Die 12-jährige Mechthild blickt ebenso stolz auf ihren neuen Rollstuhl wie ihr Romanheld Harry Potter auf seine Besen. Endlich kann sie sich ohne große Mühen frei bewegen, der Rollstuhl ist leicht beweglich, wendig und klein, ist zum Basketballspielen ebenso gut geeignet wie zuhause oder auf dem Schulweg. Spezialanpassung heißt das Zauberwort, das für Mechthild Mobilität bedeutet.
Den alten Rollstuhl, da konnte ich nicht so gut alleine fahren, weil der schwerer war, aber hiermit kann ich gut alleine rumfahren und brauche nicht immer, dass mich jemand schiebt. Dieser neue Rollstuhl ist an mich angepasst - Der ist leicht und man kann ihn gut fahren, - und der alte war ein ganz blödes Ding.
Die Mechthild hat ihre Behinderung seit Geburt, sie kann aber auch laufen, wir sind auch langsam da rein gewachsen, dass die Behinderung da ist, dass sie nicht so laufen wird wie andere Kinder, dass das auch nicht weggeht, sie hatte dann einen größeren Buggy, aber sie wurde halt auch komisch angeguckt, wenn sie als sieben achtjähriges größeres Kind im Buggy saß und dann haben wir gedacht, jetzt ist die Zeit für einen Rollstuhl, damit ihr und uns die Mobilität erhalten bleibt.
So wie Mechthilds Mutter tun sich viele Eltern schwer damit, ihr Kind schon sehr frühzeitig in einen Rollstuhl zu setzen. Sie haben Angst davor, "ihr Kind an den Rollstuhl gefesselt" zu sehen, sie fürchten, dass es dann bewegungsfaul wird, dass die mühsamen Versuche, ihr gehbehindertes Kind auf die Beine zu stellen, dann vergebens waren. Lieber mühsam mit Krücken laufen lernen, besser auf eigenen, wackeligen Beinen stehen als im Rollstuhl sitzen, so lautet bis heute die Devise vieler Eltern, Krankengymnasten, Mediziner. Mechthild bekam mit acht Jahren ihren ersten Rollstuhl.
Die Reaktion der Umwelt war sehr entsetzt zum Teil, die hatten also das Gefühl, wir machen dadurch unser Kind zu einem behinderten Kind, aber sie hatte ja einfach die Behinderung und der Rollstuhl war das Hilfsmittel, vieles einfacher zu machen, aber da bin ich in meinem Bekanntenkreis, Verwandtenkreis auf Schwierigkeiten gestoßen und ich musste denen helfen zu verstehen, warum wir das gemacht haben, was es für Vorteile für Mechthild hat, dass die Behinderung da ist, nicht durch den Rollstuhl, sondern das es das Hilfsmittel ist.
Ein Hilfsmittel, das die wenigsten Kinder optimal nutzen können.
Wenn ich sehe, da sitzt ein Kind von 10, 12 Kilo in einem Rollstuhl von 10,12 Kilo, da müsste ich hoch rechnen, ich fahre einen Rollstuhl der fast 80 Kilo wiegt, und wenn man sich das vor Augen führt, wie das auf die Gelenke geht.
Klaus Herzog, seit seinem 20.Lebensjahr nach einem Motorradunfall selbst auf den Rollstuhl angewiesen, trainiert im Deutschen Rollstuhlverband Kinder-Sportgruppen. Er bietet Mobilitätstraining für Kinder an und klärt darüber auf, wie wichtig ein gut angepasster Rollstuhl ist. Manchmal reiche es, mit der Säge die Rückenlehne zu kürzen, sagt Klaus Herzog, doch wichtiger sei ein Umdenken der Rollstuhlfirmen:
Wir engagieren uns dafür, dass Firmen kleinere, leichtere, wendigere, pfiffigerer Rollstühle bauen.
Ute Herzog, die sich als Fachwartin des Deutschen Rollstuhlverbandes, seit Jahren – ebenso wie ihr Mann - für eine bessere Rollstuhlausstattung der Kinder einsetzt, beschreibt die Situation so:
Viele Rollstühle für Kinder werden einfach auch auf Zuwachs ausgemessen, weil die sagen, die wachsen ja noch und man kriegt erst in 5, 6 Jahren einen neuen und bis dahin muss der passen und deshalb machen wir ihn schön breit und groß und damit du gut sitzt, kommt eine Schale rein und das Problem dabei ist, wenn man sich vorstellt, man hat Schuhgröße 35 und man kriegt einen 40er Schuh und man stopft den dann mit irgendwelchen Materialien aus, also da kann man nicht gut drin laufen, so ähnlich ist es mit dem Rollstuhl auch, nur noch etwas extremer.
Dr. Karl Ellerich ist niedergelassener Facharzt für Orthopädie in Erftstadt. Er bietet seit Jahren eine Spezialsprechstunde für behinderte Kinder an – dort betreut er mehrere hundert Rollstuhlkinder. Seiner Erfahrung nach beginnt die Rollstuhlversorgung immer noch viel zu spät.
Schon mit einem, mit anderthalb Jahren – so empfiehlt der Orthopäde - wenn auch gesunde Kinder sich auf den Weg machen, die Wohnung, den Garten oder Kinderspielplatz selbstständig zu erforschen - sollten auch behinderte Kinder entsprechend ihres eigenen Könnens die Welt "erfahren" dürfen – nicht auf dem Boden rutschend oder angewiesen auf die Hilfe anderer, sondern in einem winzig kleinen Rollstuhl:
Je früher wir beginnen, umso früher können wir die Kinder aufrecht setzen, ihren Aktivitätsradius entsprechend versorgen, dass sie nicht eingeschränkt sind, umso früher können wir auch Sekundärschäden vorbeugen.
Der Orthopäde sieht in seiner Praxis immer wieder Kindern mit schweren Verschleißerscheinungen an den Gelenken oder mit massiven Rückenproblemen - Sekundärerkrankungen, die darauf zurückgeführt werden müssen, dass die Kinder an falsch angepasste, zu schwere Rollstühle im wahrsten Sinne des Wortes gefesselt waren.
Im Spastikerbereich haben wir das Problem, dass aus der Spastizität auch sehr schnell Kontrakturen, also richtige Verkürzungen der Sehnen entstehen, die wiederum weiter Schäden im Gelenkbereich machen können, zu Hüftverrenkungen, Knieschäden usw, diese Kontrakturen führen sehr oft zu sehr aufwendigen, kostspieligen und vor allem für die Kinder sehr schmerzhaften Operationen.
Eine möglichst frühe optimale Rollstuhlversorgung bewahrt nicht nur vor Folgeerkrankungen, sondern unterstützt auch die Persönlichkeitsentwicklung eines behinderten Kindes – doch noch immer tun sich sowohl die Kostenträger als auch viele Mediziner schwer, den Kindern die optimale Hilfsmittelversorgung zu genehmigen. Ein gut angepasster Rollstuhl kostet mindestens anderthalb oder zweitausend Euro – er sollte für 5 Jahre ausreichen – doch was ist, wenn das Kind schon nach zwei Jahren wieder rausgewachsen ist? Dann muss ein neuer Rollstuhl beantragt werden, fordert Dr. Ellerich - Kostenfragen lässt er deshalb auch nicht gelten:
Wir sprechen von einem ganz, ganz kleinen Prozentsatz der Krankenversicherten, und wenn wir jetzt bei diesen Kindern pro Jahr ein paar hundert Euro für einen vernünftigen Stuhl ausgeben, ich glaube, wer da mit dem Hinweis auf leere Kassen die Hilfe verweigert, die wichtige Hilfe verweigert, der macht sich schon lächerlich.
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Den alten Rollstuhl, da konnte ich nicht so gut alleine fahren, weil der schwerer war, aber hiermit kann ich gut alleine rumfahren und brauche nicht immer, dass mich jemand schiebt. Dieser neue Rollstuhl ist an mich angepasst - Der ist leicht und man kann ihn gut fahren, - und der alte war ein ganz blödes Ding.
Die Mechthild hat ihre Behinderung seit Geburt, sie kann aber auch laufen, wir sind auch langsam da rein gewachsen, dass die Behinderung da ist, dass sie nicht so laufen wird wie andere Kinder, dass das auch nicht weggeht, sie hatte dann einen größeren Buggy, aber sie wurde halt auch komisch angeguckt, wenn sie als sieben achtjähriges größeres Kind im Buggy saß und dann haben wir gedacht, jetzt ist die Zeit für einen Rollstuhl, damit ihr und uns die Mobilität erhalten bleibt.
So wie Mechthilds Mutter tun sich viele Eltern schwer damit, ihr Kind schon sehr frühzeitig in einen Rollstuhl zu setzen. Sie haben Angst davor, "ihr Kind an den Rollstuhl gefesselt" zu sehen, sie fürchten, dass es dann bewegungsfaul wird, dass die mühsamen Versuche, ihr gehbehindertes Kind auf die Beine zu stellen, dann vergebens waren. Lieber mühsam mit Krücken laufen lernen, besser auf eigenen, wackeligen Beinen stehen als im Rollstuhl sitzen, so lautet bis heute die Devise vieler Eltern, Krankengymnasten, Mediziner. Mechthild bekam mit acht Jahren ihren ersten Rollstuhl.
Die Reaktion der Umwelt war sehr entsetzt zum Teil, die hatten also das Gefühl, wir machen dadurch unser Kind zu einem behinderten Kind, aber sie hatte ja einfach die Behinderung und der Rollstuhl war das Hilfsmittel, vieles einfacher zu machen, aber da bin ich in meinem Bekanntenkreis, Verwandtenkreis auf Schwierigkeiten gestoßen und ich musste denen helfen zu verstehen, warum wir das gemacht haben, was es für Vorteile für Mechthild hat, dass die Behinderung da ist, nicht durch den Rollstuhl, sondern das es das Hilfsmittel ist.
Ein Hilfsmittel, das die wenigsten Kinder optimal nutzen können.
Wenn ich sehe, da sitzt ein Kind von 10, 12 Kilo in einem Rollstuhl von 10,12 Kilo, da müsste ich hoch rechnen, ich fahre einen Rollstuhl der fast 80 Kilo wiegt, und wenn man sich das vor Augen führt, wie das auf die Gelenke geht.
Klaus Herzog, seit seinem 20.Lebensjahr nach einem Motorradunfall selbst auf den Rollstuhl angewiesen, trainiert im Deutschen Rollstuhlverband Kinder-Sportgruppen. Er bietet Mobilitätstraining für Kinder an und klärt darüber auf, wie wichtig ein gut angepasster Rollstuhl ist. Manchmal reiche es, mit der Säge die Rückenlehne zu kürzen, sagt Klaus Herzog, doch wichtiger sei ein Umdenken der Rollstuhlfirmen:
Wir engagieren uns dafür, dass Firmen kleinere, leichtere, wendigere, pfiffigerer Rollstühle bauen.
Ute Herzog, die sich als Fachwartin des Deutschen Rollstuhlverbandes, seit Jahren – ebenso wie ihr Mann - für eine bessere Rollstuhlausstattung der Kinder einsetzt, beschreibt die Situation so:
Viele Rollstühle für Kinder werden einfach auch auf Zuwachs ausgemessen, weil die sagen, die wachsen ja noch und man kriegt erst in 5, 6 Jahren einen neuen und bis dahin muss der passen und deshalb machen wir ihn schön breit und groß und damit du gut sitzt, kommt eine Schale rein und das Problem dabei ist, wenn man sich vorstellt, man hat Schuhgröße 35 und man kriegt einen 40er Schuh und man stopft den dann mit irgendwelchen Materialien aus, also da kann man nicht gut drin laufen, so ähnlich ist es mit dem Rollstuhl auch, nur noch etwas extremer.
Dr. Karl Ellerich ist niedergelassener Facharzt für Orthopädie in Erftstadt. Er bietet seit Jahren eine Spezialsprechstunde für behinderte Kinder an – dort betreut er mehrere hundert Rollstuhlkinder. Seiner Erfahrung nach beginnt die Rollstuhlversorgung immer noch viel zu spät.
Schon mit einem, mit anderthalb Jahren – so empfiehlt der Orthopäde - wenn auch gesunde Kinder sich auf den Weg machen, die Wohnung, den Garten oder Kinderspielplatz selbstständig zu erforschen - sollten auch behinderte Kinder entsprechend ihres eigenen Könnens die Welt "erfahren" dürfen – nicht auf dem Boden rutschend oder angewiesen auf die Hilfe anderer, sondern in einem winzig kleinen Rollstuhl:
Je früher wir beginnen, umso früher können wir die Kinder aufrecht setzen, ihren Aktivitätsradius entsprechend versorgen, dass sie nicht eingeschränkt sind, umso früher können wir auch Sekundärschäden vorbeugen.
Der Orthopäde sieht in seiner Praxis immer wieder Kindern mit schweren Verschleißerscheinungen an den Gelenken oder mit massiven Rückenproblemen - Sekundärerkrankungen, die darauf zurückgeführt werden müssen, dass die Kinder an falsch angepasste, zu schwere Rollstühle im wahrsten Sinne des Wortes gefesselt waren.
Im Spastikerbereich haben wir das Problem, dass aus der Spastizität auch sehr schnell Kontrakturen, also richtige Verkürzungen der Sehnen entstehen, die wiederum weiter Schäden im Gelenkbereich machen können, zu Hüftverrenkungen, Knieschäden usw, diese Kontrakturen führen sehr oft zu sehr aufwendigen, kostspieligen und vor allem für die Kinder sehr schmerzhaften Operationen.
Eine möglichst frühe optimale Rollstuhlversorgung bewahrt nicht nur vor Folgeerkrankungen, sondern unterstützt auch die Persönlichkeitsentwicklung eines behinderten Kindes – doch noch immer tun sich sowohl die Kostenträger als auch viele Mediziner schwer, den Kindern die optimale Hilfsmittelversorgung zu genehmigen. Ein gut angepasster Rollstuhl kostet mindestens anderthalb oder zweitausend Euro – er sollte für 5 Jahre ausreichen – doch was ist, wenn das Kind schon nach zwei Jahren wieder rausgewachsen ist? Dann muss ein neuer Rollstuhl beantragt werden, fordert Dr. Ellerich - Kostenfragen lässt er deshalb auch nicht gelten:
Wir sprechen von einem ganz, ganz kleinen Prozentsatz der Krankenversicherten, und wenn wir jetzt bei diesen Kindern pro Jahr ein paar hundert Euro für einen vernünftigen Stuhl ausgeben, ich glaube, wer da mit dem Hinweis auf leere Kassen die Hilfe verweigert, die wichtige Hilfe verweigert, der macht sich schon lächerlich.
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