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Kindergarten mit Gütesiegel

Die Qualität eines Kindergartens kann man messen: an Wortschatz, Leistungen und Sozialverhalten der Kinder. Das hat Wolfgang Tietze gesagt, Berliner Professor für Kleinkindpädagogik, als er das von ihm entworfene Kindergarten-Gütesiegel vorstellte. Im September vergangenen Jahres hat die Freie Universität erstmalig elf Einrichtungen bundesweit damit ausgezeichnet. Darunter die Kindertagesstätte in Müllrose bei Frankfurt an der Oder.

Von Esther Körfgen |
    Man muss schon wissen, wo die Kita am Zeisigberg liegt. Sonst verpasst man die schmale Straße, die mitten im Wald zu der Idylle aus gepflegten alten Häusern führt. In welchem davon die Kita ist, erkennt man allerdings schnell: anhand des großen bunten Gütesiegels an ihrer Hauswand. Die anderen Häuser gehören zu einem Altenheim. Zwei seiner Bewohner sitzen auf einer Bank, dahinter toben die Kinder.

    Karin Schulz steht geduldig am Sandkasten und wartet darauf, dass ihr Sohn fertig gebacken hat. Die Nähe zu den alten Menschen war für sie ein Grund, ihr Kind in diese Kita zu geben.

    " Weil uns das wichtig ist dass (erstens) die Kinder mit den alten Menschen einen engen Kontakt pflegen, dass es einfach normal ist mit alten Menschen umzugehen, das merkt man denn auch wenn man sie beobachtet in gemeinsamen Aktivitäten, dass da keine Scheu ist oder Sprachlosigkeit, sondern dass die auch genau wissen wies ihnen geht, an ihrem Leben teilnehmen. "

    Genauso wichtig ist der Mutter die Lage der Kita: mitten in der Natur. Dem Wald, den die Kinder oft durchwandern. Im Kindergarten hängt ein großes Plakat mit den einheimischen Vogelarten. Es hängt auf Augenhöhe der Kinder. Auf ein anderes Plakat haben sie die Gewässer der Umgebung gemalt. Damit sie immer wieder nachschauen können, wie die fließen.

    " Und wenn es dann durch den kleinen Müllroser See durchgelaufen ist, dann fließt das Wasser ja wieder weiter. Und wo fließt es dann hin?
    In die Ostsee.
    Ne, / erstmal in einen Kanal. Wie heißt denn der Kanal?
    Oder-Spree-Kanal. Und hier kommt Nordpol! "

    Der runde Raum macht nicht den Eindruck eines Klassenzimmers. Unter den Zweigen großer Gummibäume hindurch geht es zur Malecke, zur Spiele- oder Leseecke. Ein hölzernes Miniaturhaus mittendrin bietet alles vom Ruheraum bis zur Küche. Seine Treppenstufen sind durchnumeriert - den Kindern sollen sie spielend vertraut werden. Der private Träger, die Entwicklungsgesellschaft für Gesundheit und Soziales, nimmt seinen Bildungsauftrag sehr ernst. Sagt Geschäftsführer Wilfried Selenz:

    " Weil die Kinder machen eines der elementarsten Prozesse durch die sie in ihrem Leben überhaupt durchmachen. Wenn jetzt etwas verpasst wird lässt es sich später kaum nachholen. Und deshalb haben wir eine ungeheure Verantwortung, möglichst viel Bildung spielerisch, den Kindern zu vermitteln. "

    Was in der Leseecke steht, können die Kinder mitbestimmen. Hier gibt es:

    " Tiere-Bücher.
    Und von die Erwachsenen und von die Kinder.
    Menschenbücher. "

    Der aktuelle Anlass bestimmt, was gelesen wird: ein Buch über andersfarbige Menschen, wenn bei einem Kind zuhause darüber gerade viel geredet wird. Ein Buch darüber, wie Kinder entstehen, weil eine Erzieherin schwanger ist.

    " Das ist eben das, was für die Kinder so wichtig ist. Dass so viele Sachen gemacht werden, dass sie gefordert werden, dass sie Möglichkeiten haben sich auszuprobieren, es wird Englisch angeboten, es wird Musik angeboten, das sind alles so Sachen, die ankommen bei den Kindern. "

    Die Mutter Katja Friedrich hat das Gefühl, sowohl ihre Kinder als auch sie selbst hätten bei der Kita am Zeisigberg aktives Mitspracherecht. Das Gütesiegel lässt sie darauf vertrauen, dass dies auch so bleibt.

    " Weil man vielleicht durch dieses Siegel gezwungen ist den Standard auch zu halten. Und macht das dann automatisch auch. "

    Der Standard: er entsteht durch viele kleine Details. Von denen manche auf den ersten Blick vielleicht banal erscheinen - etwa die Idee, im Sandkasten auch Kochtöpfe und Pfannen als Spielzeug anzubieten - was die Kinder dankbar annehmen, weil sie ihnen von Zuhause her vertraut sind. Leiterin Katrin Unglaube steckt ihre Energie in eben solche Details:

    " Dass man nicht einschläft, dass vieles nicht zur Routine wird, sondern dass man einfach die Dinge sieht die anliegen und wenn es nötig ist einfach mal ein Kind zur Seite nehmen, wenn die schon fertig sind mit anziehen, vielleicht ein paar Rätsel stellen, was die Kinder animiert zum Mitmachen, wo natürlich auch der Geist gefragt ist und wo Geschick gefragt ist oder Bewegung auch eine Rolle spielen kann. "

    " Sag mal, macht ihr denn eigentlich englisch gerne?
    Jaaa!
    Was habt ihr denn da schon so gelernt?
    one two three four five six … "

    Die Mitarbeiter der Kita wollten an dem Wettbewerb des Gütesiegels teilnehmen, um sich von jemand Außenstehendem messen zu lassen. Um zu sehen, wie gut sie sind im Vergleich zu anderen. Jetzt wissen sie es. Für die Mitarbeiter ist das allerdings kein Grund sich auszuruhen. Im Gegenteil. Die konstruktive Stimmung des Wettbewerbs ist nach wie vor spürbar in dem Ehrgeiz, nicht nur gut zu sein, sondern auch gut zu bleiben.