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Kinderkrippe oder Betreuungsgeld

Einige Mütter sind froh über das Betreuungsgeld und empfinden es vor allem als Wertschätzung ihrer Arbeit. Berufstätige Mütter halten meist nicht viel davon. Die Kritik, dass die Kita den Ein- und Zweijährigen schaden könne, lässt sich wissenschaftlich jedenfalls nicht belegen.

Von Monika Dittrich |
    Oberkirch im Schwarzwald. Es ist halb elf am Vormittag. Daniela Endreß sitzt im Wohnzimmer des Einfamilienhauses mit ihrem Sohn auf dem Boden. Jaron ist zehn Monate alt.

    "Kommt ein Mücklein, baut ein Brücklein, kommt ein Floh, der macht so!"

    Jaron hat noch zwei ältere Schwestern: Larissa ist sieben und geht zur Schule, die vierjährige Fiona ist vormittags im Kindergarten. Beide Töchter waren drei Jahre lang bei der Mutter zuhause, und so will Daniela Endreß es auch mit ihrem Sohn machen. Weil sie überzeugt ist, dass Kinder in diesem Alter bei der Mutter am besten aufgehoben sind:

    "So wie ein Kind gestrickt ist, vom Kind her, denke ich, dass ein Kind zuhause gesünder, seelisch gesünder aufwächst."

    Ihren Beruf als Erzieherin hat Daniela Endreß für die Kinder aufgegeben. Wenn der jüngste Sohn sechs oder sieben ist, dann will sie wieder halbtags arbeiten. Derzeit erwirtschaftet der Vater als Vollzeit-Informatiker das Familieneinkommen.

    "Modern? Nee, nach der Familienpolitik bin ich nicht modern, aber da hab ich jetzt keine Probleme, unmodern zu sein."

    Jahrzehntelang war die Hausfrauenehe in Deutschland der Normalfall – Mütter blieben zuhause und kümmerten sich um ihre Kinder. Mittlerweile ist jedes vierte Kind unter drei Jahren in einer Tagesbetreuung. Immer öfter gehen beide Elternteile arbeiten – auch, wenn die Kinder noch sehr klein sind. Diese Entwicklung dürfte an Fahrt gewinnen, wenn ab August der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag gilt. Für Daniela Endreß ist das ein Albtraum - und eine völlig verfehlte Familienpolitik.

    "Es geht immer um Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es geht immer um die berufstätige Mutter. Eine Mutter ist Mutter, ob sie berufstätig ist oder nicht. Die Mutter hat ihre Aufgaben als Mutter wahrzunehmen."

    Dass sie ihre Aufgaben als Mutter wahrnimmt, das würde sicher auch Ela Montag von sich sagen:

    "Man will immer so sehr das Beste für seine Kinder, dass man da sehr viel drüber nachdenkt."

    Das Beste für die Kinder heißt für sie aber nicht, auf den Beruf zu verzichten. Sie ist Lehrerin an einem Gymnasium, bildet Referendare aus und schreibt Schulbücher. Tochter Leni ist drei, die kleine Schwester Käthe knapp anderthalb. Jeweils ein Jahr nach den Geburten ist Ela Montag wieder arbeiten gegangen – auf einer 80-Prozent-Stelle.

    "Ich kenne auch meine eigenen Bedürfnisse gut und ich weiß, dass arbeiten auch ein Bedürfnis ist. Also rausgehen, in die Welt gehen, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, Rückmeldung bekommen, Aufträge bekommen, Herausforderungen zu haben, etwas zu sehen, was einem gelingt."

    Und zufriedene Eltern seien die Voraussetzung für glückliche Kinder, ist Ela Montag überzeugt – weshalb sie ihre Töchter in eine Tagesstätte bringt.

    "So Leni, Schuhe noch aus, und willst Du heute mal wieder Stulpen anziehen? – Ja"

    Morgens um acht bei der "Sülzbande" im Kölner Westen. 40 Kinder werden hier in drei Gruppen betreut, von unter einem Jahr bis zur Einschulung. Ela Montag schält ihre beiden Mädchen aus den dicken Winterjacken, Leni hüpft davon in ihre Gruppe. Die kleine Käthe wandert vom Arm der Mutter auf den Arm der Erzieherin.

    "So, willst Du jetzt mal zur Lena gehen? – Kommst Du zu uns? – Bekomme ich noch ein Küsschen? – Ein Küsschen, für die Mama!"

    In der Gruppe der Unter-Dreijährigen kümmern sich zwei Vollzeit-Erzieherinnen und eine Halbtagskraft um bis zu zehn Kinder. Ela Montag hat Käthe hier schon vor dem ersten Geburtstag eingewöhnt – ohne schlechtes Gewissen.

    "Sie krabbeln auf dem Boden, sie sind wunderbar versorgt, mit anregenden Spielmaterialien, sind sehr im Fokus bei den Erzieherinnen. Da geht kein Kind unter."

    Krippengegner sehen es anders, und der Zank um das Betreuungsgeld gab ihnen reichlich Raum für ihre Argumente. Rainer Böhm etwa, Kinderneurologe in Bielefeld-Bethel, kämpft mit Aufsätzen, Vorträgen und Interviews leidenschaftlich für das Betreuungsgeld – und gegen den Krippenausbau.

    "In diesen ersten drei Jahren, das ist eben eine besonders vulnerable Phase, wenn Kinder in dieser Phase diesen sicheren Bindungshintergrund nicht haben, dann sehen wir auch schon bei den kleinen Kindern, dass sie doch in ihrem Verhalten auffällig sind."

    "Das sind Vermutungen, die wir aus der wissenschaftlichen Forschung und aus empirischen Daten nicht bestätigen können."

    Sagt hingegen Éva Hédervári-Heller, Pädagogik-Professorin an der Fachhochschule Potsdam. Sie ist überzeugt: Die Krippe schadet den Kindern nicht.

    "Kinder brauchen nicht ausschließlich die Mutter als Betreuungsperson, sondern sie brauchen Erwachsene, die feinfühlig die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder ernst nehmen."

    Das Betreuungsgeld sollte besser in die Qualität der Krippen gesteckt werden, findet Éva Hédervári-Heller. Die Vollzeit-Mutter Daniela Endreß ist dagegen froh, dass es ab August eine finanzielle Unterstützung für Daheimerziehende geben wird. Obwohl sie das Betreuungsgeld selbst nicht einmal bekommt, denn ihr Sohn kam vor dem Stichtag 31. Juli 2012 zur Welt.

    "Es geht mir gar nicht ums Geld, sondern es geht mir um die Anerkennung. Für mich ist das eine Anerkennung für die Betreuungsleistung für die Eltern oder für die Mütter, die zuhause sind. Das finde ich sehr gut."