
"Schauen wir mal hinein in die heiligen Hallen."
Harald Damaschke, Anfang 50, ist Geschäftsführer der Mobitec GmbH und Co. KG. Er öffnet die große Tür, die vom Besprechungsraum in die Werkstatt gleich nebenan führt. Mehre Autos stehen auf Hebebühnen nebeneinander. Auf den ersten Blick erweckt die Halle den Eindruck einer Kfz-Werkstatt.
Ein junger Mann macht sich mit einer Flexmaschine an einem Kleintransporter zu schaffen. Er hat gerade "ein Stück vom Boden rausgeschnitten. Ich baue einen VW-Caddy zum Absenkfahrzeug um. Das heißt, der Unterboden wird im Heckbereich rausgeschnitten und tiefer gesetzt, dass man mit dem Rollstuhl dann halt reinfahren kann."
Michael Ritter ist Kfz-Mechaniker mit Leib und Seele. Doch statt Ölwechsel und Motorreparieren hat er andere Aufgaben: Fahrzeuge behindertengerecht umzubauen - wie alle Mitarbeiter in der Werkstatt.
"Das ist die Sitzverstellung, die Längssitzverstellung."
Frank Unger, Anfang 50, schiebt den Fahrersitz eines Pkw ganz zurück. Für die anstehenden Montagearbeiten brauch er jeden Zentimeter, zeigt auf mehrere Hebelchen und Kabel, die er unterhalb des Lenkrades ins Armaturenbrett einbauen will: "Das ist eine Lenkrad-Fernbedienung. Da können sie jetzt Blinker, Hupe, Licht - alles übers Lenkrad fernbedienen. Und das sind Handbediengeräte für Gas und Bremse und zusätzlich noch ein Schwenksitz, der elektrisch raus- und reinschwenkt."
Damit ist klar: Das Fahrzeug, an dem Frank Unger arbeitet, ist für einen ganz speziellen Kundenkreis gedacht: "Das ist für Behinderte, die mit den Füßen nicht mehr können, also, wo alles per Hand betätigt werden muss."
Kunden in ganz Europa
Rollstuhl-Rampen für Fahrzeuge, Bedienelemente für Fahrer, die mit den Füßen keine Pedale mehr bedienen können: Die Mobitec GmbH und Co. KG hat sich in einem kleinen Gewerbegebiet der Gemeinde Berkheim auf Fahrzeugumbauten für Behinderte spezialisiert. 18 Mitarbeiter zählt das mittelständische Unternehmen, das vom württembergischen Allgäu aus nicht nur Kunden aus ganz Deutschland sowie aus den angrenzenden europäischen Ländern beliefert.
"Wir sind mittlerweile auch international unterwegs. Wir haben in den Emiraten Kunden. Wir sind in Bangkok, in Schanghai. Und auch in den ganzen skandinavischen Länder haben wir sehr viele Kunden."
Harald Damaschke, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von Mobitec, ist mit seiner Geschäftsidee in eine Marktlücke gestoßen. Denn gerade für behinderte Menschen wird ein Höchstmaß an Mobilität immer wichtiger, um sich in der Gesellschaft integrieren zu können. Doch mit herkömmlichen Pkw können Behinderte, die an schweren Lähmungen oder dem Verlust einzelner Gliedmaßen leiden, nicht zurechtkommen. Erst wenn die Autos entsprechend umgebaut werden, dürfen sie ans Lenkrad.
Und es muss nicht immer teuer sein, wenn sich Damaschkes Mechaniker ans Werk machen: "Das fängt an bei fünf Euro und endet bei 100.000 Euro. Für fünf Euro kriegen sie einen Betätigungshebel für einen Fensterheber. Wenn sie den nicht greifen können, machen wir eine kleine Schraube drauf. Und 100.000? Ja, das ist zum Beispiel, wenn Sie ein Fahrzeug haben, wo Sie aus dem Rollstuhl hinters Lenkrad fahren, mit Joystick-Lenkung. Da ist extrem viel Technik drin und auch sehr, sehr viel Arbeit. Da müssen Sie das Auto komplett hinten auseinanderschneiden für eine Tieferlegung von hinten nach vorne, damit sie mit dem Rollstuhl reinfahren können."
Fluch und Segen der Kfz-Digitalisierung
Die Leute von Mobitec dagegen plagen sich mit einem ganz anderen Problem: die zunehmende Digitalisierung der Kfz-Technik. Die ist manchmal Fluch und Segen zugleich. Ein Segen bestehe in der Möglichkeit, dass neuerdings ein Wort genügt, um ein Auto zum Fahren, zum Bremsen oder zum Hupen zu bringen. Harald Damaschke: "Der nächste Schritt, den wir jetzt gehen, ist die Sprachsteuerung, wo jetzt schon Entwicklungen vorhanden sind, wo man dann sagen kann: Blinker links, Blinker rechts. Ja, ich denke, das wird nicht aufhören. In 20 Jahren fährt man vielleicht mit Gedanken. Ich weiß es nicht. Es kann viel kommen."
Doch gleichzeitig leiden Damaschke und Mitarbeiter auch unter dem Fluch der zunehmenden Digitaltechnik, "weil wir nämlich von den Herstellern der Fahrzeuge nicht immer die Zustimmung haben, dass wir in die Elektronik eingreifen dürfen - und es auch nicht ganz so leicht ist, hier einzugreifen."
Technisch auf Draht zu sein, ist das eine. Gesellschaftliche Entwicklungen darauf abzuklopfen, ob fürs Unternehmen ein Geschäft herausspringt, das andere. Auf beide Faktoren kommt es bei Mobitec an. Beispiel: Immer häufiger arbeiten Behinderte in Jobs, die für sie noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen wären. Konstrukteur Rolf Brunner sitzt selbst im Rollstuhl, blickt auf dem Bildschirm vor ihm konzentriert auf Pläne, die einen Traktor darstellen: "Ich versuche hier, an einem Traktor, einem Fendt-Traktor, einen Rollstuhl-Lift anzubringen, damit wir den Rollstuhlfahrer auf die Höhe von dem Sitz bringen. Er muss sich reinschwingen und dann übersetzen."
Solche Anfragen trafen in jüngster Zeit gleich mehrfach bei Mobitec in Berkheim ein: "Ja, der Bedarf ist da, dass man auch als Rollstuhlfahrer in einem Traktor arbeiten kann. Warum nicht?"
Nichts von der Stange
Jedes einzelne Fahrzeug, das bei Mobitec umgerüstet wird, ist auf die individuellen Anforderungen des Kunden zugeschnitten. Behindertenautos von der Stange gibt es nicht. Und alle Fahrzeuge, die die Montagehalle in Berkheim verlassen, werden vom TÜV auf ihre Alltagstauglichkeit überprüft. Zusätzlich arbeitet Mobitec mit speziellen Fahrschulen zusammen, die die Behinderten entsprechend schulen. Denn auf Sicherheit legt Firmenchef Harald Damaschke größten Wert: "Eine Behinderung hat nichts damit zu tun, dass man am Straßenverkehr nicht teilnehmen kann. Und man kann definitiv nicht sagen, dass Behinderte mehr Unfälle bauen als andere, weil sie umsichtiger sind und vorsichtiger. Da kann man mit Sicherheit keine Rückschlüsse drauf ziehen."