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Kerzen
"Das warme Licht können Sie nicht nachmachen "

Die Deutschen haben nicht nur in der Adventszeit den höchsten Kerzenverbrauch in der gesamten Europäischen Union. Insgesamt werden hierzulande pro Jahr über 200.000 Tonnen Kerzen verkauft. Die meisten werden maschinell hergestellt, aber es gibt auch noch gute Gründe für eine handgefertigte Kerze.

Von Sarah Zerback | 10.12.2015
    Adventskranz
    Ein Adventskranz mit Kerzen. (picture alliance / dpa / Daniel Reinhardt)
    Stephan Zimmermann steht neben zwei Spindeln, die gut doppelt so hoch sind wie er selbst. Die Fabrikhalle ist klein, warm und riecht nach Wachs. Über die Spindeln dreht sich der Endlosdocht. Am Boden steht eine Wanne mit flüssigem Wachs. Der gelernte Wachszieher erklärt das Herstellungsverfahren.
    "An der einen Seite haben wir den Rohdocht, der läuft jetzt das erste Mal durch das Wachsbecken durch und man sieht hier sehr schön, dass die Stränge immer dicker werden. Und auf dieser Anlage können wir Kerzen machen bis zu 30 Millimeter Durchmesser."
    Pro Stunde wächst die Kerze so um etwa einen Zentimeter. Danach wird der abgekühlte, aber noch weiche Wachs-Strang von der Spindel gerollt und auf Länge geschnitten. Stephan Zimmermann, 57 Jahre alt, graue Haare, grauer Vollbart, freundliches Gesicht, leitet den 20-köpfigen Familienbetrieb in achter Generation. Seine Kerzen verkauft er an Großbetriebe, Großhändler und vor allem an Kirchen. Wichtigster Kunde: Die Hohe Domkirche zu Köln und die Domküster verlangen von einer Kerze Spitzen-Qualität.
    "Dass sie keine Blasen hat, dass sie eine glatte Oberfläche hat, dass es keine Einschlüsse gibt. Dass der Docht in einer Weise dimensioniert ist, dass sie möglichst wenig rußt. Dass sie aber auch nicht abläuft."
    Maschinelle Produktion ist billiger
    Neben dem Kerzenziehen, dem handwerklich ältesten Verfahren, nutzt der Kölner Betrieb außerdem das Pressverfahren. Unter großem Druck werden Teelichter, aber auch große Altarkerzen aus Granulat oder Pulver in die gewünschte Form gepresst. Die industrielle Variante ist qualitativ weniger hochwertig, geht aber viel schneller und ist damit günstiger. Insgesamt zehn Millionen Kerzen verlassen die Kölner Fabrik jedes Jahr. Da läuft vieles maschinell, aber so mancher Arbeitsschritt bleibt reine Handarbeit.
    "Die Verzierung, also die äußere Gestaltung der Kerze. Sie betrifft aber auch die Bohrlöcher, sie betrifft die Farben, sie können nicht jedem Kunden die gleiche Massenzusammenstellung geben. Wenn sie jetzt eine Kirche haben wie zum Beispiel den Kölner Dom, wo sie sehr stark mit Winden zu tun haben aus unterschiedlichen Richtungen dann müssen sie eine ganz andere Wachsmasse nehmen als bei einer windgeschützten Kapelle in einem Altenheim."
    Denn jede Kerze brennt anders, je nach Raumgröße, Temperatur und Verwendungszweck. Deshalb rät Zimmermann seinen Kunden, sich genau zu überlegen, wofür sie ihre Kerzen verwenden möchten.
    Stephan Zimmer in seiner Kölner Kerzenfabrik
    Stephan Zimmer in seiner Kölner Kerzenfabrik (Sarah Zerback)
    Reinheitsgebot beim Paraffin
    "Wenn ich die morgens für das Frühstück brauche, macht es keinen Sinn einen Stumpen mit 80 Millimeter Durchmesser zu nehmen, wenn er die jedes Mal nach einer halben Stunde ausmacht, wird die nie richtig weich und er wird und er wird nie viel Freude an der Kerze haben, weil sie hohl brennt. Also sollte der Verbraucher auf dem Frühstückstisch eine klassische Spitz- oder Haushaltskerze nehmen, die er auch nach 20 Minuten ausblasen kann und die dann auch wieder gut anbrennt und wo er dann sicherlich mehr Freude dran hat."
    Bevor die Kerzen zum Kunden kommen, müssen sie noch einen weiteren Arbeitsschritt durchlaufen. Zimmermann befestigt die Rohlinge am so genannten Tauchkarussell. Damit sie am Ende robust und standfest sind, tunkt er sie abschließend noch einmal in heißes Wachs. So werden sie kerzengerade und bekommen ihre leuchtende Farbe, wenn gewünscht. Neben Bienenwachs und Stearin verwendet Zimmermann hauptsächlich Paraffin für die Rohlinge, ein Abfallprodukt der Schmierölproduktion. Immer wieder gibt es Berichte darüber, dass das Abbrennen von Paraffinkerzen gesundheitsgefährdend sein könnte. Zimmermann kontert mit Studien, die das Gegenteil belegen.
    "Paraffinkerzen sind genauso wenig schädlich wie Bienenwachs- oder wie Stearinkerzen. Weil wir es gerade bei Paraffinkerzen mit unheimlich reinen Stoffen zu tun haben, die heute eben nicht mehr mit Lösungsmittel entölt werden, sondern mit Wasserdampf. Diese Reinheitsgebote, gerade für Paraffin, sind so hoch und so enorm, und von daher ist mir absolut unbegreiflich wie es überhaupt zu dieser Ammenweisheit kommt, dass Paraffinkerzen gesundheitsschädlich sind."
    Kerzen werden wohl nie ausgehen
    Und tatsächlich entspricht das den EU-Richtlinien. Demnach wird Paraffin als ungefährlich für Mensch und Umwelt eingestuft. Pünktlich zur Adventszeit plant die Brüsseler Kommission allerdings neue Sicherheitsanforderungen für Kerzen. Die sollen genau definieren, welche chemischen Substanzen eine Kerze beinhalten darf und wie die beschaffen sein muss, um Brandunfälle künftig zu reduzieren – gerade zu Weihnachten ein großes Problem. Eine Entwicklung, die Zimmermann aber keine Sorge bereitet. Der Obermeister der Kerzeninnung hat keine Angst, dass Verbraucher in Zukunft ganz auf Kerzen verzichten könnten und auf alternative Leuchtmittel ausweichen.
    "Also wer so eine heimelige, warme Atmosphäre haben will, der wird immer Kerzen brennen. Es gibt sicherlich heute schon die dollsten Angebote, auch an Attrappen. Aber und wenn die Flamme hin und her geht: Das schöne, warme Licht einer Kerze können Sie nicht nachmachen, das ist einfach so. Und von daher habe ich eigentlich auch keine Bedenken, dass Kerzen irgendwann mal ausgehen."