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Kinder- und Jugendhilfetag Berlin
Jugendhilfe an Ganztagsschulen

Näher dran an der Lebenswirklichkeit von Schülerinnen und Schülern, das soll die Kooperation von Jugendhilfeträgern und Schulen bringen. Vor allem an Ganztagsschulen läuft das Teamwork gut, wenn auch nicht immer konfliktfrei. Beispiele der Zusammenarbeit sind Thema auf dem Kinder- und Jugendhilfetag in Berlin.

Von Dieter Nürnberger | 04.06.2014
    Insbesondere an Ganztagsschulen können Beratungen durch Sozialpädagogen den Schülern helfen
    Insbesondere an Ganztagsschulen können Beratungen durch Sozialpädagogen den Schülern helfen (picture alliance / dpa / Axel Heimken)
    "Es ist halt so, die Schüler kommen freiwillig zur Beratung - hauptsächlich in den großen Pausen. Alles, was Schüler am normalen fröhlichen Dasein in der Schule hindern könnte, das landet dann bei mir. Elternberatung spielt eine Rolle, Weitervermittlung an Jugendhilfe-Angebote - Sucht- und Gewaltprävention, Sexualpädagogik - das sind so die Aufgaben."
    Die Sozialpädagogin Katrin Straßburger hat in diesem Jahr endlich ein festes Arbeitsverhältnis bekommen. 40 Stunden die Woche ist sie nun an einer Oberschule in Leipzig beschäftigt. Und die junge Frau geht mit viel Elan an die Arbeit.
    Spätestens seit dem Schock durch die PISA-Studie 2001 arbeiten Schulen, vor allem Ganztagsschulen, mit anerkannten Trägern der Jugendhilfe zusammen. Der Bildungsauftrag wurde somit durch einen Betreuungs- und Erziehungsauftrag erweitert. Die Schulen haben sich für neue Partner geöffnet. Doch konfliktfrei ist diese Zusammenarbeit nicht, obwohl sie generell als sinnvoll bewertet wird. Elke Meyer ist Referentin für begleitende Schulsozialarbeit beim Landesschulamt in Sachsen-Anhalt. Sie bearbeitet die Anträge der Einrichtungen, die kooperieren wollen. Anfangs seien die Probleme profaner Natur gewesen - Räume in den Schulen zu finden beispielsweise, Sprechstunden zu organisieren und so weiter.
    "Ein Feld, wo man sich auch immer wieder neu positionieren muss, ist diese Verschwiegenheitspflicht, die ist einfach unumgänglich, wenn Schüler sich öffnen. Was soll oder darf der Lehrer, die Schule, der Klassenkamerad wissen? Beispielsweise, wenn eine Schülerin schwanger ist. Das sind immer mal die Dinge, wo sich der eine oder andere Lehrer außen vorgelassen fühlt. Der da sagt, da würde ich mich auch kümmern, wie auch immer."
    Die Zusammenarbeit zwischen Schule und den neuen Partnern umfasst im Wesentlichen vier Bereiche. Es geht zum einen um Schüler und Schülerinnen, die einfach mehr Lernschwierigkeiten haben, als andere, es geht natürlich um berufliche Orientierung, um Kooperationen im direkten Umfeld der Schule, beispielsweise im Stadtteil, oder um einen reibungsloseren Übergang zwischen den verschiedenen Schulstufen. Bundesweit arbeiteten 2002 gerade einmal 16 Prozent aller Schulen ganztägig, heute sind es knapp 50 Prozent. Und die Partner von außen entlasten die Lehrkräfte, stehen aber auch in Konkurrenz zu ihnen. Sozialpädagogin Katrin Straßburger beispielsweise betreut an ihrer Schule rund 450 Schüler:
    "Natürlich genießen auch viele Klassenlehrer ein hohes Vertrauen. Aber: Wenn Schüler wirklich wertgeschätzt werden und die volle Aufmerksamkeit bekommen - unabhängig von Noten, von Leistung - das ist einfach eine ganz andere Rolle, eine ganz andere Haltung, zu dem, was sonst in der Schule ganz oft passiert."
    Eine andere fachliche Perspektive
    In Sachsen-Anhalt wird die Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe auch wissenschaftlich begleitet. Eine Art Qualitätsbewertung soll dadurch gewährleitstet sein. Sylvia Ruge, die Leiterin der regionalen Kinder- und Jugendstiftung spricht von einer Win-win-Situation für alle Beteiligten:
    "Eltern merken, dass ihre Kinder gut unterstützt werden. Lehrer merken - wow - da kommt ja eine andere fachliche Perspektive rein. Es ist keine gegensätzliche Arbeit, sondern eine gemeinsame."
    Rund 1.400 Schüler haben in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr die Schule abgebrochen. Jeder Fall sei einer zu viel, sagt Sylvia Ruge. Es seien aber weniger als noch vor zehn Jahren. Andreas Knoke ist Programm-Koordinator bei der Deutschen Kinder- und Jugendhilfe, die bundesweit die Arbeit der Schulen begleitet.
    "Da ist immer noch eine Menge Arbeit zu leisten: In der Zukunft werden wir den Unterschied zwischen Lehrkräften und Pädagogen aus der Jugendhilfe viel deutlicher kennen, aber er wird besser genutzt werden - diese unterschiedlichen Blickweisen auf das Kind."
    Auf dem 15. Kinder- und Jugendhilfetag in Berlin werden vor allem Erfahrungen ausgetauscht. Im Fokus steht diesmal das zunehmende, sogenannte Verliererdrittel. Jene Jugendliche, die unter nicht optimalen Bedingungen zur Schule gehen können, weil beispielsweise schon die sozialen Voraussetzungen im Elternhaus schlecht sind. Eine zusätzliche Herausforderung für die Zusammenarbeit zwischen Schule und ihren außerschulischen Partnern.