten Schrott und Schutt der Atomkraftwerke zu 90 Prozent in den Stoffkreislauf zurückgeben wollen, hält Werner Neumann als Experte beim Bund für Umwelt und Naturschutz deshalb für eine Drohung, nicht für eine gute Nachricht. Die Belastung aus dem Abbau mehrerer abgeschalteter AKW summiere sich. Der Endlager-Notstand führe dazu, dass der Strahlenschutz vernachlässigt werde.